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Erklärung der Kölner Ratsfraktionen

Die Umsetzung der Istanbul Konvention schützt Frauen wirksam vor Gewalt
Kölner Ratsfraktionen und -gruppen fordern die Rückkehr der Türkei zur Istanbul Konvention
Erklärung der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Rat der Stadt Köln, SPD-Fraktion im Rat der Stadt Köln, CDU-Fraktion im Rat der Stadt Köln, Fraktion DIE LINKE im Rat der Stadt Köln, FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln, Volt-Fraktion im Rat der Stadt Köln, Ratsgruppe Die PARTEI, Ratsgruppe KLIMA FREUNDE, Ratsgruppe GUT
Einiges ist im Kampf gegen Gewalt an Frauen erreicht worden – doch ein langer Weg liegt noch vor uns. Ein Meilenstein war die Ratifizierung der Istanbul Konvention 2011, ein völkerrechtlicher Vertrag, den insgesamt 45 Staaten unterschrieben haben. Die Türkei hat den Vertrag als erstes Land am 19. März wieder verlassen.
Wir Kölner Ratsmitglieder schauen besorgt auf die Menschen und insbesondere Frauen in der Türkei. Wir fühlen uns dem Land, aus dem viele Kölnerinnen und Kölner stammen, und dessen größte Stadt unsere Partnerstadt ist, besonders verbunden. Wir glauben, dass die Menschen in der Türkei sich genauso wie die Menschen hier ein Land wünschen, indem Frauen ohne Angst und Gewalt aufwachsen und leben können.
Doch sie sind nicht an der Entscheidung darüber beteiligt worden, was der richtige Weg dorthin ist und welche Rolle die Istanbul-Konvention dabei spielen kann. Zahlreiche Proteste von Frauen in der Türkei selbst und in Europa legen nahe, dass Frauen sehr wohl an die Wirksamkeit und Notwendigkeit dieses Vertrages glauben. Diese Frauen, über deren Köpfe hinweg entschieden wurde, verdienen unseren Respekt und unsere Unterstützung. Deswegen halten wir es für notwendig, dass die Türkei einen demokratischen Prozess initiiert.
Gewalt gegen Frauen gibt es leider überall auf der Welt. Das Problem zu verschweigen oder zu bagatellisieren macht die Situation nicht besser. Im Gegenteil: Je mehr und je offener über das Problem geredet wird, desto mehr geht Gewalt gegen Frauen zurück. Die Istanbul-Konvention ist ein wichtiges Instrument dazu, die zugrunde liegenden Diskriminierung- und Abwertungsmuster ans Licht zu holen und zu bekämpfen.
 
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Dokumentation, die Istanbul Konvention im Wortlaut Quelle Bundesfamilienministerium
 
Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 (Istanbul-Konvention)
 3 Inhalt Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt Auszug aus dem Bundesgesetzblatt Jahrgang 2017 Teil II Nr. 19, ausgegeben zu Bonn am 26. Juli 2017 (S.1026ff.) 5 Denkschrift zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt Auszug aus der Bundestagsdrucksache 18/12037 (S.45ff.) 44 Berichtigung des Gesetzes zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt Auszug aus dem Bundesgesetzblatt Jahrgang 2018 Teil II Nr. 4, ausgegeben zu Bonn am 26. März 2018 (S.119) 101 Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt Auszug aus dem Bundesgesetzblatt Jahrgang 2018 Teil II Nr. 5, ausgegeben zu Bonn am 16. April 2018 (S.142ff.) 102 4 Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen: Artikel 1 Dem in Istanbul am 11. Mai 2011 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt wird zugestimmt. Das Übereinkommen wird nachstehend mit einer amtlichen deutschen Übersetzung veröffentlicht. Artikel 2 (1) Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. (2) Der Tag, an dem das Übereinkommen nach seinem Artikel 76 Absatz 2 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, ist im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben. Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt. Es ist im Bundesgesetzblatt zu verkünden. Berlin, den 17. Juli 2017
D e r B u n d e s p rä s i d e n t S te i n m e i e r
D i e B u n d e s k a n z l e r i n Dr. A n g e l a M e r k e l
D i e B u n d e s m i n i s te r i n f ü r Fa m i l i e , S e n i o re n , Fra u e n u n d J u g e n d K a t a r i n a B a r l e y
D e r B u n d e s m i n i s te r d e s A u s w ä r t i g e n S i g m a r G a b r i e l D e r B u n d e s m i n i s te r d e r J u s t i z u n d f ü r Ve r b ra u c h e r s c h u t z H e i ko M a a s
1026 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2017 Teil II Nr. 19, ausgegeben zu Bonn am 26. Juli 2017 Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt Vom 17. Juli 2017
 
5 P r ä a m b e l Die Mitgliedstaaten des Europarats und die anderen Unterzeichner dieses Übereinkommens – eingedenk der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (SEV Nr. 5, 1950) und ihrer Protokolle, der Europäischen Sozialcharta (SEV Nr. 35, 1961, geändert 1996, SEV Nr. 163), des Übereinkommens des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels (SEV Nr. 197, 2005) und des Übereinkommens des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (SEV Nr. 201, 2007); eingedenk der folgenden Empfehlungen des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten des Europarats: Empfehlung Rec (2002)5 zum Schutz von Frauen vor Gewalt, Empfehlung CM/Rec (2007)17 zu Normen und Mechanismen zur Gleichstellung von Frauen und Männern, Empfehlung CM/Rec (2010)10 zur Rolle von Frauen und Männern in der Konfliktverhütung und -lösung sowie der Friedenskonsolidierung und sonstige einschlägige Empfehlungen; unter Berücksichtigung der immer umfangreicheren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, durch die wichtige Normen auf dem Gebiet der Gewalt gegen Frauen gesetzt werden; in Anbetracht des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (1966), des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1966), des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau („CEDAW“, 1979) und seines Fakultativprotokolls (1999) sowie der Allgemeinen Empfehlung Nr.  19 des CEDAW-Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau zur Gewalt gegen Frauen, des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (1989) und seiner Fakultativprotokolle (2000) und des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (2006); unter Berücksichtigung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (2002); eingedenk der Grundsätze des humanitären Völkerrechts und insbesondere des IV. Genfer Abkommens zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten (1949) sowie der Zusatzprotokolle I und II (1977) hierzu; unter Verurteilung aller Formen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt; in Anerkennung der Tatsache, dass die Verwirklichung der rechtlichen und der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ein wesentliches Element der Verhütung von Gewalt gegen Frauen ist; in Anerkennung der Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen der Ausdruck historisch gewachsener ungleicher Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern ist, die zur Beherrschung und Diskriminierung der Frau durch den Mann und zur Verhinderung der vollständigen Gleichstellung der Frau geführt haben; in Anerkennung der Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen als geschlechtsspezi - fische Gewalt strukturellen Charakter hat, sowie der Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen einer der entscheidenden sozialen Mechanismen ist, durch den Frauen in eine untergeordnete Position gegenüber Männern gezwungen werden; mit großer Sorge feststellend, dass Frauen und Mädchen häufig schweren Formen von Gewalt wie häuslicher Gewalt, sexueller Belästigung, Vergewaltigung, Zwangsverheiratung, im Namen der sogenannten „Ehre“ begangener Verbrechen und Genitalverstümmelung ausgesetzt sind, die eine schwere Verletzung der Menschenrechte von Frauen und Mädchen sowie ein Haupthindernis für das Erreichen der Gleichstellung von Frauen und Männern darstellen; in Anbetracht der fortdauernden Menschenrechtsverletzungen während bewaffneter Konflikte, welche die Zivilbevölkerung und insbesondere Frauen in Form von weit verbreiteter oder systematischer Vergewaltigung und sexueller Gewalt betreffen, sowie der höheren Wahrscheinlichkeit geschlechtsspezifischer Gewalt sowohl während als auch nach Konflikten; in der Erkenntnis, dass Frauen und Mädchen einer größeren Gefahr von geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt sind als Männer. in der Erkenntnis, dass häusliche Gewalt Frauen unverhältnismäßig stark betrifft und dass auch Männer Opfer häuslicher Gewalt sein können; in der Erkenntnis, dass Kinder Opfer häuslicher Gewalt sind, auch als Zeuginnen und Zeugen von Gewalt in der Familie; in dem Bestreben, ein Europa zu schaffen, das frei von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist – sind wie folgt übereingekommen: Kapitel I Zweck, Begriffsbestimmungen, Gleichstellung und Nichtdiskriminierung, allgemeine Verpflichtungen Artikel 1 Zweck des Übereinkommens (1) Zweck dieses Übereinkommens ist es, a) Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen; b) einen Beitrag zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau zu leisten und eine echte Gleichstellung von Frauen und Männern, auch durch die Stärkung der Rechte der Frauen, zu fördern; c) einen umfassenden Rahmen sowie umfassende politische und sonstige Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung aller Opfer von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu entwerfen; d) die internationale Zusammenarbeit im Hinblick auf die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu fördern; e) Organisationen und Strafverfolgungs - behörden zu helfen und sie zu unter - stützen, um wirksam mit dem Ziel zusammenzuarbeiten, einen umfassenden Ansatz für die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt anzunehmen. (2) Um die wirksame Durchführung dieses Übereinkommens durch die Vertragsparteien sicherzustellen, wird durch dieses Übereinkommen ein besonderer Überwachungsmechanismus eingeführt. Artikel 2 Geltungsbereich des Übereinkommens (1) Dieses Übereinkommen findet Anwendung auf alle Formen von Gewalt gegen Frauen, einschließlich der häuslichen Gewalt, die Frauen unverhältnismäßig stark betrifft.(2) Die Vertragsparteien werden ermutigt, dieses Übereinkommen auf alle Opfer häuslicher Gewalt anzuwenden. Die Vertragsparteien richten bei der Durchführung dieses Übereinkommens ein besonderes Augenmerk auf Frauen, die Opfer geschlechts - spezifischer Gewalt geworden sind. (3) Dieses Übereinkommen findet in Friedenszeiten und in Situationen bewaffneter Konflikte Anwendung. Artikel 3 Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Übereinkommens a) wird der Begriff „Gewalt gegen Frauen“ als eine Menschenrechtsverletzung und eine Form der Diskriminierung der Frau verstanden und bezeichnet alle Handlungen geschlechtsspezifischer Gewalt, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden bei Frauen führen oder führen können, einschließlich der Androhung solcher Handlungen, der Nötigung oder der willkürlichen Freiheitsentziehung, sei es im öffentlichen oder privaten Leben; b) bezeichnet der Begriff „häusliche Gewalt“ alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt, die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen beziehungsweise Partnern vorkommen, unabhängig davon, ob der Täter beziehungsweise die Täterin denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder hatte; c) bezeichnet der Begriff „Geschlecht“ die gesellschaftlich geprägten Rollen, Verhaltensweisen, Tätigkeiten und Merkmale, die eine bestimmte Gesellschaft als für Frauen und Männer angemessen ansieht; d) bezeichnet der Begriff „geschlechts - spezifische Gewalt gegen Frauen“ Gewalt, die gegen eine Frau gerichtet ist, weil sie eine Frau ist, oder die Frauen unverhältnismäßig stark betrifft; e) bezeichnet der Begriff „Opfer“ eine natürliche Person, die Gegenstand des unter den Buchstaben a und b beschriebenen Verhaltens ist; f) umfasst der Begriff „Frauen“ auch Mädchen unter achtzehn Jahren. Artikel 4 Grundrechte, Gleichstellung und Nichtdiskriminierung (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen zur Förderung und zum Schutz des Rechts jeder Person, insbesondere von Frauen, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich frei von Gewalt zu leben. (2) Die Vertragsparteien verurteilen jede Form von Diskriminierung der Frau und treffen unverzüglich die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen zu ihrer Verhütung, insbesondere durch – die Verankerung des Grundsatzes der Gleichstellung von Frauen und Männern in ihren nationalen Verfassungen oder in anderen geeigneten Rechtsvorschriften sowie die Sicherstellung der tatsäch - lichen Verwirklichung dieses Grundsatzes; – das Verbot der Diskriminierung der Frau, soweit erforderlich auch durch Sanktionen; – die Aufhebung aller Gesetze und die Abschaffung von Vorgehensweisen, durch die Frauen diskriminiert werden. (3) Die Durchführung dieses Übereinkommens durch die Vertragsparteien, insbesondere von Maßnahmen zum Schutz der Rechte der Opfer, ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des biologischen oder sozialen Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, der sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität, des Alters, des Gesundheitszustands, einer Behinderung, des Familienstands, des Migranten- oder Flüchtlingsstatus oder des sonstigen Status sicherzustellen. (4) Besondere Maßnahmen, die zur Verhütung von geschlechtsspezifischer Gewalt und zum Schutz von Frauen vor solcher Gewalt erforderlich sind, gelten nicht als Diskriminierung im Sinne dieses Übereinkommens. Artikel 5 Verpflichtungen der Staaten und Sorgfaltspflicht (1) Die Vertragsparteien unterlassen jede Beteiligung an Gewalttaten gegen Frauen und stellen sicher, dass staatliche Behörden, Beschäftigte, Einrichtungen und sonstige im Auftrag des Staates handelnde Personen im Einklang mit dieser Verpflichtung handeln. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen, um ihrer Sorgfaltspflicht zur Verhütung, Untersuchung und Bestrafung von in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Gewalttaten, die von Personen, die nicht im Auftrag des Staates handeln, begangen wurden, und zur Bereitstellung von Entschädigung für solche Gewalttaten nachzukommen. Artikel 6 Geschlechtersensible politische Maßnahmen Die Vertragsparteien verpflichten sich, die Geschlechterperspektive in die Durchführung und in die Bewertung der Auswirkungen dieses Übereinkommens einzubeziehen und politische Maßnahmen der Gleichstellung von Frauen und Männern und der Stärkung der Rechte der Frauen zu fördern und wirksam umzusetzen. Kapitel II Ineinandergreifende politische Maßnahmen und Datensammlung Artikel 7 Umfassende und koordinierte politische Maßnahmen (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen, um landesweit wirksame, umfassende und koordinierte politische Maßnahmen zu beschließen und umzusetzen, die alle einschlägigen Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt umfasst, und um eine ganzheitliche Antwort auf Gewalt gegen Frauen zu geben. (2) Die Vertragsparteien stellen sicher, dass die in Absatz 1 genannten politischen Maßnahmen die Rechte des Opfers in den Mittelpunkt aller Maßnahmen stellen und mittels einer wirksamen Zusammenarbeit zwischen allen einschlägigen Behörden, Einrichtungen und Organisationen umgesetzt werden. (3) Nach Maßgabe dieses Artikels getroffene Maßnahmen beziehen gegebenenfalls alle einschlägigen Akteure wie Regierungsstellen, nationale, regionale und lokale Parlamente und Behörden, nationale Menschenrechtsinstitutionen und zivilgesellschaftliche Organisationen ein. Artikel 8 Finanzielle Mittel Die Vertragsparteien stellen angemessene finanzielle und personelle Mittel bereit für die geeignete Umsetzung von ineinandergreifenden politischen und sonstigen Maßnahmen sowie Programmen zur Verhütung und Bekämpfung aller in den Geltungs - bereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt, einschließlich der von nichtstaatlichen Organisationen und der Zivilgesellschaft durchgeführten. Artikel 9 Nichtstaatliche Organisationen und Zivilgesellschaft Die Vertragsparteien anerkennen, fördern und unterstützen auf allen Ebenen die Arbeit einschlägiger nichtstaatlicher Organisationen und der Zivilgesellschaft, die Gewalt gegen Frauen aktiv bekämpfen, und begründen eine wirkungsvolle Zusammen - arbeit mit diesen Organisationen. Artikel 10 Koordinierungsstelle (1) Die Vertragsparteien benennen oder errichten eine oder mehrere offizielle Stellen, die für die Koordinierung, Umsetzung, Beobachtung und Bewertung der politischen und sonstigen Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung aller von diesem Übereinkommen erfassten Formen von Gewalt zuständig sind. Diese Stellen koordinieren die in Artikel 11 genannte Datensammlung sowie analysieren und verbreiten ihre Ergebnisse. (2) Die Vertragsparteien stellen sicher, dass die nach diesem Artikel benannten oder errichteten Stellen allgemeine Informationen über nach Maßgabe des Kapitels VIII getroffene Maßnahmen erhalten. (3) Die Vertragsparteien stellen sicher, dass die nach diesem Artikel benannten oder errichteten Stellen die Möglichkeit haben, mit den ihnen entsprechenden Stellen in anderen Vertragsparteien direkt zu kommunizieren und den Kontakt zu pflegen. Artikel 11 Datensammlung und Forschung (1) Für die Zwecke der Durchführung dieses Übereinkommens verpflichten sich die Vertragsparteien, a) in regelmäßigen Abständen einschlägige genau aufgeschlüsselte statistische Daten über Fälle von allen in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt zu sammeln; b) die Forschung auf dem Gebiet aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt zu fördern, um ihre eigentlichen Ursachen und ihre Auswirkungen, ihr Vorkommen und die Aburteilungsquote sowie die Wirksamkeit der zur Durchführung dieses Übereinkommens getroffenen Maßnahmen zu untersuchen. (2) Die Vertragsparteien bemühen sich, in regelmäßigen Abständen bevölkerungs - bezogene Studien durchzuführen, um die Verbreitung und Entwicklung aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt zu bewerten. (3) Die Vertragsparteien stellen der in Artikel  66 genannten Expertengruppe die nach diesem Artikel gesammelten Daten zur Verfügung, um die internationale Zusammenarbeit anzuregen und einen internationalen Vergleich zu ermöglichen. (4) Die Vertragsparteien stellen sicher, dass die nach diesem Artikel gesammelten Daten der Öffentlichkeit zugänglich sind. Kapitel III Prävention Artikel 12 Allgemeine Verpflichtungen (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen Maßnahmen, um Veränderungen von sozialen und kulturellen Verhaltensmustern von Frauen und Männern mit dem Ziel zu bewirken, Vorurteile, Bräuche, Traditionen und alle sonstigen Vorgehensweisen, die auf der Vorstellung der Unterlegenheit der Frau oder auf Rollenzuweisungen für Frauen und Männer beruhen, zu beseitigen. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen, um alle in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt durch natürliche oder juristische Personen zu verhüten. (3) Alle nach diesem Artikel getroffenen Maßnahmen müssen die speziellen Bedürfnisse von Personen, die durch besondere Umstände schutzbedürftig geworden sind, berücksichtigen und sich mit diesen befassen und die Menschenrechte aller Opfer in den Mittelpunkt stellen. (4) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen Maßnahmen, um alle Mitglieder der Gesellschaft, insbesondere Männer und Jungen, zur aktiven Beteiligung an der Verhütung aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt zu ermutigen. (5) Die Vertragsparteien stellen sicher, dass Kultur, Bräuche, Religion, Tradition oder die sogenannte „Ehre“ nicht als Rechtfertigung für in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallende Gewalttaten angesehen werden. (6) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen Maßnahmen, um Programme und Aktivitäten zur Stärkung der Rechte der Frauen zu fördern. Artikel 13 Bewusstseinsbildung (1) Die Vertragsparteien fördern regel - mäßig Kampagnen oder Programme zur Bewusstseinsbildung auf allen Ebenen oder führen solche durch, gegebenenfalls auch  in Zusammenarbeit mit nationalen Menschenrechtsinstitutionen und Gleichstellungsorganen, der Zivilgesellschaft und nichtstaatlichen Organisationen, insbesondere mit Frauenorganisationen, um in der breiten Öffentlichkeit das Bewusstsein und das Verständnis für die unterschiedlichen Erscheinungsformen aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt, ihre Auswirkungen auf Kinder und die Notwendigkeit, solche Gewalt zu verhüten, zu verbessern. (2) Die Vertragsparteien stellen die umfassende Verbreitung von Informationen über Maßnahmen, die verfügbar sind, um in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallende Gewalttaten zu verhüten, in der breiten Öffentlichkeit sicher. Artikel 14 Bildung (1) Die Vertragsparteien treffen gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen, um an die sich entwickelnden Fähigkeiten der Lernenden angepasste Lernmittel zu Themen wie der Gleichstellung von Frauen und Männern, der Aufhebung von Rollenzuweisungen, gegenseitigem Respekt, gewaltfreier Konfliktlösung in zwischenmenschlichen Beziehungen, geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und dem Recht auf die Unversehrtheit der Person in die offiziellen Lehrpläne auf allen Ebenen des Bildungssystems aufzunehmen. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die in Absatz 1 genannten Grundsätze in informellen Bildungsstätten sowie in Sport-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen und in den Medien zu fördern. Artikel 15 Aus- und Fortbildung von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen (1) Die Vertragsparteien schaffen für Angehörige der Berufsgruppen, die mit Opfern oder Tätern aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Gewalttaten zu tun haben, ein Angebot an geeigneten Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zur Verhütung und Aufdeckung solcher Gewalt, zur Gleichstellung von Frauen und Männern, zu den Bedürfnissen und Rechten der Opfer sowie zu Wegen zur Verhinderung der sekundären Viktimisierung oder bauen dieses Angebot aus. (2) Die Vertragsparteien ermutigen dazu, dass die in Absatz 1 genannten Aus- und Fortbildungsmaßnahmen auch Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zur koordinierten behördenübergreifenden Zusammenarbeit umfassen, um bei in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Gewalttaten einen umfassenden und geeigneten Umgang mit Weiterverweisungen zu ermöglichen. Artikel 16 Vorbeugende Interventionsund Behandlungsprogramme (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um Programme einzurichten oder zu unterstützen, die darauf abzielen, Täter und Täterinnen häuslicher Gewalt zu lehren, in zwischenmenschlichen Beziehungen ein gewaltfreies Verhalten anzunehmen, um weitere Gewalt zu verhüten und von Gewalt geprägte Verhaltensmuster zu verändern. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um Behandlungsprogramme einzurichten oder zu unterstützen, die darauf abzielen zu verhindern, dass Täter und Täterinnen, insbesondere Sexualstraftäter und -täterinnen, erneut Straftaten begehen. (3) Bei den in den Absätzen 1 und 2 genannten Maßnahmen stellen die Vertragsparteien sicher, dass die Sicherheit, die Unterstützung und die Menschenrechte der Opfer ein vorrangiges Anliegen sind und dass diese Programme gegebenenfalls in enger Zusammenarbeit mit spezialisierten Hilfsdiensten für Opfer ausgearbeitet und umgesetzt werden. Artikel 17 Beteiligung des privaten Sektors und der Medien (1) Die Vertragsparteien ermutigen den privaten Sektor, den Bereich der Informa - tions- und Kommunikationstechnologien und die Medien, sich unter gebührender Beachtung der freien Meinungsäußerung und ihrer Unabhängigkeit an der Ausarbeitung und Umsetzung von politischen Maßnahmen zu beteiligen sowie Richtlinien und Normen der Selbstregulierung festzulegen, um Gewalt gegen Frauen zu verhüten und die Achtung ihrer Würde zu erhöhen. (2) Die Vertragsparteien entwickeln und fördern in Zusammenarbeit mit Akteuren des privaten Sektors bei Kindern, Eltern, Erzieherinnen und Erziehern Fähigkeiten für den Umgang mit dem Informations- und Kommunikationsumfeld, das Zugang zu herabwürdigenden Inhalten sexueller oder gewalttätiger Art bietet, die schädlich sein können. Kapitel IV Schutz und Unterstützung Artikel 18 Allgemeine Verpflichtungen (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um alle Opfer vor weiteren Gewalttaten zu schützen. (2) Die Vertragsparteien treffen im Einklang mit dem internen Recht die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass es geeignete Mechanismen für eine wirksame Zusammenarbeit zwischen allen einschlägigen staatlichen Stellen, einschließlich der Justiz, Staatsanwaltschaften, Strafverfolgungsbehörden, lokalen und regionalen Behörden, und nichtstaatlichen Organisationen und sonstigen einschlägigen Organisationen und Stellen beim Schutz und der Unterstützung von Opfern und Zeuginnen und Zeugen aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt gibt; dies kann auch durch die Verweisung an allgemeine und spezialisierte Hilfsdienste, wie sie in den Artikeln  20 und 22 beschrieben werden, geschehen. (3) Die Vertragsparteien stellen sicher, dass nach Maßgabe dieses Kapitels getroffene Maßnahmen – auf einem geschlechtsbewussten Verständnis von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt beruhen und die Menschenrechte und die Sicherheit des Opfers in den Mittelpunkt stellen; – auf einem umfassenden Ansatz beruhen, bei dem das Verhältnis zwischen Opfern, Tätern beziehungsweise Täterinnen, Kindern und ihrem weiteren sozialen Umfeld berücksichtigt wird; – die Verhinderung der sekundären Viktimisierung zum Ziel haben; – die Stärkung der Rechte und die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen zum Ziel haben, die Opfer von Gewalt geworden sind; – gegebenenfalls die Unterbringung verschiedener Schutz- und Hilfsdienste in denselben Gebäuden ermöglichen; – auf die besonderen Bedürfnisse schutzbedürftiger Personen, einschließlich der Opfer, die Kinder sind, eingehen und diesen Personen zugänglich gemacht werden. (4) Die Bereitstellung von Diensten darf nicht von der Bereitschaft des Opfers abhängen, Anzeige zu erstatten oder gegen den Täter beziehungsweise die Täterin auszusagen. (5) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen Maßnahmen, um im Einklang mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen ihren Staatsangehörigen und sonstigen zu einem solchen Schutz berechtigten Opfern konsularischen und sonstigen Schutz sowie Unterstützung zu gewähren. Artikel 19 Informationen Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Opfer angemessen und rechtzeitig über verfügbare Hilfsdienste und rechtliche Maßnahmen in einer ihnen verständlichen Sprache informiert werden. Artikel 20 Allgemeine Hilfsdienste (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Opfer Zugang zu Diensten erhalten, die ihre Genesung nach Gewalt erleichtern. Diese Maßnahmen sollen, sofern erforderlich, Dienste wie rechtliche und psychologische Beratung, finanzielle Unterstützung, Unterkunft, Ausbildung, Schulung sowie Unterstützung bei der Arbeitssuche umfassen. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Opfer Zugang zu Gesundheits- und Sozialdiensten haben, dass Dienste über angemessene Mittel verfügen und dass Angehörige bestimmter Berufsgruppen geschult werden, um die Opfer zu unterstützen und sie an die geeigneten Dienste zu verweisen. Artikel 21 Unterstützung bei Einzel- oder Sammelklagen Die Vertragsparteien stellen sicher, dass Opfer Informationen über geltende regionale und internationale Mechanismen für Einzel- oder Sammelklagen und Zugang zu diesen haben. Die Vertragsparteien fördern die Bereitstellung einfühlsamer und sachkundiger Unterstützung für die Opfer bei der Einreichung solcher Klagen. Artikel 22 Spezialisierte Hilfsdienste (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um in angemessener geographischer Verteilung spezialisierte Hilfsdienste für sofortige sowie kurz- und langfristige Hilfe für alle Opfer von in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Gewalttaten bereitzustellen oder für deren Bereitstellung zu sorgen. (2) Die Vertragsparteien stellen für alle Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, und ihre Kinder spezialisierte Hilfsdienste bereit oder sorgen für deren Bereitstellung. Artikel 23 Schutzunterkünfte Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um die Einrichtung von geeigneten, leicht zugänglichen Schutzunterkünften in ausreichender Zahl zu ermöglichen, um Opfern, insbesondere Frauen und ihren Kindern, eine sichere Unterkunft zur Verfügung zu stellen und aktiv auf Opfer zuzu - gehen. Artikel 24 Telefonberatung Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um eine kostenlose, landesweite und täglich rund um die Uhr erreichbare Telefonberatung einzurichten, um Anruferinnen und Anrufer vertraulich oder unter Berücksichtigung ihrer Anonymität im Zusammenhang mit allen in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt zu beraten. Artikel 25 Unterstützung für Opfer sexueller Gewalt Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um die Einrichtung von geeigneten, leicht zugänglichen Krisenzentren für Opfer von Vergewaltigung und sexueller Gewalt in ausreichender Zahl zu ermög - lichen, um Opfern medizinische und gerichtsmedizinische Untersuchungen, Traumahilfe und Beratung anzubieten. Artikel 26 Schutz und Unterstützung für Zeuginnen und Zeugen, die Kinder sind (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass bei der Bereitstellung von Schutz- und  Hilfsdiensten für Opfer die Rechte und Bedürfnisse von Kindern, die Zeuginnen und Zeugen von in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt geworden sind, gebührend berücksichtigt werden. (2) Nach diesem Artikel getroffene Maßnahmen umfassen die altersgerechte psycho-soziale Beratung für Kinder, die Zeuginnen und Zeugen von in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt geworden sind, und berücksichtigen gebührend das Wohl des Kindes. Artikel 27 Meldung Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen Maßnahmen, um alle Personen, die Zeuginnen beziehungsweise Zeugen der Begehung einer in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Gewalttat geworden sind oder die Gründe für die Annahme haben, dass eine solche Tat begangen werden könnte oder weitere Gewalttaten zu erwarten sind, zu ermutigen, dies den zuständigen Organisationen oder Behörden zu melden. Artikel 28 Meldung durch Angehörige bestimmter Berufsgruppen Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Vorschriften über die Vertraulichkeit, die nach dem internen Recht für Angehörige bestimmter Berufsgruppen gelten, diesen Personen nicht die Möglichkeit nehmen, unter gegebenen Umständen eine Meldung an die zuständigen Organisationen und Behörden zu machen, wenn sie Gründe für die Annahme haben, dass eine schwere in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallende Gewalttat begangen worden ist und weitere schwere Gewalttaten zu erwarten sind. Kapitel V Materielles Recht Artikel 29 Zivilverfahren und Rechtsbehelfe (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um Opfer mit angemessenen zivilrechtlichen Rechtsbehelfen gegenüber dem Täter beziehungsweise der Täterin auszustatten. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um Opfer im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts mit angemessenen zivilrechtlichen Ansprüchen gegenüber staatlichen Behörden auszustatten, die im Rahmen ihrer Zuständigkeiten ihrer Pflicht zum Ergreifen der erforderlichen vorbeugenden Maßnahmen oder Schutzmaßnahmen nicht nachgekommen sind. . Artikel 30 Schadensersatz und Entschädigung (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Opfer das Recht haben, von Tätern beziehungsweise Täterinnen für alle nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten Schadensersatz zu fordern. (2) Eine angemessene staatliche Entschädigung wird denjenigen gewährt, die eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, soweit der Schaden nicht von anderer Seite, wie dem Täter beziehungsweise der Täterin, einer Versicherung oder durch staatlich finanzierte Gesundheits- und Sozialmaßnahmen, ersetzt wird. Dies hindert die Vertragsparteien nicht daran, den Täter beziehungsweise die Täterin für die gewährte Entschädigung in Regress zu nehmen, solange dabei die Sicherheit des Opfers gebührend berücksichtigt wird. (3) Maßnahmen nach Absatz  2 sollen sicherstellen, dass die Entschädigung innerhalb eines angemessenen Zeitraums gewährt wird. Artikel 31 Sorgerecht, Besuchsrecht und Sicherheit (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallende gewalttätige Vorfälle bei Entscheidungen über das Besuchs- und Sorgerecht betreffend Kinder berücksichtigt werden. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Ausübung des Besuchs- oder Sorgerechts nicht die Rechte und die Sicherheit des Opfers oder der Kinder gefährdet. Artikel 32 Zivilrechtliche Folgen der Zwangsheirat Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass unter Zwang geschlossene Ehen ohne eine unangemessene finanzielle oder administrative Belastung für das Opfer anfechtbar sind, für nichtig erklärt oder aufgelöst werden können. Artikel 33 Psychische Gewalt Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass vorsätzliches Verhalten, durch das die psychische Unversehrtheit einer Person durch Nötigung oder Drohung ernsthaft beeinträchtigt wird, unter Strafe gestellt wird.  34 Nachstellung Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass vorsätzliches Verhalten, das aus wiederholten Bedrohungen gegenüber einer anderen Person besteht, die dazu führen, dass diese um ihre Sicherheit fürchtet, unter Strafe gestellt wird. Artikel 35 Körperliche Gewalt Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass vorsätzliches Verhalten, durch das einer anderen Person körperliche Gewalt angetan wird, unter Strafe gestellt wird. Artikel 36 Sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass folgendes vorsätzliches Verhalten unter Strafe gestellt wird: a) nicht einverständliches, sexuell bestimmtes vaginales, anales oder orales Eindringen in den Körper einer anderen Person mit einem Körperteil oder Gegenstand; b) sonstige nicht einverständliche sexuell bestimmte Handlungen mit einer anderen Person; c) Veranlassung einer Person zur Durchführung nicht einverständlicher sexuell bestimmter Handlungen mit einer dritten Person. (2) Das Einverständnis muss freiwillig als Ergebnis des freien Willens der Person, der im Zusammenhang der jeweiligen Begleitumstände beurteilt wird, erteilt werden. (3) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Absatz 1 auch auf Handlungen anwendbar ist, die gegenüber früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen oder Partnern im Sinne des internen Rechts begangen wurden. Artikel 37 Zwangsheirat (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass vorsätzliches Verhalten, durch das eine erwachsene Person oder ein Kind zur Eheschließung gezwungen wird, unter Strafe gestellt wird. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass vorsätzliches Verhalten unter Strafe gestellt wird, durch das eine erwachsene Person  oder ein Kind in das Hoheitsgebiet einer Vertragspartei oder eines Staates gelockt wird, das nicht das Hoheitsgebiet ihres beziehungsweise seines Aufenthalts ist, um diese erwachsene Person oder dieses Kind zur Eheschließung zu zwingen. Artikel 38 Verstümmelung weiblicher Genitalien Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass folgendes vorsätzliches Verhalten unter Strafe gestellt wird: a) Entfernung, Infibulation oder Durchführung jeder sonstigen Verstümmelung der gesamten großen oder kleinen Schamlippen oder Klitoris einer Frau oder eines Teiles davon; b) ein Verhalten, durch das eine Frau dazu genötigt oder gebracht wird, sich einer der unter Buchstabe  a aufgeführten Handlungen zu unterziehen; c) ein Verhalten, durch das ein Mädchen dazu verleitet, genötigt oder dazu gebracht wird, sich einer der unter Buchstabe a aufgeführten Handlungen zu unterziehen. Artikel 39 Zwangsabtreibung und Zwangssterilisierung Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass folgendes vorsätzliches Verhalten unter Strafe gestellt wird: a) Durchführung einer Abtreibung an einer Frau ohne deren vorherige Zustimmung nach erfolgter Aufklärung; b) Durchführung eines chirurgischen Eingriffs mit dem Zweck oder der Folge, dass die Fähigkeit einer Frau zur natürlichen Fortpflanzung ohne deren auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung zu dem Verfahren oder Verständnis dafür beendet wird. Artikel 40 Sexuelle Belästigung Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass jede Form von ungewolltem sexuell bestimmtem verbalem, nonverbalem oder körperlichem Verhalten mit dem Zweck oder der Folge, die Würde einer Person zu verletzen, insbesondere wenn dadurch ein Umfeld der Einschüchterung, Feindseligkeit, Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung geschaffen wird, strafrechtlichen oder sonstigen rechtlichen Sanktionen unterliegt. Artikel 41 Beihilfe oder Anstiftung und Versuch (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonsti1042 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2017 Teil II Nr. 19, ausgegeben zu Bonn am 26. Juli 2017 21 offence, when committed intentionally, aiding or abetting the commission of the offences established in accordance with Articles 33, 34, 35, 36, 37, 38.a and 39 of this Convention. 2 Parties shall take the necessary legislative or other measures to establish as offences, when committed intentionally, attempts to commit the offences established in accordance with Articles 35, 36, 37, 38.a and 39 of this Convention. Article 42 Unacceptable justifications for crimes, including crimes committed in the name of so-called “honour” 1 Parties shall take the necessary legislative or other measures to ensure that, in criminal proceedings initiated following the commission of any of the acts of violence covered by the scope of this Convention, culture, custom, religion, tradition or socalled “honour” shall not be regarded as justification for such acts. This covers, in particular, claims that the victim has transgressed cultural, religious, social or traditional norms or customs of appropriate behaviour. 2 Parties shall take the necessary legislative or other measures to ensure that incitement by any person of a child to commit any of the acts referred to in paragraph 1 shall not diminish the criminal liability of that person for the acts committed. Article 43 Application of criminal offences The offences established in accordance with this Convention shall apply irrespective of the nature of the relationship between victim and perpetrator. Article 44 Jurisdiction 1 Parties shall take the necessary legislative or other measures to establish jurisdiction over any offence established in accordance with this Convention, when the offence is committed: a in their territory; or b on board a ship flying their flag; or c on board an aircraft registered under their laws; or d by one of their nationals; or en infractions pénales, lorsqu’elles sont commises intentionnellement, l’aide ou la complicité dans la commission des infractions établies conformément aux articles 33, 34, 35, 36, 37, 38.a et 39 de la présente Convention. 2 Les Parties prennent les mesures législatives ou autres nécessaires pour ériger en infractions pénales, lorsqu’elles sont commises intentionnellement, les tentatives de commission des infractions établies conformément aux articles 35, 36, 37, 38.a et 39 de la présente Convention. Article 42 Justification inacceptable des infractions pénales, y compris les crimes commis au nom du prétendu «honneur» 1 Les Parties prennent les mesures législatives ou autres nécessaires pour s’assurer que, dans les procédures pénales diligentées à la suite de la commission de l’un des actes de violence couverts par le champ d’application de la présente Convention, la culture, la coutume, la religion, la tradition ou le prétendu «honneur» ne soient pas considérés comme justifiant de tels actes. Cela couvre, en particulier, les allégations selon lesquelles la victime aurait transgressé des normes ou coutumes culturelles, religieuses, sociales ou traditionnelles relatives à un comportement approprié. 2 Les Parties prennent les mesures législatives ou autres nécessaires pour que l’incitation faite par toute personne à un enfant de commettre tout acte mentionné au paragraphe 1 ne diminue pas la responsabilité pénale de cette personne pour les actes commis. Article 43 Application des infractions pénales Les infractions établies conformément à la présente Convention s’appliquent indépendamment de la nature de la relation entre la victime et l’auteur de l’infraction. Article 44 Compétence 1 Les Parties prennent les mesures législatives ou autres nécessaires pour établir leur compétence à l’égard de toute infraction établie conformément à la présente Convention, lorsque l’infraction est commise: a sur leur territoire; ou b à bord d’un navire battant leur pavillon; ou c à bord d’un aéronef immatriculé selon leurs lois internes; ou d par un de leurs ressortissants; ou gen Maßnahmen, um die Beihilfe oder Anstiftung zur Begehung einer der nach den Artikeln 33, 34, 35, 36, 37, 38 Buchstabe a und 39 umschriebenen Straftaten, wenn vorsätzlich begangen, als Straftat zu umschreiben. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um den Versuch der Begehung einer der nach den Artikeln 35, 36, 37, 38 Buchstabe a und 39 umschriebenen Straftaten, wenn vorsätzlich begangen, als Straftat zu umschreiben. Artikel 42 Inakzeptable Rechtfertigungen für Straftaten, einschließlich der im Namen der sogenannten „Ehre“ begangenen Straftaten (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass in Strafverfahren, die infolge der Begehung einer der in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Gewalttaten eingeleitet werden, Kultur, Bräuche, Religion, Tradition oder die sogenannte „Ehre“ nicht als Rechtfertigung für solche Handlungen angesehen werden. Dies bezieht sich insbesondere auf Behauptungen, das Opfer habe kulturelle, religiöse, soziale oder traditionelle Normen oder Bräuche bezüglich des angemessenen Verhaltens verletzt. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass das Verleiten eines Kindes durch eine Person, eine der in Absatz 1 genannten Handlungen zu begehen, die strafrechtliche Verantwortlichkeit dieser Person für die begangenen Handlungen nicht mindert. Artikel 43 Anwendung der Straftatbestände Die nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten finden unabhängig von der Art der Täter-Opfer-Beziehung Anwendung. Artikel 44 Gerichtsbarkeit (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um ihre Gerichtsbarkeit über die nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten zu begründen, wenn die Straftat wie folgt begangen wird: a) in ihrem Hoheitsgebiet; b) an Bord eines Schiffes, das die Flagge dieser Vertragsparteien führt; c) an Bord eines Luftfahrzeugs, das nach dem Recht dieser Vertragsparteien eingetragen ist; d) von einem ihrer Staatsangehörigen oder e.) von einer Person, die ihren gewöhn - lichen Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet hat. (2) Die Vertragsparteien bemühen sich, die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen zu treffen, um ihre Gerichtsbarkeit über die nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten zu begründen, wenn die Straftat gegen einen ihrer Staatsangehörigen oder eine Person, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet hat, begangen wird. (3) Zur Verfolgung der nach den Artikeln  36, 37, 38 und 39 umschriebenen Straftaten treffen die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Begründung ihrer Gerichtsbarkeit nicht davon abhängig ist, dass die Handlungen in dem Hoheitsgebiet, in dem sie begangen wurden, strafbar sind. (4) Zur Verfolgung der nach den Artikeln  36, 37, 38 und 39 umschriebenen Straftaten treffen die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Begründung ihrer Gerichtsbarkeit in Bezug auf Absatz 1 Buchstaben d und e nicht davon abhängig ist, dass der Strafverfolgung eine Meldung der Straftat durch das Opfer oder das Einleiten eines Strafverfahrens durch den Staat, in dem die Straftat begangen wurde, vorausgegangen ist. (5) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um ihre Gerichtsbarkeit über die nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten für den Fall zu begründen, dass der mutmaßliche Täter beziehungsweise die mutmaßliche Täterin sich in ihrem Hoheitsgebiet befindet und sie ihn beziehungsweise sie nur aufgrund seiner beziehungsweise ihrer Staatsangehörigkeit nicht an eine andere Vertragspartei ausliefern. (6) Wird die Gerichtsbarkeit für eine mutmaßliche nach diesem Übereinkommen umschriebene Straftat von mehr als einer Vertragspartei geltend gemacht, so konsultieren die beteiligten Vertragsparteien einander, soweit angebracht, um die für die Strafverfolgung am besten geeignete Gerichtsbarkeit zu bestimmen. (7) Unbeschadet der allgemeinen Regeln des Völkerrechts schließt dieses Übereinkommen die Ausübung einer Strafgerichtsbarkeit durch eine Vertragspartei nach ihrem internen Recht nicht aus. Artikel 45 Sanktionen und Maßnahmen (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen bedroht werden, die ihrer Schwere Rechnung tragen. Diese Sanktionen umfassen gegebenenfalls freiheitsentziehende Maßnahmen, die zur Auslieferung führen können. (2) Die Vertragsparteien können weitere Maßnahmen in Bezug auf Täter und Täterinnen treffen, beispielsweise – die Überwachung und Betreuung verurteilter Personen; – den Entzug der elterlichen Rechte, wenn das Wohl des Kindes, das die Sicherheit des Opfers umfassen kann, nicht auf andere Weise garantiert werden kann. Artikel 46 Strafschärfungsgründe Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die folgenden Umstände, soweit sie nicht bereits Tatbestandsmerkmale darstellen, im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen des internen Rechts bei der Festsetzung des Strafmaßes für die nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten als erschwerend berücksichtigt werden können: a) Die Straftat wurde gegen eine frühere oder derzeitige Ehefrau oder Partnerin im Sinne des internen Rechts beziehungsweise gegen einen früheren oder derzeitigen Ehemann oder Partner im Sinne des internen Rechts oder von einem Familienmitglied, einer mit dem Opfer zusammenlebenden Person oder einer ihre Autoritätsstellung missbrauchenden Person begangen; b) die Straftat oder mit ihr in Zusammenhang stehende Straftaten wurden wiederholt begangen; c) die Straftat wurde gegen eine aufgrund besonderer Umstände schutzbedürftig gewordene Person begangen; d) die Straftat wurde gegen ein Kind oder in dessen Gegenwart begangen; e) die Straftat wurde von zwei oder mehr Personen gemeinschaftlich begangen; f) der Straftat ging ein extremer Grad an Gewalt voraus oder mit ihr einher; g) die Straftat wurde unter Einsatz oder Drohung mit einer Waffe begangen; h) die Straftat führte zu schweren körper - lichen oder psychischen Schäden bei dem Opfer; i) der Täter beziehungsweise die Täterin ist bereits wegen ähnlicher Straftaten verurteilt worden. Artikel 47 Von einer anderen Vertragspartei erlassene Strafurteile Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um die Möglichkeit vorzusehen, bei der Festsetzung des Strafmaßes die von einer anderen Vertragspartei erlassenen rechtskräftigen Strafurteile wegen nach die Übereinkommen umschriebener Straftaten zu berücksichtigen. Artikel 48 Verbot verpflichtender alternativer Streitbeilegungsverfahren oder Strafurteile (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um verpflichtende alternative Streitbeilegungsverfahren, einschließlich Mediation und Schlichtung, wegen aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt zu verbieten. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass im Fall der Anordnung der Zahlung einer Geldstrafe die Fähigkeit des Täters, seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Opfer nachzukommen, gebührend berücksichtigt wird. Kapitel VI Ermittlungen, Strafverfolgung, Verfahrensrecht und Schutzmaßnahmen Artikel 49 Allgemeine Verpflichtungen (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Ermittlungen und Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit allen in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt ohne ungerechtfertigte Verzögerung durchgeführt werden, wobei die Rechte des Opfers in allen Abschnitten des Strafverfahrens zu berücksichtigen sind. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um nach den wesent - lichen Grundsätzen der Menschenrechte und unter Berücksichtigung des geschlechtsbewussten Verständnisses von Gewalt wirksame Ermittlungen wegen und Strafverfolgung von nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten sicherzustellen. Artikel 50 Soforthilfe, Prävention und Schutz (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die zuständigen Strafverfolgungsbehörden sofort und angemessen auf alle in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt reagieren, indem sie den Opfern umgehend geeigneten Schutz bieten. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass  sich die zuständigen Strafverfolgungsbehörden sofort und angemessen an der Prävention von und am Schutz vor allen in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt beteiligen, einschließlich des Einsatzes vorbeugender operativer Maßnahmen und der Erhebung von Beweisen. Artikel 51 Gefährdungsanalyse und Gefahrenmanagement (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass eine Analyse der Gefahr für Leib und Leben und der Schwere der Situation sowie der Gefahr von wiederholter Gewalt von allen einschlägigen Behörden vorgenommen wird, um die Gefahr unter Kontrolle zu bringen und erforderlichenfalls für koordinierte Sicherheit und Unterstützung zu sorgen. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass bei der in Absatz 1 genannten Analyse in allen Abschnitten der Ermittlungen und der Anwendung von Schutzmaßnahmen gebührend berücksichtigt wird, ob der Täter beziehungsweise die Täterin einer in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Gewalttat Feuerwaffen besitzt oder Zugang zu ihnen hat. Artikel 52 Eilschutzanordnungen Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die zuständigen Behörden die Befugnis erhalten, in Situationen unmittelbarer Gefahr anzuordnen, dass ein Täter beziehungsweise eine Täterin häuslicher Gewalt den Wohnsitz des Opfers oder der gefährdeten Person für einen ausreichend langen Zeitraum verlässt, und dem Täter beziehungsweise der Täterin zu verbieten, den Wohnsitz des Opfers oder der gefährdeten Person zu betreten oder Kontakt mit dem Opfer oder der gefährdeten Person aufzunehmen. Bei nach Maßgabe dieses Artikels getroffenen Maßnahmen ist der Sicherheit der Opfer oder der gefährdeten Personen Vorrang einzuräumen. Artikel 53 Kontakt- und Näherungsverbote sowie Schutzanordnungen (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass angemessene Kontakt- und Näherungsverbote oder Schutzanordnungen für Opfer aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt zur Verfügung stehen. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die in Absatz  1 genannten Kontakt- und  Näherungsverbote oder Schutzanordnungen – für den sofortigen Schutz und ohne eine unangemessene finanzielle oder administrative Belastung für die Opfer zur Verfügung stehen; – für einen bestimmten Zeitraum oder bis zu ihrer Abänderung oder Aufhebung erlassen werden; – soweit erforderlich auf Antrag und mit sofortiger Wirkung ausgestellt werden; – unabhängig von oder zusätzlich zu anderen Gerichtsverfahren zur Verfügung stehen; – in nachfolgende Gerichtsverfahren eingebracht werden können. (3) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Verstöße gegen die nach Absatz 1 ausgestellten Kontakt- und Näherungsverbote oder Schutzanordnungen Gegenstand wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender strafrechtlicher oder sonstiger recht - licher Sanktionen sind. Artikel 54 Ermittlungen und Beweise Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass in Zivil- oder Strafverfahren Beweismittel betreffend das sexuelle Vorleben und Verhalten des Opfers nur dann zugelassen werden, wenn sie sachdienlich und notwendig sind. Artikel 55 Verfahren auf Antrag und von Amts wegen (1) Die Vertragsparteien stellen sicher, dass, wenn die Straftat ganz oder teilweise in ihrem Hoheitsgebiet begangen wurde, Ermittlungen wegen oder die Strafverfolgung von nach den Artikeln 35, 36, 37, 38 und 39 umschriebenen Straftaten nicht vollständig von einer Meldung oder Anzeige des Opfers abhängig gemacht werden und das Verfahren fortgesetzt werden kann, auch wenn das Opfer seine Aussage oder Anzeige zurückzieht. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts sicherzustellen, dass staatliche und nichtstaatliche Organisationen sowie Beraterinnen und Berater bei häuslicher Gewalt die Möglichkeit erhalten, den Opfern in den Ermittlungen und Gerichtsverfahren wegen der nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten beizustehen und/oder sie zu unterstützen, wenn diese darum ersuchen.  Artikel 56 Schutzmaßnahmen (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder son - stigen Maßnahmen, um die Rechte und Interessen der Opfer, insbesondere ihre besonderen Bedürfnisse als Zeuginnen und Zeugen, in allen Abschnitten der Ermittlungen und Gerichtsverfahren zu schützen, indem sie insbesondere a) für ihren Schutz sowie den Schutz ihrer Familien und der Zeuginnen und Zeugen vor Einschüchterung, Vergeltung und davor, erneut Opfer zu werden, Sorge tragen; b) sicherstellen, dass die Opfer, zumindest in den Fällen, in denen die Opfer und ihre Familien in Gefahr sein könnten, über eine Flucht oder vorübergehende oder endgültige Freilassung des Täters beziehungsweise der Täterin unterrichtet werden; c) diese nach Maßgabe des innerstaat - lichen Rechts über ihre Rechte und die ihnen zur Verfügung stehenden Dienste und über die aufgrund ihrer Anzeige veranlassten Maßnahmen, die Anklagepunkte, den allgemeinen Stand der Ermittlungen oder des Verfahrens und ihre Rolle sowie die in ihrem Fall ergangene Entscheidung unterrichten; d) den Opfern in Übereinstimmung mit den Verfahrensvorschriften des innerstaat - lichen Rechts die Möglichkeit geben, gehört zu werden, Beweismittel vorzulegen und ihre Ansichten, Bedürfnisse und Sorgen unmittelbar oder über eine Vermittlerin beziehungsweise einen Vermittler vorzutragen und prüfen zu lassen; e) den Opfern geeignete Hilfsdienste zur Verfügung stellen, damit ihre Rechte und Interessen in gebührender Weise vorgetragen und berücksichtigt werden; f) sicherstellen, dass Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre und des Bildes des Opfers getroffen werden können; g) sicherstellen, dass ein Kontakt zwischen Opfern und Tätern beziehungsweise Täterinnen in den Räumlichkeiten der Gerichte und der Strafverfolgungsbehörden soweit möglich vermieden wird; h) den Opfern unabhängige und fähige Dolmetscherinnen und Dolmetscher zur Verfügung stellen, wenn die Opfer im Verfahren als Partei auftreten oder Beweismittel vorlegen; i) es den Opfern ermöglichen, in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht vor Gericht auszusagen, ohne dass sie im Gerichtssaal anwesend sein müssen oder zumindest ohne dass der mutmaßliche Täter beziehungsweise die mutmaßliche Täterin anwesend ist, insbesondere durch den Einsatz geeigneter Kommunikationstechnologien, soweit diese verfügbar sind. (2) Für Kinder, die Opfer oder Zeuginnen beziehungsweise Zeugen von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt geworden sind, werden gegebenenfalls besondere Schutzmaßnahmen unter Berücksichtigung des Wohles des Kindes getroffen. Artikel 57 Rechtsberatung Die Vertragsparteien sehen das Recht der Opfer auf Rechtsbeistand und auf unentgeltliche Rechtsberatung für Opfer nach Maßgabe ihres internen Rechts vor. Artikel 58 Verjährungsfrist Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Verjährungsfrist für die Einleitung von Strafverfahren wegen der nach den Artikeln 36, 37, 38 und 39 umschriebenen Straftaten ausreichend lang ist und sich über einen der Schwere der betreffenden Straftat entsprechenden Zeitraum erstreckt, um die tatsächliche Einleitung von Verfahren zu ermöglichen, nachdem das Opfer volljährig geworden ist. Kapitel VII Migration und Asyl Artikel 59 Aufenthaltsstatus (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass ein Opfer, dessen Aufenthaltsstatus von dem Aufenthaltsstatus seiner Ehefrau oder Partnerin im Sinne des internen Rechts beziehungsweise seines Ehemanns oder Partners im Sinne des internen Rechts abhängt, im Fall der Auflösung der Ehe oder Beziehung bei besonders schwierigen Umständen auf Antrag einen eigenständigen Aufenthaltstitel unabhängig von der Dauer der Ehe oder Beziehung erhält. Die Bedingungen für die Bewilligung und Dauer des eigenständigen Aufenthaltstitels werden durch das interne Recht festgelegt. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass bei dem Opfer Ausweisungsverfahren ausgesetzt werden können, die in Zusammenhang mit einem Aufenthaltsstatus eingeleitet wurden, der vom Aufenthaltsstatus seiner Ehefrau oder Partnerin im Sinne des internen Rechts beziehungsweise seines Ehemanns oder Partners im Sinne des internen Rechts abhängt, damit es den Opfern ermöglicht wird, einen eigenständigen Aufenthaltstitel zu beantragen. (3) Die Vertragsparteien erteilen dem Opfer einen verlängerbaren Aufenthaltstitel, wenn mindestens einer der beiden folgenden Fälle vorliegt:  Die zuständige Behörde ist der Auffassung, dass der Aufenthalt des Opfers aufgrund seiner persönlichen Lage erforderlich ist; b) die zuständige Behörde ist der Auffassung, dass der Aufenthalt des Opfers für seine Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden bei den Ermittlungen oder beim Strafverfahren erforderlich ist. (4) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Opfer einer Zwangsheirat, die zum Zwecke der Verheiratung in einen anderen Staat gebracht wurden und die folglich ihren Aufenthaltsstatus in dem Staat ihres gewöhnlichen Aufenthalts verloren haben, diesen Status wiedererlangen können. Artikel 60 Asylanträge aufgrund des Geschlechts (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Gewalt gegen Frauen aufgrund des Geschlechts als eine Form der Verfolgung im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A Ziffer 2 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 und als eine Form schweren Schadens anerkannt wird, die einen ergänzenden/subsidiären Schutz begründet. (2) Die Vertragsparteien stellen sicher, dass alle im Abkommen aufgeführten Gründe geschlechtersensibel ausgelegt werden und dass in Fällen, in denen festgestellt wird, dass die Verfolgung aus einem oder mehreren dieser Gründe befürchtet wird, den Antragstellerinnen und Antragstellern der Flüchtlingsstatus entsprechend den einschlägigen anwendbaren Übereinkünften gewährt wird. (3) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um geschlechtersensible Aufnahmeverfahren und Hilfsdienste für Asylsuchende sowie geschlechtsspezifische Leitlinien und geschlechtersensible Asylverfahren, einschließlich der Bestimmung des Flüchtlingsstatus und des Antrags auf internationalen Schutz, auszuarbeiten.
Artikel 61 Verbot der Zurückweisung (1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um den Grundsatz des Verbots der Zurückweisung in Übereinstimmung mit bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen zu achten. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Opfer von Gewalt gegen Frauen, die des Schutzes bedürfen, unabhängig von ihrem Status oder Aufenthalt unter keinen Umständen in einen Staat zurückgewiesen werden, in dem ihr Leben gefährdet wäre oder in dem sie der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen werden könnten. Kapitel VIII Internationale Zusammenarbeit
Artikel 62 Allgemeine Grundsätze (1) Die Vertragsparteien arbeiten unter - einander in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen im größtmöglichen Umfang zusammen, indem sie einschlägige internationale und regionale Übereinkünfte über die Zusammenarbeit in zivilen und strafrechtlichen Angelegenheiten sowie Übereinkünfte, die auf der Grundlage einheitlicher oder auf Gegenseitigkeit beruhender Rechtsvorschriften getroffen wurden, und innerstaatliche Rechtsvorschriften für folgende Zwecke anwenden: a) Verhütung, Bekämpfung und Verfolgung aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt; b) Schutz und Unterstützung von Opfern; c) Ermittlungen oder Verfahren wegen nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten; d) Vollstreckung einschlägiger von den Justizbehörden der Vertragsparteien erlassener zivil- und strafrechtlicher Urteile, Entscheidungen und Beschlüsse einschließlich Schutzanordnungen. (2) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Opfer einer nach diesem Übereinkommen umschriebenen und im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei, das nicht das Hoheitsgebiet ist, in dem die Opfer ihren Wohnsitz haben, begangenen Straftat bei den zuständigen Behörden des Wohnsitzstaats Anzeige erstatten können. (3) Erhält eine Vertragspartei, welche die Rechtshilfe in Strafsachen, die Auslieferung oder die Vollstreckung von durch eine andere Vertragspartei dieses Übereinkommens erlassenen zivil- und strafrechtlichen Urteilen, Entscheidungen und Beschlüssen vom Bestehen eines Vertrags abhängig macht, ein Ersuchen um eine solche rechtliche Zusammenarbeit von einer Vertragspartei, mit der sie keinen entsprechenden Vertrag hat, so kann sie dieses Übereinkommen als Rechtsgrundlage für die Rechtshilfe in Strafsachen, die Auslieferung oder die Vollstreckung von durch die andere Vertragspartei erlassenen zivil- und strafrechtlichen Urteilen, Entscheidungen und Beschlüssen in Bezug auf die nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten ansehen.  (4) Die Vertragsparteien bemühen sich, soweit angemessen, die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Entwicklungshilfeprogramme zu Gunsten von Drittstaaten aufzunehmen, auch durch den Abschluss zweiund mehrseitiger Übereinkünfte mit Drittstaaten im Hinblick auf die Erleichterung des Schutzes der Opfer im Einklang mit Artikel 18 Absatz 5.
Artikel 63 Maßnahmen in Bezug auf gefährdete Personen Hat eine Vertragspartei anhand der ihr zur Verfügung stehenden Informationen hinreichende Gründe für die Annahme, dass eine Person unmittelbar der Gefahr ausgesetzt ist, eine der in den Artikeln  36, 37, 38 und 39 genannten Gewalttaten im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei zu erleiden, so wird die über die Informationen verfügende Vertragspartei ermutigt, diese Informationen unverzüglich an die andere Vertragspartei zu übermitteln, damit sichergestellt wird, dass geeignete Schutzmaßnahmen getroffen werden. Gegebenenfalls umfassen diese Informationen auch Angaben zu bestehenden Schutzbestimmungen für die gefährdete Person.
Artikel 64 Informationen (1) Die ersuchte Vertragspartei unterrichtet die ersuchende Vertragspartei umgehend über das endgültige Ergebnis der nach diesem Kapitel getroffenen Maßnahmen. Die ersuchte Vertragspartei unterrichtet die ersuchende Vertragspartei ferner umgehend über alle Umstände, welche die Durchführung der erbetenen Maßnahmen unmöglich machen oder wahrscheinlich erheblich verzögern werden. (2) Eine Vertragspartei kann, soweit ihr internes Recht es erlaubt, ohne vorheriges Ersuchen einer anderen Vertragspartei Informationen übermitteln, die sie im Rahmen ihrer eigenen Ermittlungen gewonnen hat, wenn sie der Auffassung ist, dass die Übermittlung dieser Informationen der Vertragspartei, welche die Informationen empfängt, bei der Verhütung von nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten oder bei der Einleitung oder Durchführung von Ermittlungen oder Verfahren wegen solcher Straftaten helfen oder dazu führen könnte, dass diese Vertragspartei ein Ersuchen um Zusammenarbeit nach diesem Kapitel stellt. (3) Eine Vertragspartei, die Informationen nach Absatz 2 empfängt, legt diese Informationen ihren zuständigen Behörden vor, damit Verfahren eingeleitet werden können, wenn sie als angemessen angesehen werden, oder damit diese Informationen in einschlägigen Zivil- und Strafverfahren berücksichtigt werden können. 
 
Artikel 65 Datenschutz Personenbezogene Daten werden nach Maßgabe der Verpflichtungen der Vertragsparteien aus dem Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (SEV Nr. 108) gespeichert und verwendet. Kapitel IX Überwachungsmechanismus Artikel 66 Expertengruppe für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (1) Die Expertengruppe für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häus - licher Gewalt (im Folgenden als „GREVIO“ bezeichnet) überwacht die Durchführung dieses Übereinkommens durch die Vertragsparteien. (2) GREVIO besteht aus mindestens 10 und höchstens 15 Mitgliedern; bei der Zusammensetzung ist auf eine Ausgewogenheit bei der Vertretung der Geschlechter und der geographischen Verteilung sowie auf multidisziplinäres Fachwissen zu achten. Die Mitglieder werden unter von den Vertragsparteien ernannten Kandidatinnen und Kandidaten vom Ausschuss der Vertragsparteien für eine Amtszeit von vier Jahren, die einmal verlängert werden kann, gewählt und unter den Staatsangehörigen der Vertragsparteien ausgewählt. (3) Die erstmalige Wahl von 10 Mitgliedern findet innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens statt. Die Wahl von fünf zusätzlichen Mitgliedern findet nach der 25. Ratifikation oder dem 25. Beitritt statt. (4) Für die Wahl der GREVIO-Mitglieder gelten folgende Grundsätze: a) Sie werden in einem transparenten Verfahren aus einem Kreis von Personen mit hohem sittlichen Ansehen ausgewählt, die über anerkannte Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Menschenrechte, der Gleichstellung von Frauen und Männern, der Gewalt gegen Frauen und häuslichen Gewalt oder der Unterstützung und des Schutzes von Opfern oder über Berufserfahrung in den von diesem Übereinkommen erfassten Bereichen verfügen; b) alle GREVIO-Mitglieder müssen unterschiedliche Staatsangehörigkeiten besitzen; c) sie sollen die hauptsächlichen Rechtssysteme vertreten; d) sie sollen einschlägige Akteure und Stellen auf dem Gebiet der Gewalt gegen Frauen und der häuslichen Gewalt vertreten;  e) sie gehören GREVIO in ihrer persönlichen Eigenschaft an, sind unabhängig und unparteiisch bei der Ausübung ihres Amtes und stehen zeitlich in einem Umfang zur Verfügung, der ihnen die wirksame Wahrnehmung ihrer Aufgaben erlaubt. (5) Das Wahlverfahren für die GREVIOMitglieder wird vom Ministerkomitee des Europarats nach Konsultationen mit den Vertragsparteien und deren einhelliger Zustimmung innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens festgelegt. (6) GREVIO gibt sich eine Geschäftsordnung. (7) Die GREVIO-Mitglieder und andere Mitglieder von Delegationen, welche die in Artikel 68 Absätze 9 und 14 festgelegten Länderbesuche durchführen, genießen die im Anhang dieses Übereinkommens festgelegten Vorrechte und Immunitäten. Artikel 67 Ausschuss der Vertragsparteien (1) Der Ausschuss der Vertragsparteien besteht aus den Vertreterinnen beziehungsweise Vertretern der Vertragsparteien des Übereinkommens. (2) Der Ausschuss der Vertragsparteien wird vom Generalsekretär des Europarats einberufen. Sein erstes Treffen wird innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens zur Wahl der GREVIOMitglieder abgehalten. Danach tritt er immer dann zusammen, wenn ein Drittel der Vertragsparteien, der Vorsitzende des Ausschusses der Vertragsparteien oder der Generalsekretär dies verlangt. (3) Der Ausschuss der Vertragsparteien gibt sich eine Geschäftsordnung. Artikel 68 Verfahren (1) Die Vertragsparteien legen dem Generalsekretär des Europarats auf der Grundlage eines von GREVIO ausgearbeiteten Fragebogens einen Bericht über gesetzgeberische und sonstige Maßnahmen zur Umsetzung dieses Übereinkommens zur Prüfung durch GREVIO vor. (2) GREVIO prüft den nach Absatz 1 vorgelegten Bericht mit den Vertretern der betreffenden Vertragspartei. (3) Spätere Bewertungsverfahren werden in Runden eingeteilt, deren Dauer von GREVIO festgelegt wird. Zu Beginn jeder Runde wählt GREVIO die Bestimmungen aus, auf die sich das Bewertungsverfahren jeweils bezieht, und versendet einen Fragebogen. (4) GREVIO bestimmt die geeigneten Mittel zur Durchführung dieses Überwachungsverfahrens. GREVIO kann insbesondere einen Fragebogen für jede Bewertungsrunde beschließen, der als Grundlage für das Verfahren zur Bewertung der Durchführung durch die Vertragsparteien dient.
 
 Dieser Fragebogen wird an alle Vertragsparteien gesandt.
Die Vertragsparteien beantworten den Fragebogen sowie jedes sonstige Informationsersuchen von GREVIO. (5) GREVIO kann Informationen über die Durchführung des Übereinkommens von nichtstaatlichen Organisationen und der Zivilgesellschaft sowie von nationalen Institutionen für den Schutz der Menschenrechte erhalten. (6) GREVIO berücksichtigt die bei anderen regionalen und internationalen Einrichtungen und Stellen vorhandenen verfügbaren Informationen in Bereichen, die in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallen, gebührend. (7) Bei dem Beschluss des Fragebogens für jede Bewertungsrunde berücksichtigt GREVIO gebührend die in den Vertragsparteien vorhandenen Datensammlungen und Forschungsarbeiten, wie sie in Artikel  11 genannt werden. (8) GREVIO kann Informationen über die Durchführung des Übereinkommens vom Menschenrechtskommissar des Europarats, von der Parlamentarischen Versammlung und einschlägigen spezialisierten Organen des Europarats sowie von den aufgrund anderer völkerrechtlicher Übereinkünfte eingerichteten Organen erhalten. Bei diesen Organen eingereichte Beschwerden und deren Ergebnisse werden GREVIO zur Verfügung gestellt. (9) Unterstützend kann GREVIO in Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden und mit Unterstützung unabhängiger nationaler Fachleute Länderbesuche durchführen, wenn die gewonnenen Informationen unzureichend sind, oder in den in Absatz 14 genannten Fällen. Während dieser Besuche kann GREVIO die Unterstützung von auf bestimmte Bereiche spezialisierten Personen in Anspruch nehmen. (10) GREVIO erstellt einen Berichtsentwurf mit ihrer Analyse der Durchführung der Bestimmungen, auf die sich die Bewertung bezieht, sowie ihren Anregungen und Vorschlägen zum Umgang der betreffenden Vertragspartei mit den festgestellten Problemen. Der Berichtsentwurf wird der Vertragspartei, die Gegenstand der Bewertung ist, zur Stellungnahme übermittelt. GREVIO berücksichtigt die Stellungnahme beim Beschluss des Berichts. (11) Auf der Grundlage aller erhaltenen Informationen und der Stellungnahmen der Vertragsparteien beschließt GREVIO ihren Bericht und ihre Schlussfolgerungen bezüglich der von der betreffenden Vertragspartei zur Durchführung dieses Übereinkommens getroffenen Maßnahmen. Dieser Bericht und die Schlussfolgerungen werden der betreffenden Vertragspartei und dem Ausschuss der Vertragsparteien übermittelt. Der Bericht und die Schlussfolgerungen von GREVIO werden veröffentlicht, sobald sie beschlossen sind, gegebenenfalls mit einer Stellungnahme der betreffenden Vertragspartei.(12) Unbeschadet des Verfahrens nach den Absätzen 1 bis 8 kann der Ausschuss der Vertragsparteien auf der Grundlage des Berichts und der Schlussfolgerungen von GREVIO Empfehlungen an diese Vertragspartei aussprechen, die (a) die Maßnahmen betreffen, die zu ergreifen sind, um die Schlussfolgerungen von GREVIO umzusetzen, erforderlichenfalls unter Festsetzung eines Termins, zu dem Informationen über die Umsetzung vorzulegen sind, und (b) darauf abzielen, die Zusammenarbeit mit der Vertragspartei zu fördern, um die ordnungsgemäße Durchführung dieses Übereinkommens sicherzustellen. (13) Erhält GREVIO verlässliche Informationen, die auf eine Situation hindeuten, in der Probleme die unmittelbare Aufmerksamkeit erfordern, um das Ausmaß oder die Anzahl schwerer Verstöße gegen das Übereinkommen zu verhüten oder zu begrenzen, so kann GREVIO die dringliche Vorlage eines Sonderberichts über Maßnahmen verlangen, die zur Verhütung eines Musters schwerer, verbreiteter oder dauerhafter Gewalt gegen Frauen getroffen wurden. (14) Unter Berücksichtigung der von der betreffenden Vertragspartei vorgelegten Informationen sowie sonstiger ihr verfügbarer verlässlicher Informationen kann GREVIO eines oder mehrere ihrer Mitglieder beauftragen, eine Untersuchung durchzuführen und GREVIO schnellstmöglich zu berichten. Die Untersuchung kann, sofern gerecht - fertigt und mit Zustimmung der betreffenden Vertragspartei, einen Besuch in ihrem Hoheitsgebiet umfassen. (15) Nach Prüfung der Ergebnisse der in Absatz 14 genannten Untersuchung übermittelt GREVIO diese Ergebnisse der betreffenden Vertragspartei und gegebenenfalls dem Ausschuss der Vertragsparteien sowie dem Ministerkomitee des Europarats mit allen Stellungnahmen und Empfehlungen. Artikel 69 Allgemeine Empfehlungen GREVIO kann gegebenenfalls allgemeine Empfehlungen für die Durchführung dieses Übereinkommens beschließen. Artikel 70 Beteiligung der Parlamente an der Überwachung (1) Die nationalen Parlamente werden eingeladen, sich an der Überwachung der zur Durchführung dieses Übereinkommens getroffenen Maßnahmen zu beteiligen. (2) Die Vertragsparteien übermitteln die Berichte von GREVIO ihren nationalen Parlamenten. (3) Die Parlamentarische Versammlung des Europarats wird eingeladen, regelmäßig eine Bilanz der Durchführung dieses Übereinkommens zu ziehen.
Kapitel X Verhältnis zu anderen völkerrechtlichen Übereinkünften
Artikel 71 Verhältnis zu anderen völkerrechtlichen Übereinkünften (1) Dieses Übereinkommen lässt die Pflichten aus anderen völkerrechtlichen Übereinkünften unberührt, denen die Vertragsparteien dieses Übereinkommens jetzt oder künftig als Vertragsparteien angehören und die Bestimmungen zu durch dieses Übereinkommen geregelten Fragen enthalten. (2) Die Vertragsparteien dieses Übereinkommens können untereinander zwei- oder mehrseitige Übereinkünfte über Fragen schließen, die in diesem Übereinkommen geregelt sind, um seine Bestimmungen zu ergänzen oder zu verstärken oder die Anwendung der darin enthaltenen Grundsätze zu erleichtern. Kapitel XI Änderungen des Übereinkommens Artikel 72 Änderungen (1) Jeder Änderungsvorschlag einer Vertragspartei zu diesem Übereinkommen wird an den Generalsekretär des Europarats übermittelt, der ihn an die Mitgliedstaaten des Europarats, jeden Unterzeichner, jede Vertragspartei, die Europäische Union und jeden nach Artikel 75 zur Unterzeichnung des Übereinkommens und jeden nach Artikel 76 zum Beitritt zu dem Übereinkommen eingeladenen Staat weiterleitet. (2) Das Ministerkomitee des Europarats prüft den Änderungsvorschlag und kann nach Konsultation der Vertragsparteien des Übereinkommens, die nicht Mitglieder des Europarats sind, die Änderung mit der in Artikel 20 Buchstabe d der Satzung des Europarats vorgesehenen Mehrheit beschließen. (3) Der Wortlaut jeder vom Ministerkomitee nach Absatz 2 beschlossenen Änderung wird den Vertragsparteien zur Annahme übermittelt. (4) Jede nach Absatz  2 beschlossene Änderung tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von einem Monat nach dem Tag folgt, an dem alle Vertragsparteien dem Generalsekretär mitgeteilt haben, dass sie sie angenommen haben. 
Kapitel XII Schlussbestimmungen
Artikel 73 Auswirkungen dieses Übereinkommens Dieses Übereinkommen berührt nicht das innerstaatliche Recht und bindende völkerrechtliche Übereinkünfte, die bereits in Kraft sind oder in Kraft treten können und nach denen Personen bei der Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt günstigere Rechte gewährt werden oder gewährt werden würden. Artikel 74 Beilegung von Streitigkeiten (1) Die an einer Streitigkeit über die Anwendung oder Auslegung dieses Übereinkommens beteiligten Parteien versuchen zunächst, diese mittels eines Vergleichs-, Schlichtungs-, oder Schiedsverfahrens oder einer sonstigen Methode der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten, die in gegenseitigem Einvernehmen zwischen ihnen vereinbart wird, beizulegen. (2) Das Ministerkomitee des Europarats kann Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten einführen, die von den an einer Streitigkeit beteiligten Parteien genutzt werden können, sofern sie dies vereinbart haben. Artikel 75 Unterzeichnung und Inkrafttreten (1) Dieses Übereinkommen liegt für die Mitgliedstaaten des Europarats, für Nichtmitgliedstaaten, die sich an der Ausarbeitung des Übereinkommens beteiligt haben, und für die Europäische Union zur Unterzeichnung auf. (2) Dieses Übereinkommen bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim General - sekretär des Europarats hinterlegt. (3) Dieses Übereinkommen tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag folgt, an dem zehn Unterzeichner, darunter mindestens acht Mitgliedstaaten des Europarats, nach Absatz 2 ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch das Übereinkommen gebunden zu sein. (4) Drückt ein in Absatz  1 genannter Staat oder die Europäische Union seine oder ihre Zustimmung, durch dieses Übereinkommen gebunden zu sein, später aus, so tritt es für ihn oder sie am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde folgt. Artikel 76 Beitritt zum Übereinkommen (1) Nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens kann das Ministerkomitee des Europarats nach Konsultation der Vertragsparteien des Übereinkommens und mit deren einhelliger Zustimmung jeden Nichtmitgliedstaat des Europarats, der sich nicht an der Ausarbeitung des Übereinkommens beteiligt hat, einladen, dem Übereinkommen beizutreten; der Beschluss dazu wird mit der in Artikel 20 Buchstabe d der Satzung des Europarats vorgesehenen Mehrheit und mit einhelliger Zustimmung der Vertreter der Vertragsparteien, die Anspruch auf einen Sitz im Ministerkomitee haben, gefasst. (2) Für jeden beitretenden Staat tritt das Übereinkommen am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung der Beitritts - urkunde beim Generalsekretär des Europarats folgt. Artikel 77 Räumlicher Geltungsbereich (1) Jeder Staat oder die Europäische Union kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde einzelne oder mehrere Hoheitsgebiete bezeichnen, auf die dieses Übereinkommen Anwendung findet. (2) Jede Vertragspartei kann jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Erklärung die Anwendung dieses Übereinkommens auf jedes weitere in der Erklärung bezeichnete Hoheitsgebiet erstrecken, für dessen internationale Beziehungen sie verantwortlich ist oder in dessen Namen Verpflichtungen einzugehen sie ermächtigt ist. Das Übereinkommen tritt für dieses Hoheitsgebiet am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Erklärung beim Generalsekretär folgt. (3) Jede nach den Absätzen 1 und 2 abgegebene Erklärung kann in Bezug auf jedes darin bezeichnete Hoheitsgebiet durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation zurückgenommen werden. Die Rücknahme wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt. Artikel 78 Vorbehalte (1) Mit Ausnahme der Vorbehalte nach den Absätzen 2 und 3 sind Vorbehalte zu diesem Übereinkommen nicht zulässig. (2) Jeder Staat oder die Europäische Union kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Erklärung erklären, dass er beziehungsweise sie sich das Recht vorbehält, die in den folgenden Artikeln enthaltenen Vorschriften nicht oder nur in bestimmten Fällen oder unter bestimmten Bedingungen anzuwenden: – Artikel 30 Absatz 2; – Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe e und Artikel 44 Absätze 3 und 4; – Artikel 55 Absatz 1 in Hinblick auf Artikel 35 bezüglich Vergehen; – Artikel 58 in Hinblick auf die Artikel 37, 38 und 39; – Artikel 59. (3) Jeder Staat oder die Europäische Union kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Erklärung erklären, dass er beziehungsweise sie sich das Recht vorbehält, für die in den Artikeln 33 und 34 genannten Handlungen nichtstrafrechtliche Sanktionen anstelle von strafrechtlichen Sanktionen vorzusehen. (4) Jede Vertragspartei kann einen Vorbehalt durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Erklärung ganz oder teilweise zurücknehmen. Diese Erklärung wird mit ihrem Eingang beim Generalsekretär wirksam. Artikel 79 Gültigkeit und Prüfung der Vorbehalte (1) Die in Artikel 78 Absätze 2 und 3 genannten Vorbehalte sind für einen Zeitraum von fünf Jahren nach dem Tag des Inkrafttretens dieses Übereinkommens für die betreffende Vertragspartei gültig. Solche Vorbehalte können jedoch für Zeiträume der gleichen Dauer verlängert werden. (2) Achtzehn Monate vor Ablauf des Vorbehalts setzt der Generalsekretär des Europarats die betreffende Vertragspartei darüber in Kenntnis. Spätestens drei Monate vor Ablauf des Vorbehalts notifiziert die Vertragspartei dem Generalsekretär, ob sie diesen Vorbehalt aufrechterhält, ändert oder zurücknimmt. Ohne Notifikation seitens der betreffenden Vertragspartei unterrichtet der Generalsekretär diese Vertragspartei darüber, dass ihr Vorbehalt als automatisch um einen Zeitraum von sechs Monaten verlängert angesehen wird. Versäumt es die betreffende Vertragspartei, vor Ablauf dieses Zeitraums ihre Absicht, ihren Vorbehalt aufrechtzuerhalten oder zu ändern, zu notifizieren, so führt dies dazu, dass der Vorbehalt erlischt. (3) Bringt eine Vertragspartei nach Artikel 78 Absätze 2 und 3 einen Vorbehalt an, so stellt sie vor dessen Verlängerung oder auf Anfrage von GREVIO eine Erklärung zu den Gründen, die eine Fortsetzung des Vorbehalts rechtfertigen, zur Verfügung. 
Artikel 80 Kündigung (1) Jede Vertragspartei kann dieses Übereinkommen jederzeit durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation kündigen.
(2) Die Kündigung wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt. Artikel 81 Notifikation Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Europarats, den Nichtmitgliedstaaten, die sich an der Ausarbeitung dieses Übereinkommens beteiligt haben, jedem Unterzeichner, jeder Vertragspartei, der Europäischen Union und jedem zum Beitritt zu diesem Übereinkommen eingeladenen Staat a) jede Unterzeichnung; b) jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde; c) jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Übereinkommens nach den Artikeln 75 und 76; d) jede nach Artikel 72 beschlossene Änderung sowie den Zeitpunkt, zu dem sie in Kraft tritt; e) jeden Vorbehalt und jede Rücknahme eines Vorbehalts nach Artikel 78; f) jede Kündigung nach Artikel 80; g) jede andere Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zusammenhang mit dem Übereinkommen. Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommen unterschrieben. Geschehen zu Istanbul am 11. Mai 2011 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen Mitgliedstaaten des Europarats, den Nichtmitgliedstaaten, die sich an der Ausarbeitung dieses Übereinkommens beteiligt haben, der Europäischen Union und allen zum Beitritt zu dem Übereinkommen eingeladenen Staaten beglaubigte Abschriften.
 
 Anhang Vorrechte und Immunitäten (Artikel 66) (1) Dieser Anhang findet Anwendung auf die in Artikel 66 des Übereinkommens genannten GREVIO-Mitglieder sowie auf sonstige Mitglieder der Delegationen bei Länderbesuchen. Im Sinne dieses Anhangs umfasst der Begriff „sonstige Mitglieder der Delegationen bei Länderbesuchen“ die in Artikel 68 Absatz 9 des Übereinkommens genannten unabhängigen nationalen Fachleute und auf bestimmte Bereiche spezialisierten Personen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Europarats und vom Europarat beschäftigte Dolmetscherinnen und Dolmetscher, welche GREVIO bei den Länderbesuchen begleiten. (2) Die GREVIO-Mitglieder und die sonstigen Mitglieder der Delegationen bei Länderbesuchen genießen während der Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Zusammenhang mit der Vorbereitung und der Durchführung von Länderbesuchen sowie deren Nachbereitung und auf Reisen in Zusammenhang mit diesen Aufgaben folgende Vorrechte und Immunitäten: a) Immunität von Festnahme oder Haft und von der Beschlagnahme ihres persön - lichen Gepäcks sowie Immunität von jeder Gerichtsbarkeit bezüglich aller von ihnen in ihrer amtlichen Eigenschaft vorgenommenen Handlungen einschließlich ihrer schriftlichen und mündlichen Äußerungen; b) Befreiung von allen Beschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit bei der Ausreise aus ihrem und der Einreise in ihren Aufenthaltsstaat und bei der Einreise in den und der Ausreise aus dem Staat, in dem sie ihre Aufgaben wahrnehmen, sowie Befreiung von der Meldepflicht für Ausländerinnen und Ausländer in dem Staat, den sie in Wahrnehmung ihrer Aufgaben besuchen oder durchreisen. (3) Während der in Wahrnehmung ihrer Aufgaben durchgeführten Reisen werden den GREVIO-Mitgliedern und den sonstigen Mitgliedern der Delegationen bei Länder - besuchen hinsichtlich der Zoll- und Devisenvorschriften dieselben Erleichterungen wie Vertretern ausländischer Regierungen in vorübergehendem amtlichem Auftrag gewährt. (4) Die Unterlagen im Zusammenhang mit der von den GREVIO-Mitgliedern und den sonstigen Mitgliedern der Delegationen bei Länderbesuchen vorgenommenen Bewertung der Durchführung des Übereinkommens sind insofern unverletzlich, als sie die Tätigkeit von GREVIO betreffen. Die amtliche Korrespondenz von GREVIO und der amtliche Nachrichtenverkehr von GREVIO-Mitgliedern und sonstigen Mitgliedern der Delegationen bei Länderbesuchen dürfen nicht abgefangen werden und unterliegen nicht der Zensur.
(5) Um den GREVIO-Mitgliedern und den sonstigen Mitgliedern der Delegationen bei Länderbesuchen volle Freiheit des Wortes und völlige Unabhängigkeit bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sicherzustellen, wird ihnen die Immunität von der Gerichtsbarkeit in Bezug auf ihre in Wahrnehmung ihrer Aufgaben vorgenommenen Handlungen einschließlich ihrer mündlichen und schriftlichen Äußerungen gewährt, auch wenn sie nicht mehr mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben betraut sind. (6) Die Vorrechte und Immunitäten werden den in Absatz 1 genannten Personen nicht zu ihrem persönlichen Vorteil gewährt, sondern zu dem Zweck, die unabhängige Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Interesse von GREVIO sicherzustellen. Die Immunität der in Absatz 1 genannten Personen wird vom Generalsekretär des Europarats in allen Fällen aufgehoben, in denen sie seiner Auffassung nach verhindern würde, dass der Gerechtigkeit Genüge geschieht, und in denen sie ohne Schädigung der Interessen von GREVIO aufgehoben werden kann. 1064 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2017 Teil II Nr. 19, ausgegeben zu Bonn am 26. Juli 2017 43 A . A l l g e m e i n e s I. Entstehungsgeschichte Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt gehören auch im Europa des einundzwanzigsten Jahrhunderts zu den schwersten geschlechtsspezifischen Menschenrechtsverletzungen, über die nach wie vor häufig geschwiegen wird. Betroffen von häuslicher Gewalt als Gewalt durch den aktuellen oder ehemaligen Lebenspartner sind weit überwiegend Frauen. Die geschlechtsspezifische Ausprägung aller Erscheinungsformen häuslicher Gewalt wird zum Beispiel für den Bereich des polizeilichen Hellfelds eindrucksvoll belegt durch die „Kriminalstatistische Lagedarstellung Partnerschaftsgewalt 2015“ des Bundeskriminalamts (BKA), wonach insgesamt rund 82 Prozent der Opfer von Gewaltdelikten im Kontext einer aktuellen oder früheren Partnerschaft weiblich sind und rund 80 Prozent der Täter männlich (siehe https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/ Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/ Partnerschaftsgewalt/Partnerschaftsgewalt_2015.html). Die kriminalstatistische Lagedarstellung von 2015 zeigt, dass auch Männer häusliche Gewalt erleben und in rund 18 Prozent der polizeilich erfassten Fälle Opfer werden. Bei häuslicher Gewalt gegen ein Elternteil, meistens gegen die Mutter, sind Kinder immer betroffen: Häufig erleiden sie selbst Gewalt oder beobachten sie. In jedem Fall hat dies schädigende Folgen. In der repräsentativen Studie zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) haben 60 Prozent der befragten Frauen, die über die letzte gewaltbelastete Paarbeziehung berichteten, in dieser Paarbeziehung auch mit Kindern zusammengelebt. 57 Prozent der Befragten gaben an, die Kinder hätten die gewalttätigen Situationen gehört, und 50 Prozent, sie hätten sie gesehen. Etwa 25 Prozent berichteten, die Kinder seien in die Auseinandersetzungen mit hineingeraten oder hätten die Befragten zu verteidigen versucht. Jedes zehnte Kind wurde dabei nach Angaben der betroffenen Frauen selbst körperlich angegriffen. Die in der Kindheit und Herkunftsfamilie erlebte Gewalt hat wiederum nachhaltige Auswirkungen auf das Erwachsenenleben. Für Frauen, die Gewalt in Kindheit und Jugend miterlebt haben, war das Risiko für spätere Partnergewalt mehr als doppelt so hoch wie bei nicht betroffenen Frauen (BMFSFJ, 2009). Seit 2014 liegen aus der europaweiten Befragung der European Union Agency of Fundamental Rights (FRA 2014) von Frauen zu Gewalt erstmals europaweit belastbare Daten vor, die ein schockierendes Ausmaß an Gewalt gegen Frauen in der gesamten Europäischen Union (EU) belegen. Im Rahmen der Studie wurden in allen 28 Mitgliedstaaten der EU über 42 000 Frauen im Alter von 18 bis 74 Jahren umfassend zu inner- und außerhäuslicher Gewalt befragt. Für Deutschland haben 12 Prozent der Frauen angegeben, seit ihrem 15. Lebensjahr sexuelle Gewalt erlebt zu haben und 22 Prozent waren nach eigenen Angaben von körperlicher und/oder sexueller Gewalt durch Partner im Erwachsenenalter betroffen; 35 Prozent berichteten von erlebter körperlicher und/oder sexueller Gewalt unabhängig vom Täter-Opfer-Kontext und 55 Prozent von erlebter sexueller Belästigung (siehe unter http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra-2014-vawsurvey-at-a-glance-...). Diese aktuellen Ergebnisse der FRA-Studie sind vergleichbar mit den Ergebnissen der repräsentativen Studie zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland im Auftrag des BMFSFJ aus 2004 und bestätigen die schon damals festgestellten hohen Gewaltprävalenzen für Deutschland. Alarmierend ist, dass sich in den aktuellen Daten der FRA-Studie zehn Jahre nach der BMFSFJ-Studie kein relevanter Rückgang von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt abzuzeichnen scheint. Darüber hinaus belegt die FRA-Studie, dass Deutschland im internationalen Vergleich im Bereich Gewalt in Paarbeziehungen im mittleren Bereich liegt, bei der allgemeinen Gewaltbetroffenheit von Frauen mit 35 Prozent im oberen Mittelfeld. Gewalt gegen Frauen ist ein weltweites Phänomen, das seit der Veröffentlichung der Allgemeinen Empfehlung Nummer  19 des Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau, in Auslegung des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeglicher Form von Diskriminierung der Frau (1979) als eine wesentliche Form der Diskriminierung von Frauen anerkannt ist. Doch bislang gab es kein umfassendes, weltweit anerkanntes völkerrechtliches Instrument, das die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen als spezifisches Ziel hat. Zwar wurden mit der „Interamerican Convention on the Prevention, Punishment and Eradication of Violence against Women“ (1994) der Organisation Amerikanischer Staaten und dem „Protocol of the African Charter on Human and Peoples‘ Rights and on the Rights of Women in Africa“ (2003) regionale völkerrechtliche Instrumente geschaffen, doch stehen diese nur den Mitgliedstaaten der jeweiligen regionalen Organisationen offen und gelten somit nicht für Europa. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der in den Jahren 2006 bis 2008 durchgeführten Kampagne des Europarats gegen Gewalt an Frauen sowie der Machbarkeitsstudie zu einem Übereinkommen gegen häusliche Gewalt des Lenkungsausschusses justizielle Zusammenarbeit des Europarats aus dem Jahr 2007, sowie auf Empfehlung der Lenkungsausschüsse Gleichstellung, justizielle Zusammenarbeit und Strafrecht setzte das Komitee der Ministerbeauftragten im Dezember 2008 einen Ad-hoc-Ausschuss zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häus licher Gewalt (CAHVIO) ein, der damit beauftragt wurde, ein entsprechendes Übereinkommen zu erarbeiten. Das Übereinkommen wurde in sechs Sitzungen dieses Ad-hoc-Ausschusses in der Zeit zwischen Dezember 2009 und Dezember 2010 ausgehandelt. Es wurde am 7. April 2011 vom Ministerkomitee des Euro parats verabschiedet, am 11. Mai 2011 in Istanbul zur Unterzeichnung aufgelegt und von Deutschland am Tag der Zeichnungsauflegung unterzeichnet. Nach der Ratifizierung durch den zehnten Mitgliedstaat des Europarats trat das Übereinkommen am 1. August 2014 in Kraft. Es liegen in - zwischen die Ratifikationsurkunden von 22 Staaten vor, 21 weitere Staaten haben das Übereinkommen ge zeichnet. II. Verhältnis zu anderen Übereinkommen Das Übereinkommen des Europarats ist das erste seiner Art für Europa, das ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Denkschrift Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45 – Drucksache 18/12037 44 Gewalt enthält. In dem Übereinkommen sind im Anschluss an die Empfehlungen des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten des Europarats: Empfehlung Rec(2002)5 zum Schutz von Frauen vor Gewalt verbindliche Rechtsnormen zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, zum Schutz der Opfer und zur Bestrafung der Täter beziehungsweise Täterinnen festgelegt. Es schließt eine wesentliche Lücke beim Schutz der Rechte der Frau und ermutigt die Vertragsparteien zur Ausweitung des Schutzes auf alle Opfer häuslicher Gewalt. Das Übereinkommen behandelt Themen, die teilweise auch in anderen Übereinkommen des Europarats und anderen internationalen Übereinkommen angesprochen werden. Zu nennen sind hier beispielsweise das Europäische Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und seiner Protokolle, das Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels (SEV Nummer 197) und das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Dabei bleiben Verpflichtungen aus anderen völkerrechtlichen Verträgen durch dieses Übereinkommen unberührt. III. Würdigung des Übereinkommens Die besondere Bedeutung dieses Übereinkommens des Europarats liegt darin, dass erstmalig in einem völkerrechtlichem Vertrag, dem europäische Staaten beitreten können, umfassende und spezifische Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sowie des Schutzes der Opfer geregelt werden. Hierbei ist hervorzuheben, dass in Deutschland als einem föderal verfassten Staat in erster Linie die Länder für die Durchführung beziehungsweise Bereitstellung einer Reihe von Maßnahmen in diesen Themenbereichen nach Maßgabe der im Grundgesetz (GG) angelegten Aufgabenverteilung verantwortlich sind. Darüber hinaus ist zu betonen, dass das Übereinkommen Bereiche regelt, für die kein EU-Acquis existiert und dass es gelungen ist, im Übereinkommen einen unabhängigen Überwachungsmechanismus zu verankern, der die Kontrolle der Umsetzung der Verpflichtungen durch die Vertragsstaaten gewährleistet. Dieses Übereinkommen steht nicht nur den Mitglied - staaten des Europarats offen, sondern auch Nichtmitgliedstaaten sowie der EU (Artikel  75 Absatz  1). Die Regelungen der Konvention fallen sowohl in die Zuständigkeit der EU als auch der Mitgliedstaaten. Die Zeichnung der Konvention durch die EU wird zurzeit in den entsprechenden EU-Gremien vorbereitet. Damit kann das Übereinkommen auch über den europäischen Raum hinaus Wirkung erzielen und Standards setzen. Die Interessen der Opfer in den Blick zu nehmen und dafür zu sorgen, dass ihnen mehr Schutz und Rechte insbesondere auch in Umsetzung des verfassungsrecht - lichen Grundsatzes der Gleichstellung von Frauen und Männern (Artikel 3 Absatz 2 GG) zukommen, ist ein Ziel, dem sich Bund und Länder bereits seit etlichen Jahren verpflichtet sehen.  Durch zahlreiche gesetzgeberische Schritte und weitere Maßnahmen konnten in den ver - gangenen Jahren Fortschritte  bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt und bei der Stärkung der Rechte der Opfer erzielt werden. Auch Maßnahmen, die allgemein die Gleichstellung von Frauen und Männern weiter verbessern, indem sie zum Beispiel zum Abbau von Rollenklischees beitragen, indem sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, oder indem sie auf sonstige Weise die   Voraussetzungen für eine gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt und für eine gleichwertige ökonomische Absicherung von Frauen und Männern verbessern, bilden einen wichtigen Beitrag zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Stellvertretend für die Entwicklung der letzten Jahre seien beispielhaft folgende Schritte auf Bundesebene genannt: Mit Hilfe des in 2002 in Kraft getretenen Gesetzes zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalt und Nachstellungen sind rechtliche Interventionen und Schutzmaßnahmen bei häuslicher Gewalt und Stalking möglich. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897) verfolgt das Ziel, Benachteiligungen unter anderem aufgrund des Geschlechts zu verhindern oder zu beseitigen; es regelt unter anderem auch Abwehrrechte gegen sex uelle Belästigung am Arbeitsplatz. Mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften (Zwangsheirat-Bekämpfungsgesetz) wurde 2011 der Straftatbestand § 237 (neu) in das Strafgesetzbuch (StGB) eingefügt. In 2013 wurde ein eigenständiger Straftatbestand – § 226a StGB – geschaffen, der wegen der Schwere der Rechtsverletzung die Verstümmelung weiblicher Genitalien gesondert als Verbrechen unter Strafe stellt. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren (3.  Opferrechtsreformgesetz) vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2525) wurde die Rechtsstellung von Opfern weiter gestärkt und die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahrensrecht verankert. Mit dem Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von  Frauen und Männern an Führungspositionen, das am 1. Mai 2015 in Kraft getreten ist, wurde ein Kulturwandel in der Arbeitswelt angestoßen. Mit dem von der Bundesregierung eingeführten ElterngeldPlus vom 1. Juli 2015 wurde die Möglichkeit geschaffen, dass beide Elternteile gleichzeitig Elterngeld in Anspruch nehmen und mit Teilzeit kombinieren können. Zur Erfüllung der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen wurden im innerstaatlichen Recht zwischenzeitlich die nachfolgenden Maßnahmen umgesetzt: • Mit der Einrichtung einer bundesweiten, kostenlosen und rund um die Uhr erreichbaren Telefonberatung (Hilfetelefon) durch das Hilfetelefongesetz vom 7. März 2012 (BGBl. I S. 448) werden die Voraussetzungen des Artikels 24 (Telefon beratung) erfüllt. • Mit dem 49. Strafrechtsänderungsgesetz – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10) wurden Lücken im Bereich der Gerichtsbarkeit (Artikel 44) und Verjährungsfristen (Artikel 58) geschlossen. • Mit dem 50. Strafrechtsänderungsgesetz – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460) wurden die Vorgaben von Artikel 36 (sexuelle Gewalt) erfüllt. Weitere bundesgesetzliche Schritte sind zur Erfüllung der Anforderungen der Konvention nicht mehr erforderlich. B . B e s o n d e r e s Zu den Bestimmungen des Übereinkommens im Einzelnen: Drucksache 18/12037 – 46 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 45 Zur Präambel  Die Präambel stellt das Übereinkommen in den sach - lichen Kontext der relevanten völkerrechtlichen Verträge der Vereinten Nationen und des Europarats sowie der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und Empfehlungen des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten des Europarats. In der Präambel wird die Auffassung der Vertragsparteien verdeutlicht, dass geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen strukturellen Charakter hat, zur Verfestigung der historisch gewachsenen ungleichen Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern und zur Diskriminierung von Frauen beiträgt und somit ein Haupthindernis für das Erreichen der Gleichstellung von Frauen und Männern darstellt. Die Vertragsparteien erkennen in der Präambel an, dass Frauen in disproportional hohem Maße Opfer häuslicher Gewalt sind, jedoch auch Männer Opfer von häuslicher Gewalt sein können, ebenso wie Kinder, die häufig auch als Zeuginnen und Zeugen indirekt Opfer häuslicher Gewalt werden. Mit dem Übereinkommen soll ein Beitrag für ein gewaltfreies Europa geleistet werden. Zu Kapitel I Zweck, Begriffsbestimmungen, Gleichstellung und Nichtdiskriminierung, allgemeine Verpflichtungen Zu Artikel 1 – Zweck des Übereinkommens Artikel 1 benennt fünf Ziele, die mit diesem Übereinkommen erreicht werden sollen: • Schutz von Frauen vor allen Formen von Gewalt und Verhütung, Verfolgung und Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. • Beseitigung aller Formen von Diskriminierung der Frau und Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern. Damit wird anerkannt, dass Gewalt gegen Frauen auch Ausdruck und Folge der bestehenden Ungleich heiten zwischen den Geschlechtern ist. • Gestaltung eines Rahmens, der Opfern von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt Schutz und Unterstützung bietet. Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass es aufeinander abgestimmter Maßnahmen bedarf, die individuell ausgestaltet werden müssen und die Wahrung der Menschenrechte der Opfer zur Grundlage haben. • Förderung der grenzüberschreitenden Zusammen - arbeit. • Förderung der behördenübergreifenden Zusammen - arbeit. Weiterer Zweck des Übereinkommens ist, die wirksame Durchführung des Übereinkommens sicherzustellen. Dafür soll ein besonderer Überwachungsmechanismus eingeführt werden. Dieser wird in Kapitel  IX näher er - läutert. Zu Artikel 2 – Geltungsbereich des Übereinkommens Artikel 2 stellt klar, dass das Übereinkommen auf alle Formen von Gewalt gegen Frauen, einschließlich häuslicher Gewalt gegen Frauen anzuwenden ist. Darüber hinaus werden die Vertragsparteien dazu ermutigt, dieses Übereinkommen auch auf Männer und Kinder, die Opfer von häuslicher Gewalt sind, anzuwenden. Festzuhalten ist dabei, dass die Verpflichtungen aus den Kapiteln  V („Materielles Recht“), VI („Ermittlungen, Strafverfolgung, Verfahrensrecht und Schutzmaßnahmen“) und VII („Migration und Asyl“) grundsätzlich geschlechtsneutral formuliert und somit auch geschlechtsneutral durchzuführen sind. Durch die Verwendung des Wortes „ermutigt“ in Artikel 2 Absatz 2 wird klargestellt, dass das Überein - kommen den Mitgliedstaaten großen Spielraum in der Durchführung von Maßnahmen für männliche Opfer in den Bereichen von Kapitel III („Prävention“) und Kapitel IV („Schutz und Unterstützung“) lässt. In Artikel 2 Absatz 3 wird die Anwendbarkeit des Übereinkommens in Friedenszeiten und in Situationen bewaffneter Konflikte festgestellt. Damit unterfallen auch alle Formen von Gewalt gegen Frauen, die Mitglieder der deutschen Bundeswehr und der deutschen Polizei bei Auslandseinsätzen anwenden, diesem Übereinkommen. Auch mehr als 15 Jahre, nachdem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der Resolution  1325 (2000) zu Frauen, Frieden und Sicherheit den Grundstein für eine geschlechtersensible Friedens- und Sicherheitspolitik gelegt hat, gilt es weiterhin, die aktive Einbindung von Frauen in allen Phasen der Konfliktprävention und -bewältigung sowie den Schutz von Frauen und Mädchen vor sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten mit Nachdruck voranzubringen. Nach wie vor verletzen Konfliktparteien das humanitäre Völkerrecht, indem sie sexuelle Gewalt wie Vergewaltigungen und Zwangsverheiratungen sowie andere Formen von Gewalt für ihre Zwecke nutzen. Auch in Postkonfliktsituationen bleibt das Gewaltniveau zumeist hoch. Vor allem Frauen und Mädchen laufen weiterhin Gefahr, Opfer von sexueller und geschlechtsbasierter Gewalt zu werden. Es gilt, diese Gewalt zu ver - hindern, den Betroffenen adäquaten Schutz und Unterstützung zu gewähren und die Täter zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen. Gleichzeitig führt die gleichberechtigte Mitwirkung von Frauen zu nachhaltigerem Frieden und verstärkten Präventionsbemühungen. Um die Schutz-Dimension der Resolution 1325 und ihrer Folgeresolutionen umzusetzen, ist es der Bundesregierung ein Anliegen, weiterhin Personal in Friedensmissionen zu entsenden, deren Auftrag den Schutz von Frauen und Mädchen umfasst; militärisches und ziviles Personal zum Thema sexuelle Gewalt und Ausbeutung zu sensibilisieren; Maßnahmen zum Schutz von Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt zu fördern; sich dafür einzusetzen, dass Frauen und Mädchen auf der Flucht besser vor sexueller und anderer Gewalt geschützt werden sowie sich weltweit für Gesetzesreformen einzusetzen, mit denen Vergewaltigung und weitere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt als strafrechtliche Tatbestände anerkannt werden. Darüber hinaus setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass Frauen auch bei der Konfliktprävention und Konfliktbeilegung beteiligt werden. Zu Artikel 3 – Begriffsbestimmungen Artikel 3 bestimmt grundlegende Begriffe dieses Übereinkommens. „Gewalt gegen Frauen“ bedeutet nach Artikel 3 Buch - stabe a einen Verstoß gegen die Menschenrechte und wird als eine Form der Diskriminierung von Frauen verstanden. Im zweiten Teil der Begriffsbestimmung in Buchstabe a wird unter anderem der Wortlaut der Allgemeinen Empfehlung Nummer 19 des Ausschusses für die BeseiDeutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 47 – Drucksache 18/12037 46 tigung der Diskriminierung der Frau (Committee on the Elimination of Discrimination against Women – CEDAWAusschuss) aus dem Jahr 1992 und von Artikel 1 der Erklärung der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeglicher Form von Gewalt gegen Frauen aus dem Jahr 1993 aufgenommen. Darüber hinaus ist die Begriffsbestimmung bezüglich der Beschreibung der Schäden um das Element „wirtschaftliche Schäden“ erweitert. In Artikel 3 Buchstabe b wird der Begriff „häusliche Gewalt“ dahingehend definiert, dass als prägendes Element die enge persönliche Beziehung zwischen Täter beziehungsweise Täterin und Opfer beschrieben wird. Da Gewalt häufig nach Beendigung einer Beziehung andauert, ist ein gemeinsamer Wohnsitz von Opfer und Täter beziehungsweise Täterin hierfür nicht Voraussetzung. Es handelt sich um eine Definition für die Zwecke der Konvention. In Artikel 3 Buchstabe c wird der Begriff „Geschlecht“ definiert. Neben den biologischen Unterschieden zwischen Frauen und Männern existieren sozial konstruierte Unterschiede. Zu diesen zählen die im Übereinkommen zitierten „gesellschaftlich geprägten Rollen, Ver - haltensweisen, Tätigkeiten und Merkmale, die eine bestimmte Gesellschaft als für Frauen und Männer angemessen ansieht“. Hieraus leiten sich Zuschreibungen ab, welches Verhalten von Frauen und Männern in einer Gesellschaft als angemessen angesehen wird, welches Verhalten akzeptiert und geschätzt wird. Umgekehrt implizieren diese Zuschreibungen auch, dass Verhalten, das von diesen Erwartungshaltungen abweicht, direkt oder indirekt sanktioniert wird. Historisch betrachtet wurden Frauen in vielen wichtigen gesellschaftlichen Bereichen als das dem Mann nach- beziehungsweise formal untergeordnete Geschlecht gesehen und sind auch heute noch in vielen Bereichen in ihren Chancen benachteiligt. Solche Benachteiligungen lassen sich in Deutschland zum Beispiel feststellen beim Lohn (Frauen erhalten einen um 21 Prozent geringeren Bruttostundenlohn als Männer), bei der Besetzung von Führungspositionen (5,1 Prozent Frauenanteil in Vorständen der börsennotierten und voll mitbestimmten Unternehmen) oder bei der Besetzung in Parlamenten (36 Prozent beträgt der Frauenanteil an den Mandaten im Bundestag, 2015 lag die Beteiligung der Frauen an den kommunalen Vertretungen für Deutschland bei 27,1 Prozent [3. Gleichstellungsatlas 2016]). Die Formulierung „angemessen“ bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht nur auf eine bloße gesellschaftliche Erwünschtheit bestimmter Verhaltensweisen, sondern bringt eine Verbindlichkeit sozialer Vorgaben für beide Geschlechter zum Ausdruck. Diese Verbindlichkeit kann unterschiedlich ausgeprägt und mit Sanktionen unterschiedlichen Ausmaßes verknüpft sein. Das Spektrum reicht hier von (Nicht-)Anerkennung im Rahmen einer Peer Group oder (enttäuschten) Erwartungen der Eltern bis hin zu gesetzlich normierten Ge- und Verboten für Männer oder Frauen. Explizite Ge- und Verbote sind beispielsweise die Pflicht der Ehefrau zur Führung des Haushalts (in Deutschland 1977 aufgehoben) oder die – mit wenigen Ausnahmen – in Deutschland bis 2001 bestehende Zugangssperre von Frauen zur Bundeswehr. Die Zuschreibung sozialer Geschlechtermerkmale ist charakterisiert durch ihre grundsätzliche Wandelbarkeit. Ein Beispiel für diesen Wandel ist einerseits die seit Jahren steigende Frauenerwerbstätigenquote sowie die Tatsache, dass Frauen heute in etwa 23  Prozent der Mehrpersonenhaushalte in Deutschland die Haupternährerrolle übernommen haben. Ebenfalls ist ein Wandel des Bildes von Männlichkeit zu beobachten, nach dem die Sorge für Familie und Nachwuchs mehr und mehr auch nicht-materielle Faktoren umfasst, wie etwa die aufgewendete Zeit. So nehmen heute mehr als ein Viertel (34 Prozent) aller Väter die Möglichkeit eines zeitlich begrenzten (2015: durchschnittlich 3,1 Monate) Ausstiegs aus dem Beruf in Form der 2008 eingeführten Elternzeit in Anspruch, um sich aktiv bei der Erziehung ihrer Kinder einzubringen (siehe 3. Gleichstellungsatlas 2016; Väterreport 2016). Mit vielfältigen Maßnahmen setzt sich die Bundesregierung für die Überwindung tradierter Rollenbilder ein, die die Verwirklichungschancen von Frauen und Männern einschränken. Mit dem Gesetz für mehr Frauen in Führungspositionen und dem von der Bundesregierung am 11. Januar 2017 verabschiedeten Gesetzentwurf für mehr Entgelttransparenz wird ein Kulturwandel in der Arbeitswelt angestoßen. Ein Schwerpunkt der Bestrebungen der Bundesregierung sind Angebote an Schülerinnen und Schüler, die vor ihrer Berufswahlentscheidung stehen. Initiativen wie der Girls‘ Day oder der Boys‘ Day zeigen ihnen attraktive Berufsbilder jenseits des geschlechter - typischen Berufswahlverhaltens auf. Auch die interaktive Ausstellung Roadshow: „Meine Zukunft: Chefin im Handwerk“ zählt zu diesen Maßnahmen. Sie wird seit 2011 deutschlandweit gezeigt und wirbt bei Frauen für die berufliche Selbstständigkeit als Handwerkschefin in zukunftsträchtigen, oftmals männlich dominierten, Gewerken. In Artikel 3 Buchstabe d wird der Begriff „geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen“ definiert. Im erläuternden Bericht wird dazu dargelegt, dass der Begriff „geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen“ synonym zum Begriff „geschlechtsspezifische Gewalt“ zu ver - stehen ist, der unter anderem in der Allgemeinen Empfehlung Nummer 19 des CEDAW-Ausschusses zum Thema Gewalt gegen Frauen (1992) verwendet wird. Die Bundesrepublik Deutschland hat im April 1985 das VN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination against Women – CEDAW) vom 18. Dezember 1979 ratifiziert. CEDAW ist am 9. August 1985 (BGBl.  1985  II  S.  647, 648) in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten. Der CEDAW-Ausschuss ist nach Artikel 17 des Übereinkommens zuständig, die von den CEDAW-Vertragsstaaten periodisch vorzulegenden Berichte zu überprüfen, den Staaten Empfehlungen zu geben und Individualbeschwerden zu bearbeiten. Er kann nach Artikel 21 des Übereinkommens aufgrund der Prüfung der von den Vertragsstaaten eingegangenen Berichte und Auskünfte Vorschläge machen und Allgemeine Empfehlungen abgeben. Die Allgemeinen Empfehlungen verfolgen primär den Zweck, den Vertragsstaaten bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen als Wegweiser und Interpretationshilfen zu dienen. Der CEDAW-Ausschuss erwartet von den Vertragsstaaten, dass diese die Allgemeinen Empfehlungen bei der Umsetzung von CEDAW und bei der Berichterstattung berücksichtigen. Die Allgemeine Empfehlung Nummer  19 des CEDAWAusschusses (aus der 11.  Sitzung, 20. bis 30. Januar  1992) definiert „geschlechtsspezifische Gewalt“ als „Gewalt, die gegen eine Frau gerichtet ist, weil sie eine Frau ist, oder die Frauen unverhältnismäßig stark betrifft“. Drucksache 18/12037 – 48 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 47 Der Ausschuss stellt in der Empfehlung klar, dass geschlechtsspezifische Gewalt eine Diskriminierung im Sinne von Artikel 1 CEDAW darstellt und damit zu beseitigen ist. Der Ausschuss fordert die Vertragsstaaten folglich auf, gezielte Maßnahmen zur Beseitigung geschlechtsspezifischer Gewalt zu ergreifen. Die Bundesregierung ist dieser Aufforderung mit zahlreichen gesetzlichen und nicht- gesetzlichen Maßnahmen nachgekommen. Ziel der Maßnahmen der Bundesregierung ist es, die betroffenen Frauen effektiv zu schützen und die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Die von der Bundesregierung zur Umsetzung von CEDAW und der Allgemeinen Empfehlungen des CEDAW-Ausschusses ergriffenen Maßnahmen werden von der Bundesregierung in ihren periodischen Staatenberichten an den CEDAW-Ausschuss dargelegt (zuletzt im 7. und 8. Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen – Bundestagsdrucksache 18/5100). In Artikel 3 Buchstabe e wird festgelegt, dass nur natür - liche Personen „Opfer“ im Sinne des Übereinkommens sein können. Hierbei handelt es sich um eine Definition für die Zwecke der Konvention. In Artikel 3 Buchstabe f wird festgestellt, dass der Begriff „Frauen“ alle weiblichen Menschen umfasst, also auch Mädchen als weibliche Personen unter 18 Jahren. Die hier getroffene Inklusivdefinition ist insoweit erforderlich, als auch die Gewalt, die gegen Personen weiblichen Geschlechts ausgeübt wird, keiner Altersgrenze unterliegt. Aus der Lebensverlaufsperspektive heraus betrachtet verursachen insbesondere Gewalteinflüsse über Jahre und Jahrzehnte hinaus negative Wirkungen. So können Gewalterfahrungen, die in der Kindheit oder Jugend erlitten wurden, noch bis weit hinein in das Erwachsenenalter nachwirken. Vor diesem Hintergrund ist die explizit ausgeschlossene Altersbeschränkung ein unverzichtbarer Aspekt bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Zu Artikel 4 – Grundrechte, Gleichstellung und Nichtdiskriminierung Dieser Artikel verpflichtet die Vertragsparteien, die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen zur Förderung und zum Schutz des Rechts jeder Person, insbesondere von Frauen zu ergreifen, um sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich frei von Gewalt zu leben. Damit wird klargestellt, dass jeder Mensch das Recht auf ein gewaltfreies Leben hat. Es ist Aufgabe der Vertragsparteien, die entsprechenden Voraussetzungen hierfür zu schaffen. Aus Artikel 2 Absatz 2 GG ergibt sich die Pflicht des Staates, Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen. Artikel 4 Absatz 2 dieses Übereinkommens verpflichtet dabei zum Verbot der Diskriminierung der Frau, soweit erforderlich auch durch Sanktionen; zur Verankerung des Grundsatzes der Gleichstellung von Frauen und Männern in den nationalen Verfassungen oder in anderen geeigneten Rechtsvorschriften und zur Sicherstellung der tatsächlichen Verwirklichung dieses Grundsatzes sowie zur Aufhebung beziehungsweise Abschaffung aller die Frauen diskriminierenden Gesetze und Vorgehensweisen. Mit Artikel 3 GG ist der Gleichheitsgrundsatz in der deutschen Verfassung verankert. Mit dem AGG aus dem Jahr 2006 sind vier verschiedene EU-Antidiskriminierungsrichtlinien in deutsches Recht umgesetzt worden. Ziel dieses Gesetzes ist es, Benachteiligungen unter anderem aufgrund des Geschlechts zu verhindern oder zu beseitigen. In seinem Anwendungsbereich erstreckt sich das AGG insbesondere auf das Arbeitsrecht und bestimmte Bereiche des Zivilrechts. Das AGG regelt Sanktionen bei Verletzung des Benachtei - ligungsverbots. Insbesondere trifft es Bestimmungen zu Schadensersatz und Entschädigung, die von den Betroffenen gerichtlich eingeklagt werden können. Mit Inkrafttreten des AGG wurde die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) errichtet. Zu ihren Aufgaben gehört neben der Öffentlichkeits- und Forschungsarbeit auch die Beratung von Menschen, die sich diskriminiert sehen. Die ADS wirkt somit daran mit, die tatsächliche Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung sicherzustellen. Artikel 4 Absatz 3 der Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten sicherzustellen, dass das Übereinkommen, insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Rechte der Opfer, diskriminierungsfrei angewendet wird. Neben einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes stellt das AGG im Rahmen seines Anwendungsbereiches (vgl. Ausführungen zu Artikel 4 Absatz 2) auch den Schutz vor Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, wegen der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität sicher. Das Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz – GewSchG) vom 11. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3513) gewährt verletzten und gefährdeten Personen ohne Differenzierung nach den in Artikel 4 Absatz 3 aufgezählten Merkmalen, den gleichen Schutz (vgl. auch Ausführungen zum GewSchG unter Artikel 52 und 53). In Artikel 4 Absatz 4 wird klargestellt, dass besondere Maßnahmen, die zur Verhütung von geschlechtsspezifischer Gewalt und zum Schutz von Frauen vor solcher Gewalt erforderlich sind, nicht als Diskriminierung im Sinne des Übereinkommens gelten. Dieser Artikel basiert nach dem Erläuternden Bericht (Rn. 55) auf Artikel 4 CEDAW. Artikel 4 (1) CEDAW legt fest, dass „zeitweilige Sondermaßnahmen der Vertragsstaaten zur beschleunigten Herbeiführung der De-facto-Gleichberechtigung von Mann und Frau (…) nicht als Diskriminierung im Sinne dieses Übereinkommens (gelten), (…) aber keinesfalls die Beibehaltung ungleicher oder gesonderter Maßstäbe zur Folge haben (dürfen); diese Maßnahmen sind aufzuheben, sobald die Ziele der Chancengleichheit und Gleichbehandlung erreicht sind“. Zu Artikel 5 – Verpflichtungen der Staaten und Sorgfaltspflicht Artikel 5 Absatz 1 regelt die nach Völkerrecht etablierte Verpflichtung des Staates sicherzustellen, dass Behörden, Beamte, Bedienstete und staatliche Einrichtungen sowie sonstige Akteure, die im Auftrag des Staates handeln, von Gewalttaten gegen Frauen absehen und für die Begehung einer völkerrechtswidrigen Handlung verantwortlich sind, wenn diese dem Verhalten eines seiner Bediensteten zuzuschreiben ist. Die Schutz- und Handlungsanforderungen sind durch zahlreiche Gesetze und untergesetzliche Vorschriften bereits umgesetzt. Sofern Fehlverhalten durch Behörden, Beamte, Bedienstete und staatliche Einrichtungen sowie sonstige Akteure, die im Auftrag des Staates handeln, geDeutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 49 – Drucksache 18/12037 48 rügt wird, bestehen innerbehördliche und außerbehörd - liche Beschwerdemöglichkeiten, um dieses Verhalten in einem unabhängigen Verfahren rechtlich überprüfen zu lassen: Das strafrechtliche Legalitätsprinzip gewährleistet, dass bereits bei einem Anfangsverdacht für das Vorliegen einer Straftat staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Neben dem Rechtsweg zu den Gerichten kann jeder Bürger und jede Bürgerin eine ihn beziehungsweise sie betreffende Maßnahme mit einer Dienst- oder Sachaufsichtsbeschwerde beanstanden. Artikel 5 Absatz 2 greift die Auslegung einiger Menschenrechtsinstrumente, insbesondere die Allgemeine Erklärung Nummer  19 des CEDAW-Ausschusses und die Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs auf, die zu dem Schluss kommt, dass die Sorgfaltspflicht eines Staates sich nicht darauf beschränkt, dass seine Bediensteten keine Handlungen begehen, die Menschenrechte verletzen. Staaten haben vielmehr auch dafür Sorge zu tragen, dass geeignete Maßnahmen ergriffen werden, jeden Menschen auf seinem Territorium vor Verletzungen der Menschenrechte auch durch nichtstaatliche Täter und Täterinnen zu schützen beziehungsweise Entschädigung für im Anwendungsbereich des Übereinkommens fallende Gewalttaten bereitzustellen. Diese Verpflichtungen sind durch zahlreiche Gesetze und untergesetzliche Regelungen erfüllt. Speziell zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sind folgende Gesetze handlungsleitend: im StGB insbesondere die Körperverletzungs- und Sexualdelikte und der Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB, so - genanntes Stalking); im GewSchG die gerichtliche Schutzanordnung in Form von insbesondere Näherungs-, Aufenthalts- und Kontaktverboten, flankiert durch strafrechtlichen Schutz sowie einen Anspruch des Opfers auf Überlassung einer gemeinsam genutzten Wohnung; im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) die Regelung des § 1361b, wonach ein Ehegatte unter bestimmten Voraussetzungen die Überlassung der Ehewohnung erreichen kann, und im Aufenthaltsrecht die Regelungen zum eigenständigen Aufenthaltsrecht für Ehegatten nach § 31 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Die Verpflichtung zur Bereitstellung von Entschädigung wird in Deutschland durch das geltende Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz – OEG) umgesetzt: Im Erläuternden Bericht (Rn.  60) wird darauf verwiesen, dass der Anspruch auf Schadenersatz (reparation) unter den Bedingungen des Artikels 30 Absatz 2 gewährt wird. Aus dem Wortlaut der Artikel 5 und 30 folgt aber, dass dies auch für die staatliche Entschädigung (compensation) gelten muss, mit der Wirkung, dass keine Verpflichtung besteht, staatliche Entschädigung für alle in Artikel 2 benannten Gewaltformen in derselben Weise anzubieten. Somit erfüllt das geltende OEG die Verpflichtung aus Artikel 5 Absatz 2. Zu Artikel 6 – Geschlechtersensible politische Maßnahmen Artikel 6 verpflichtet die Vertragsstaaten, bei der Durchführung aller Maßnahmen die unterschiedlichen Folgen für die Geschlechter zu berücksichtigen. Diese Verpflichtungen sind im nationalen Recht umgesetzt. Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 GG verpflichtet alle staatlichen Organe und Ebenen in Bund, Ländern und Kommunen zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Diese Verpflichtung ist wesentlicher Bestandteil des politischen Handelns der Bundesregierung in allen Politikbereichen. Zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern orientiert sich die Arbeit der gesamten Bundesverwaltung durchgängig am Leitprinzip der Gleichstellung von Frauen und Männern. Die Strategie des „Gender Mainstreaming“ basiert auf der Erkenntnis, dass Männer und Frauen in sehr unterschiedlicher Weise von politischen und administrativen Entscheidungen betroffen sein können. Das Leitprinzip „Geschlechtergerechtigkeit“ verpflichtet die politischen Akteure, bei allen Vorhaben die unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse von Frauen und Männern zu analysieren und ihre Entscheidungen so zu gestalten, dass sie zur Förderung einer tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter beitragen. Ein solches Vorgehen erhöht nicht nur die Zielgenauigkeit und Qualität von politischen Maßnahmen, sondern auch die Akzeptanz der Ergebnisse bei Bürgerinnen und Bürgern. Gemäß § 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO), die unter anderem die Grundsätze für die Organisation der Bundesministerien, die Zusammenarbeit der Bundesministerien untereinander sowie mit den Verfassungsorganen regelt, sind alle Ressorts der Bundesregierung dazu verpflichtet, den Gender-Mainstreaming-Ansatz bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen der Bundesregierung zu berücksichtigen. Die GGO schreibt vor, dass in der Begründung von Gesetzentwürfen die Gesetzesfolgen darzustellen sind (§ 43 Absatz 1 Nummer 5 in Verbindung mit § 44). Hierunter sind die wesentlichen Auswirkungen der Gesetze zu verstehen, welche die beabsichtigten Wirkungen und die unbeabsichtigten Nebenfolgen umfassen. Dabei soll auch die gleichstellungspolitische Bedeutung der Regelung berücksichtigt werden. Nach § 45 Absatz 1 in Verbindung mit Anlage 6 Nummer 9 Buchstabe a GGO ist darüber hinaus das federführende Bundesministerium verpflichtet, das BMFSFJ frühzeitig bei den Vorarbeiten und der Ausarbeitung der Gesetzesvorlage einzubeziehen, wenn Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung zu erwarten sind. Die Bundesregierung ist aufgefordert, in jeder Legislaturperiode einen Gleichstellungsbericht vorzulegen. Dazu wird eine Sachverständigenkommission beauftragt, ein Gutachten zu erstellen, in dem Empfehlungen für Maßnahmen ausgesprochen werden, die zu mehr Gleichstellung in Deutschland führen. Die Bundesregierung nimmt dazu Stellung. Der Erste Gleichstellungsbericht hat die politische Willensbildung und die öffentliche Diskussion über Gleichstellung und über gleichstellungspolitische Handlungsbedarfe stark beeinflusst. Der Zweite Gleichstellungsbericht wird zurzeit erstellt. Er wird eine Vielzahl an Empfehlungen für geschlechtersensible politische Maßnahmen enthalten, die die Grundlage für die Fortentwicklung einer konsistenten Gleichstellungspolitik sein werden. Zu Kapitel II Ineinandergreifende politische Maßnahmen und Datensammlung Zu Artikel 7 – Umfassende und koordinierte politische Maßnahmen Nach Artikel 7 treffen die Vertragsparteien die erforder - lichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung aller Formen von Gewalt gegen Frauen. Alle Maßnahmen sollen in wirksamer ZusamDrucksache 18/12037 – 50 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 49 menarbeit und unter Einbeziehung aller einschlägigen Behörden, Einrichtungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen umgesetzt und die Rechte des Opfers in den Mittelpunkt gestellt werden. Die deutsche Rechtsordnung gewährleistet auf dem Gebiet des Strafrechts, des Strafprozessrechts und des Zivilrechts bereits ein hohes Schutzniveau gegenüber den unterschiedlichen Erscheinungsformen von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen. Durch das bestehende System von differenzierten Straftatbeständen, das von Tötungs- und Körperver - letzungsdelikten, Straftaten gegen die sexuelle Selbst - bestimmung über Nötigung, Erpressung, Freiheits - beraubung, Nachstellung („Stalking“) etc. reicht, ist sichergestellt, dass alle strafwürdigen Erscheinungs - formen von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt strafrechtlich verfolgt und die Täter angemessen belangt werden können. Die typischen Umstände häuslicher Gewalt, das besondere Unrecht der Tat und die besondere Beziehung zwischen Täter und Opfer können im Rahmen der Strafzumessungsregeln berücksichtigt werden (vgl. Ausführungen zu Artikel 45). Die Interessen der Opfer in den Blick zu nehmen und dafür zu sorgen, dass ihnen mehr Rechte zukommen, bleibt auch weiterhin ein wichtiges rechtspolitisches Ziel. Zahlreiche Gesetzgebungsvorhaben der letzten Jahre haben die Situation der Opfer weiter verbessert. Mit dem Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen, das der Bundestag am 15. Dezember 2016 beschlossen hat, soll das Schutzniveau der Opfer von Nachstellungen und die effektive Durchsetzung von Vergleichen in Gewaltschutzverfahren wesentlich verbessert werden. Des Weiteren wurde mit dem 50. Strafrechtsänderungsgesetz – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung – vom 4. November 2016, das am 10. November 2016 in Kraft getreten ist (BGBl. I S. 2460), der strafrechtliche Schutz vor sexuellen Übergriffen durch die Einführung des Prinzips „Nein heißt Nein“ verbessert. Danach wird jede sexuelle Handlung bestraft, die gegen den erkennbaren Willen einer Person vorgenommen wird. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren (3. Opferrechtsreformgesetz) vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2525) wurde die Rechtsstellung von Opfern weiter gestärkt. Mit dem 3. Opferrechtsreform - gesetz wurde die Opferschutzrichtlinie (2012/29/EU) umgesetzt und die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahrensrecht verankert. All diese gesetzge - berischen Maßnahmen haben dazu geführt, dass der Opferschutz seinen festen Platz in der Strafprozessordnung (StPO) hat. Opferschutz findet auch in der Praxis statt. In allen 16 Ländern ist flächendeckend ein umfassendes Angebot an Institutionen, Einrichtungen und Programmen zum effektiven Opferschutz vorhanden. Vernetzung findet auf den unterschiedlichsten Ebenen statt. In einem Bericht zur Umsetzung der Opferschutzrichtlinie (2012/29/EU), der auf der Homepage des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) unter www.bmjv.de/opferschutz abrufbar ist, ist die Situation in den Ländern dargestellt. Die Kooperation auf den unterschiedlichen Ebenen wird auch durch Vernetzungstreffen der unterschiedlichen Akteure und den Austausch von Best Practice vorangetrieben. So findet im BMJV ein regelmäßiger Austausch zum Best Practice im Bereich Opferschutz statt. Um Gewalt gegen Frauen wirkungsvoll bekämpfen zu können, hat die Bundesregierung unter Federführung des BMFSFJ bereits in den Jahren 1999 und 2007 zwei Aktionspläne zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen aufgelegt, um zu verdeutlichen, auf welchen Ebenen zur Gewaltbekämpfung Maßnahmen erforderlich sind. Ein zentrales Projekt des Aktionsplans I war dabei die Einrichtung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Häusliche Gewalt im Jahr 2000. Die Arbeitsgruppe besteht aus Vertretern und Vertreterinnen der jeweils zuständigen Bundesministerien (insbesondere BMFSFJ, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz [BMJV], Bundesministerium des Innern [BMI], Bundesministerium für Arbeit und Soziales [BMAS] und Bundesministerium für Gesundheit [BMG]), der Fachministerkonferenzen der Länder (Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren [GFMK], ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren [IMK], Konferenz der Justizministerinnen und -minister [JuMiKo], Konferenz der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales [ASMK]), Vertretern und Vertreterinnen der Kommunen und Nichtregierungsorganisationen wie die bundesweiten Vernetzungsstellen der ambulanten Beratungsstellen und der Frauenhäuser sowie Fachverbände. Die BundLänder-Arbeitsgruppe Häusliche Gewalt begleitet die Umsetzung der beiden Aktionspläne durch fachlichen Austausch, Steuerung und Abstimmung von Maßnahmen im föderalen System in Deutschland. Insbesondere auch die Nichtregierungsorganisationen bringen sich mit ihrem Sachverstand in die Arbeitsgruppe ein und geben in diesen Fachrunden wichtige Hinweise auf Problemstellungen und Lösungsmöglichkeiten aus der Praxis. Auch eine weitere Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Bekämpfung des Menschenhandels wurde als Steuerungsgremium zur Umsetzung des Aktionsplans eingesetzt. Der Aktionsplan  I mündete auch in die Verabschiedung des GewSchG, das am 1. Januar 2002 in Kraft getreten ist (vgl. Ausführungen in Artikel 52 und 53). Der Aktionsplan I war auch Impulsgeber für entsprechende Aktionspläne der einzelnen Länder, die nach dem in der Bundes - republik Deutschland bestehenden föderalen System für die Einrichtung und Aufrechterhaltung eines funktionierenden Opferhilfesystems verantwortlich sind. Nach dem Vorbild des Bundes haben alle Länder eigene Aktions - pläne erstellt oder Maßnahmenkonzepte zum Thema häusliche Gewalt verabschiedet und Lenkungsaus - schüsse eingesetzt. Mit dem zweiten Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen aus 2007 wurde ein Gesamtprogramm aus 135 Maßnahmen umgesetzt in den Bereichen Prävention, Rechtsetzung durch den Bund, Hilfesystem zur Unterstützung und Beratung von Gewalt betroffener Frauen, bundesweite Vernetzung im Hilfesystem, Kooperationen zwischen staatlichen Institutionen und nichtstaatlichen Hilfeangeboten, Arbeit mit Tätern und Täterinnen, Qualifizierung und Sensibilisierung, Forschung, europäische und sonstige internationale Zusammenarbeit und Unterstützungsmaßnahmen für Frauen im Ausland. Als zentrale Maßnahme dieses Aktionsplans hat das BMFSFJ das bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen eingerichtet (vgl. Ausführungen zu Artikel 24). Das mit dem Aktionsplan II fortgeschriebene Gesamtkonzept der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen berührt auch die Zuständigkeiten von Ländern und Kommunen, so zum Beispiel die polizeiliche Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 51 – Drucksache 18/12037 50 und gerichtliche Praxis oder auch den Aufbau und den Erhalt von Hilfsangeboten und Unterstützungseinrichtungen für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder. Die Umsetzung des Gesamtkonzepts erfordert daher nicht nur eine enge Zusammenarbeit der jeweilig zuständigen Bundesministerien, sondern auch die gezielte Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie mit den Unterstützungseinrichtungen für betroffene Frauen. Diese Kooperation wird in den beiden Bund-Länder-Arbeitsgruppen Häusliche Gewalt und Menschenhandel unter Federführung des BMFSFJ realisiert. Diese übergreifende, interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern, Kommunen und Nichtregierungsorganisationen hat sich als Instrument für die Koordinierung von Maßnahmen bewährt. Die Bundesregierung unterstützt im Rahmen ihrer Kompetenz die Arbeit des Frauenunterstützungssystems, indem sie deren bundesweite Kooperationen und Vernetzungsstellen finanziell fördert: die Vernetzungsstelle der Frauenhäuser e. V. (Frauenhauskoordinierung), die Ver - netzungsstelle des Bundesverbandes der Frauenbe - ratungsstellen und Frauennotrufe  e.  V. (bff) sowie die Vernetzungsstelle der Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel (Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel – KOK e. V.), die ihrerseits den Austausch, die enge Kooperation und die Netzwerk - bildung von Einrichtungen und Projekten vor Ort fördern. Dadurch werden der Erhalt und die Weiterentwicklung professioneller und qualifizierter Unterstützungs- und Beratungsangebote für weibliche Gewaltopfer sicher - gestellt. Die Vernetzungsstellen bündeln die Expertise und Fachkompetenz der Einrichtungen zur Unterstützung von gewaltbetroffenen Frauen in Deutschland und bringen diese in die politische Diskussion, die Öffentlichkeit und die Gesetzgebung ein. Sie unterstützen auf Bundesebene ihre Mitglieder in ihrer fachlichen und gesellschaftlichen Zielsetzung und leisten Hilfestellungen in rechtlichen Belangen. Darüber hinaus tragen die Vernetzungsstellen zur Schaffung von Strukturen bei, die ein nachhaltig effizientes und wirtschaftliches Handeln der Unterstützungseinrichtungen vor Ort unterstützen sollen. Durch Öffentlichkeitsarbeit und Weiterbildungsangebote zum Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen informieren die Vernetzungsstellen über die Angebote ihrer Mitglieder und sensibilisieren die Öffentlichkeit sowie verschiedene relevante Berufsgruppen für das Thema. In den BundLänder-Arbeitsgruppen haben sich diese bundesweiten Vernetzungsstellen zu zentralen Partnern der Bundes - regierung entwickelt. Durch die Aktivitäten und Maßnahmen des Bundes und der Länder im Zusammenwirken mit regionalen und lokalen Akteuren, Organisationen und Institutionen werden kontinuierlich vielfach Veränderungen der rechtlichen Möglichkeiten und der Hilfs- und Unterstützungsangebote und -strukturen für von Gewalt betroffene Frauen vorgenommen. Neben der Zusammenarbeit aller relevanten Akteure auf Bundesebene unter anderem in den benannten BundLänder-Arbeitsgruppen wird die Zusammenarbeit auf Landes- und kommunaler Ebene durch eine Vielzahl von Runden Tischen, Landesforen und anderen Gremien gewährleistet. Zu Artikel 8 – Finanzielle Mittel Artikel 8 verpflichtet die Vertragsparteien zur Bereitstellung finanzieller Mittel für die Umsetzung von Maßnahmen zur Gewaltbekämpfung, einschließlich der von nichtstaatlichen Organisationen und der Zivilgesellschaft durchgeführten Maßnahmen. Frauen, die von häuslicher Gewalt oder anderen Formen von Gewalt betroffen sind, brauchen zu ihrem unmittelbaren Schutz sowie zur Bewäl - tigung der Folgen erlebter Gewalt schnelle und unbüro - kratische Hilfe sowie qualifizierte Beratung und Unterstützung. In Deutschland stehen gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern dafür mehr als 350 Frauenhäuser sowie über 40 Schutz- oder Zufluchtswohnungen mit mehr als 6 000 Plätzen zur Verfügung. Hinzu kommen rund 800 Fachberatungsstellen bei Gewalt gegen Frauen (Stand 2015; siehe dazu weitergehende Ausführungen in den Artikeln 22 und 23). Für den Aufbau und den Erhalt eines möglichst flächendeckenden Netzes an Hilfsangeboten sowie für die Finanzierung der Infrastruktur zur Unterstützung gewaltbetroffener Frauen sind aufgrund des föderalen Systems in Deutschland die Länder zuständig, die hierfür in beträchtlichem Umfang Haushaltsmittel bereitstellen. Die Bundesregierung unterstützt im Rahmen ihrer Kompetenz eine Vielzahl von Maßnahmen. Hierzu gehört unter anderem die Förderung der drei bundesweiten Vernetzungsstellen im Bereich Gewalt gegen Frauen (siehe Ausführungen zu Artikel 7), wodurch der Erhalt und die Weiterentwicklung professioneller und qualifizierter Unterstützungs- und Beratungsangebote für weibliche Gewaltopfer sichergestellt werden sollen. Darüber hinaus fördert die Bundesregierung zahlreiche bundesweite Veranstaltungen von Nichtregierungsorganisationen, die der nachhaltigen Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und deren Kinder dienen. Als eine herausragende Maßnahme auf Bundesebene ist in diesem Zusammenhang das bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen zu nennen (siehe Ausführungen zu Artikel 24), das auf gesetzlicher Grundlage aus dem Bundeshaushalt finanziert wird. Zu Artikel 9 – Nichtstaatliche Organisationen und Zivilgesellschaft Die in Artikel 9 geforderte Anerkennung, Förderung und Unterstützung einschlägiger nichtstaatlicher Organisationen und der Zivilgesellschaft, die Gewalt gegen Frauen aktiv bekämpfen, findet auf vielen Ebenen statt. Die Würdigung der Arbeit der Nichtregierungsorganisationen kommt beispielsweise dadurch zum Ausdruck, dass ihre Arbeit zu großen Teilen von Bund, Ländern und Kommunen gefördert wird (siehe Ausführungen zu Artikel 7). Sie sind zudem in einer Vielzahl von Gremien, Runden Tischen und Bund-Länder-Arbeitsgruppen vertreten. Es hat sich gezeigt, wie wichtig die interinstitutionelle Zusammenarbeit der verschiedenen zuständigen Behörden sowie der Hilfestrukturen zur Lösung von komplexen gesamtgesellschaftlichen Fragen ist. Kooperationsbündnisse haben zu einer verbesserten Interventionspraxis geführt und den gesetzgeberischen Handlungsbedarf aufgezeigt, der unter anderem in das GewSchG, die Änderungen der (Länder-)Polizeigesetze und in Änderungen verschiedener Sozialgesetzbücher mündete. Die gegenseitige Qualifizierung, die durch die Zusammenarbeit erfolgt, verstärkt den verantwortungsbewussten Umgang Drucksache 18/12037 – 52 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 51 mit den Betroffenen. Wichtig ist, dass diese Kooperationen dauerhaft auf allen Ebenen (lokal, regional, Land und Bund) bestehen. Die Prozesse bedürfen einer kontinuierlichen Steuerung und Anpassung an die durch sie selbst hervorgerufenen Veränderungen sowie an die Bedürfnisse der Betroffenen. Zu Artikel 10 – Koordinierungsstelle Nach Artikel 10 benennen oder errichten die Vertrags - parteien eine oder mehrere offizielle Stellen, die für die Koordinierung, Umsetzung, Beobachtung und Bewertung der politischen und sonstigen Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung aller von in dem Übereinkommen erfassten Formen von Gewalt zuständig sind. Diese Stellen sollen die Ergebnisse der in Artikel 11 genannten Datensammlungen analysieren und verbreiten. Weiterhin soll sichergestellt werden, dass die zu er richtenden Stellen allgemeine Informationen über die nach Maßgabe des Kapitels VIII (Internationale Zusammenarbeit) getroffenen Maßnahmen erhalten. Darüber hinaus sollen die Koordinierungsstellen die Möglichkeit haben, mit den ihnen entsprechenden Stellen in anderen Vertragsstaaten direkt zu kommunizieren und den Kontakt zu pflegen. Bislang besteht in Deutschland keine eigens zur Umsetzung von Artikel 10 geschaffene Koordinierungsstelle auf Bundesebene. Die in Artikel 10 genannten Aufgaben auf Bundesebene werden durch die zuständigen Bundesressorts, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das Bundesministerium des Innern (BMI), das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) und das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gemeinsam wahrgenommen. Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben nutzen die Bundes - ressorts unter anderem verschiedene Bund-Länder- Arbeitsgruppen wie die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Häusliche Gewalt, die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Überwindung von weiblicher Genitalverstümmelung in Deutschland, die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Umsetzung der Opferschutzrichtlinie (2012/29/EU) und die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung“. Der Schutz von Frauen vor Gewalt, die Intervention und die Prävention von Gewalt sind Aufgaben, die alle staatlichen Ebenen und viele Nichtregierungsorganisationen betreffen, daher bietet die Bund-Länder-Arbeits - gruppe Häusliche Gewalt seit dem Frühjahr 2000 den Rahmen zur Zusammenarbeit in diesem Bereich (vgl. Ausführungen unter Artikel 7). Vertreten sind darin die jeweils zuständigen Bundesministerien, die Fachministerkonferenzen der Länder, die Kommunen sowie Nichtregierungsorganisationen im Bereich Gewalt gegen Frauen und weitere Fachverbände. Die Federführung für die Arbeitsgruppe liegt beim BMFSFJ. Aufgaben der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Häusliche Gewalt sind vor allem: • ein kontinuierlicher Informationsaustausch über die vielfältigen Aktivitäten auf Bundesebene, in den Ländern und Kommunen, seitens der Nichtregierungsorganisationen sowie in den nationalen und internationalen Gremien, • eine Analyse der konkreten Probleme bei der Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen, • die Erarbeitung von Empfehlungen zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt, • Vorschläge zur Weiterentwicklung und Bewertung von Maßnahmen der Anti-Gewalt-Politik. In der Zusammensetzung der Arbeitsgruppe wird deutlich, dass die Einbeziehung der Länder und Kommunen sowie die Kooperation zwischen staatlichen Institutionen und nichtstaatlichen Hilfsangeboten von großer Bedeutung zur Entwicklung von Maßnahmen und zur Bewertung von neuen Vorschlägen in der Anti-Gewalt-Politik sind. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe behandelt jeweils besondere Schwerpunktthemen, zu denen auch Expertinnen und Experten sowie weitere Ministerien hinzugezogen werden können. Das Bund-Länder-Gremium hat immer wieder Arbeitsergebnisse und Arbeitshilfen erzielt und veröffentlicht, die hilfreich waren für die Umsetzung und konkrete Anwendung von Gesetzen wie beispiels - weise • Empfehlungen für notwendige Rahmenbedingungen zur Umsetzung des GewSchG; • Musterbeschreibungen für die Bearbeitung von An - trägen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind; • Empfehlungen zur Prävention von häuslicher Gewalt im schulischen Bereich; • Arbeitshilfe zum Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der frei - willigen Gerichtsbarkeit (FamFG) bei Vorliegen häus - licher Gewalt. Im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland kommt den Maßnahmen auf Landesebene eine hohe Bedeutung in der Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu. Daher haben die Länder in den letzten fünfzehn Jahren Koordinierungsstellen auf Landesebene eingerichtet wie zum Beispiel Koordinierungsstellen oder Runde Tisch gegen häusliche Gewalt. Auch auf kommunaler Ebene bestehen zahlreiche Runde Tische oder ähnliche Arbeitsgremien. Auch im Bereich Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt arbeiten Akteure auf verschiedenen Ebenen zusammen. Die Bund-Länder-Arbeits - gruppe „Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung“ überwacht und begleitet seit ihrer Einrichtung im Jahr 2003 die Umsetzung des entsprechenden Aktionsplans im Sinne eines Monitorings. Hauptziel des Aktionsplans ist es, den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt und Ausbeutung kontinuierlich zu verbessern. Der Aktionsplan wird stetig weiterentwickelt und setzt unter anderem die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen des „Runden Tisches Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeitsund Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ um. Die Maßnahmen des Aktionsplans umfassen insbesondere folgende Handlungsfelder: • Prävention • Intervention • Handel mit Kindern • Tourismus • Internationale Kooperation. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 53 – Drucksache 18/12037 52 Im Rahmen des Schwerpunkts „Handel mit Kindern“ erarbeitet das BMFSFJ aktuell in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung (ECPAT Deutschland e. V.) und dem Bundesweiten Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e. V. (KOK) gemeinsam mit Expertinnen und Experten ein bundesweites Kooperationskonzept für die Verbesserung des Opferschutzes bei Menschenhandel mit Minderjährigen. Ziel ist es, adäquate Schutz- und umfassende Hilfsmaßnahmen für potenzielle und tatsächliche minderjährige Betroffene des Menschenhandels zu gewährleisten, unabhängig davon, um welchen Zweck und welche Form der Ausbeutung es sich handelt. Eine weitere wichtige Instanz in dem Bereich „Schutz vor sexualisierter Gewalt“ ist der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Ihm obliegt das Monitoring und die Unterstützung der Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches. Zu Artikel 11 – Datensammlung und Forschung Nach Artikel 11 verpflichten sich die Vertragsparteien, in regelmäßigen Abständen einschlägige genau aufgeschlüsselte statistische Daten über alle Formen von Gewalt gegen Frauen, deren Vorkommen, Ursachen und Folgen sowie die Wirksamkeit der zur Durchführung dieses Übereinkommens getroffenen Maßnahmen zu er - heben. Alle gesammelten Daten sollen für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Deutschland kommt diesen Verpflichtungen bereits nach. Das Statistische Bundesamt gibt für den justiziellen Bereich jährlich, zuletzt für das Jahr 2015 die „Strafverfolgungsstatistik“ (Fachserie 10 Reihe 3) heraus. Diese weist auf der Grundlage eines nationalen Straftatenverzeichnisses („Ausführliches Straftatenverzeichnis für die Statistiken der Strafrechtspflege“) die Straftatbestände im Einzelnen aus, die mit den Artikeln 33 ff. des Übereinkommens korrespondieren, soweit es sich um die verletzte Strafvorschrift handelt, die jeweils nach dem Gesetz mit der schwersten Strafe bedroht ist. Ergänzend dazu weist die ebenfalls von dem Statis - tischen Bundesamt jährlich, zuletzt für das Jahr 2015 herausgegebene „Staatsanwaltschaftsstatistik“ (StA-Statistik, Fachserie 10 Reihe 2.6) die von den Staatsanwaltschaften erledigten Ermittlungsverfahren nach einzelnen Sachgebieten (hier: „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ und „Vorsätzliche Körperverletzungen“) aus. Beide Statistiken sind gemäß Artikel 11 Absatz 4 des Übereinkommens „der Öffentlichkeit zugänglich“. Sie stehen unter www.destatis.de kostenlos zum Download zur Verfügung. Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) ist eine der wichtigsten Datenquellen zur Beschreibung und Analyse von Kriminalitätslagen. Sie wird jährlich publiziert und ist unter https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/ StatistikenLagebilder/PolizeilicheKriminalstatistik/ pks_node.html abrufbar. Als „Zusammenstellung aller der Polizei bekannt gewordenen strafrechtlichen Sachverhalte unter Beschränkung auf ihre wesentlichen Inhalte“ bildet sie eine wichtige Erkenntnisgrundlage für zahlreiche kriminologische und kriminalpolitisch relevante Fragestellungen. Das Tatbestandsmerkmal „Häusliche Gewalt“ wird dabei jedoch wegen einer fehlenden bundeseinheitlichen Defi - nition nicht gesondert erfasst und ausgewiesen. Im Zuge der allgemeinen Weiterentwicklung des Systems der PKS wurden aber mittlerweile drei sogenannte Folgekataloge zur Erweiterung der Opfererfassung eingeführt, sodass die Opfer-Tatverdächtigen-Beziehung seit einigen Jahren wesentlich differenzierter dargestellt werden kann. Gewalt in engen sozialen Beziehungen wird dabei in der Standardtabelle „Opfer-Tatverdächtigen-Beziehung/räumlich sozial“ abgebildet. Fälle „Häuslicher Gewalt“ werden inklusive opferbezogener Angaben  wie zum Beispiel Alkohol- und Drogeneinfluss, Medikamenteneinfluss, körperliche und geistige Behinderungen und Alter unter den deliktisch beziehungsweise phänomenologisch relevanten Straftatenschlüsseln der Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung und die persönliche Freiheit ausgewiesen. Zudem werden seit 2009 auch Straftaten gemäß § 4 GewSchG in der PKS ausgewiesen. Am 22. November 2016 hat das BKA erstmals die „Kriminalstatistische Lagedarstellung Partnerschaftsgewalt“ (Stand 2015) auf der Basis von PKS-Daten herausgegeben und veröffentlicht unter https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/ Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/ Partnerschaftsgewalt/Partnerschaftsgewalt_2015.html. Die Bundesregierung hat bereits im Jahr 2004 mit der Befragung von 10 000 Frauen für die erste repräsentative, international vergleichbare Studie zu Ausmaß, Hintergründen und Folgen von Gewalt gegen Frauen unter dem Titel „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“ und mit deren sekundäranalytischen Auswertungen zu „Gesundheit-Gewalt-Migration“ (2008) und zu „Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen“ (2009) umfängliches Datenmaterial erhoben. Die veröffentlichten Studien belegen, dass Frauen aller Bildungs- und Sozialschichten und ethnischer Zugehörigkeiten in einem hohen Ausmaß von geschlechtsspezifischen Gewaltformen betroffen sind: Rund 25 Prozent der Frauen im Alter von 16 bis 85 Jahren haben mindestens einmal in ihrem Leben körperliche und/oder sexuelle Gewalt durch Beziehungspartnerinnen und Beziehungspartner erlebt. Bei den körperlichen Übergriffen handelt es sich um ein breites Spektrum unterschiedlich schwerwiegender Gewalthandlungen. Die Übergriffe reichen von wütendem Wegschubsen und Ohrfeigen bis hin zum Schlagen mit Gegenständen, Verprügeln und Gewaltanwendungen mit Waffen. Die Angaben zu sexuellen Übergriffen beziehen sich auf eine enge Definition erzwungener sexueller Handlungen, die mit Nötigungshandlungen einhergehen. Zwei Drittel der von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen haben schwere oder sehr schwere körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlitten. Frauen sind demnach von häuslicher Gewalt mehr bedroht als durch andere Gewaltdelikte wie Körperverletzung mit Waffen, Wohnungseinbruch oder Raub durch fremde Täter. Zu den Risikofaktoren gehören neben Trennung oder Trennungsabsicht auch Gewalterfahrungen in der Kindheit und Jugend. Frauen werden keineswegs nur in sozialen Brennpunkten von ihrem männlichen Partner geschlagen, vergewaltigt, beschimpft oder gedemütigt, sondern häusliche Gewalt findet auch in mittleren und höheren Einkommens- und Bildungsschichten statt. Die Studien ergeben zudem deutliche Hinweise darauf, dass für Frauen mit Migrationshintergrund ein signifikant höheres Gewaltrisiko besteht. Dass Frauen und Mädchen mit Behinderungen in besonders hohem Maße gefährdet sind, Opfer von Gewalt und sexualisierter Gewalt zu werden, belegt die im Jahr 2011 im Auftrag der Bundesregierung abgeschlossene Studie Drucksache 18/12037 – 54 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 53 „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland“. Sie zeigt die Wechselwirkung zwischen Gewalt und gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Lebensverlauf auf. Nach den Ergebnissen dieser repräsentativen Befragung haben Frauen mit Behinderungen nicht nur ein höheres Risiko, Opfer von Gewalt zu werden; auch umgekehrt dürften (frühe) Gewalterfahrungen im Leben der Frauen maßgeblich zu späteren gesundheitlichen und psychischen Beeinträchtigungen und Behinderungen beigetragen haben: Mit 58 bis 75 Prozent haben fast doppelt so viele Frauen im Erwachsenenalter körperliche Gewalt erlebt als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt; von sexueller Gewalt im Erwachsenenleben waren die Frauen der Befragung etwa zwei- bis dreimal häufiger betroffen als der weibliche Bevölkerungsdurchschnitt. Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend tragen maßgeblich zu späteren gesundheitlichen und psychischen Belastungen im Lebensverlauf bei: Sexuelle Übergriffe in Kindheit und Jugend durch Erwachsene gaben 20 bis 34 Prozent der befragten Frauen an. Sie waren damit etwa zwei- bis dreimal häufiger davon betroffen als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt. Psychische Gewalt und psychisch verletzende Handlungen in Kindheit und Jugend durch Eltern haben etwa 50 bis 60 Prozent der befragten Frauen erlebt. Zur weiteren Verbesserung der Datenerhebung und der Steigerung der Kenntnisse über das Dunkelfeld hat die Bundesregierung eine Studie im Bereich Gewalt gegen Frauen erarbeiten lassen. Mit den Ergebnissen der Explorationsstudie zur Gewinnung von Daten und Indikatoren zu Gewalt in Paarbeziehungen und sexueller Gewalt gegen Frauen und Männer im Hinblick auf ein langfristiges Monitoring auf nationaler Ebene liegt ein Vorschlag für die Entwicklung eines bundesweiten und fundierten Instrumentariums vor. Mit diesem sollen Ausmaß, Formen und Folgen von Gewalt gegen Frauen und Männer sowie die Wirkungen der Anti-Gewalt-Politik bei Institutionen, Organisationen und Betroffenen in Bund und Ländern in Deutschland regelmäßig und langfristig abgebildet werden können. Das Monitoring soll Voraussetzung sein, um die Fachpolitik von Bund, Ländern und Unterstützungssystem im Bereich Gewalt gegen Frauen langfristig auf eine fundierte und systematische daten- und wissensgestützte Grundlage stellen zu können. Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren im Rahmen ihrer Gleichstellungspolitik als nachhaltiger Politik der fairen Chancen für Frauen und Männer im Lebensverlauf Männer und Jungen immer stärker in den Blick genommen und eine Reihe von Untersuchungen beauftragt, bei denen es um das Aufbrechen von Rollenstereotypen geht. Folgende Untersuchungen wurden durchgeführt: Zulehner, Volz, „Männer in Bewegung – Zehn Jahre Männerentwicklung in Deutschland“, 2009; Wippermann, Calmbach, Wippermann, „Rolle vorwärts, Rolle rückwärts – Identitäten und Verhalten von traditionellen, modernen und postmodernen Männern“, 2009; Cremers, Krabel, Calmbach, „Männliche Fachkräfte in Kindertagesstätten“, 2010; Wippermann, „Jungen und Männer im Spagat: Zwischen Rollenbildern und Alltagspraxis“, 2014; Wippermann, „25 Jahre Deutsche Einheit – Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit in Ostdeutschland und Westdeutschland“, 2015. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat am 6. Februar 2017 eine Studie präsentiert, in der erstmalig Zahlen über in Deutschland von weib - licher Genitalverstümmelung betroffenen und bedrohten Frauen und Mädchen anhand quantitativer und qualitativer Interviews  erhoben worden sind. Gegenstand der Untersuchungen war auch die Frage, welche Bedarfe zur Verhinderung von weiblicher Genitalverstümmelung in Deutschland bestehen. Die Studie zeigt unter anderem einen erhöhten Informationsbedarf von Flüchtlingen. Daher plant das Familienministerium derzeit ein Projekt zur Aufklärung in Flüchtlingsunterkünften. Deutschland unterstützt das European Institute for Gender Equality (EIGE) bei verschiedenen Projekten im Rahmen der Bemühungen der EU zur Entwicklung harmonisierter Indikatoren für das Aufkommen häuslicher Gewalt durch Entsendung von Vertreterinnen und Vertretern zu Seminaren und Workshops. Zudem ist Deutschland mit einer Mitarbeiterin des BKA in der „Eurostat Task Force on the Development of a Survey on Gender-based Violence“ vertreten. In der Vergangenheit wurde außerdem einschlägige Forschung zum Beispiel durch Beauftragung eines Projektes „Ehrenmorde in Deutschland“ (die Ergebnisse wurden 2011 veröffentlicht) durch das BKA gefördert. Die verschiedenen Forschungsergebnisse haben der Bundesregierung die entscheidenden Impulse und Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung ihrer Politik im Bereich Gesetzgebung, Prävention, Unterstützung und Intervention gegeben. Politik, Wissenschaft, Verwaltung und Praxis arbeiten mit den Studienergebnissen; die Daten werden für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt und werden kontinuierlich und mit steigendem Interesse aufgegriffen. Zu Kapitel III Prävention Zu Artikel 12 – Allgemeine Verpflichtungen Die Bestimmungen in Artikel 12 sind Grundlage für und etablieren die Grundsätze für die in den nachfolgenden Artikeln geregelten spezifischen Verpflichtungen der Vertragsparteien im Bereich der Prävention von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Artikel 12 Absatz 1 verpflichtet die Vertragsstaaten dazu, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um kulturell und historisch geprägte geschlechtsspezifische Rollenmuster, die ein Geschlecht – in der Regel das weibliche – als weniger wert ansehen, aufzubrechen. Für die Bundesregierung ist die Gleichstellung von Frauen und Männern die Voraussetzung dafür, das Land zukunftsfähig, erfolgreich und gerecht zu gestalten. Die Bundesregierung hat sich deshalb generell zum Ziel gesetzt, deutliche Fortschritte in der Gleichstellungspolitik zu erzielen. Heute gehen immer mehr Mütter mit kleinen Kindern ihrem Beruf nach, und immer mehr Männer möchten sich stärker am Familienleben beteiligen. Vorurteile, Bräuche und Traditionen, die auf der Vorstellung der Unterlegenheit der Frau beruhen, verlieren in Deutschland zunehmend an Wirkkraft. 60 Prozent aller Paare mit kleinen Kindern wünschen sich heute eine partnerschaftliche Arbeitsteilung, in der beide Eltern die Chance haben, sowohl für die Familie da zu sein als auch Aufstiegsmöglichkeiten im Beruf zu haben. Dass nur 14 Prozent dieses Modell auch leben können zeigt, dass es immer noch schwierig ist, diese Vorstellung tatsächlich umzusetzen. So haben Frauen im Durchschnitt 21 Prozent niedrigere Bruttostundenlöhne als Männer, sie finden sich Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 55 – Drucksache 18/12037 54 häufiger in unsicheren Arbeitsverhältnissen wie Minijobs, befristete Arbeitsverhältnisse oder ungewollte Teilzeiten wieder, und ihre Aufstiegsmöglichkeiten in eine Führungsposition sind ungleich geringer. Die langfristigen Auswirkungen zeigen sich vor allem, wenn Frauen ungewollt die Rolle als Familienernährerin übernehmen müssen oder im immer noch durchschnittlich geringeren Alterseinkommen von Frauen. Männer können zwar im Durchschnitt mehr Einkommen realisieren, müssen dafür in der Regel jedoch bestimmten normativen Anforderungen gerecht werden, wie zum Beispiel in bestimmten Branchen mit hoher Vergütung in Vollzeit arbeiten, auf längere Auszeiten oder Arbeitszeitreduzierungen und somit auf die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf verzichten. In den schlechter bezahlten Berufen der Sozialen Arbeit, in Gesundheitsberufen und in der Erziehung arbeiten sie selten. Ein zentrales Ziel moderner Gleichstellungspolitik ist es deshalb, eine partnerschaftliche Lebensweise von Frauen und Männern zu ermöglichen. Denn Partnerschaft auf Augenhöhe sorgt dafür, dass beide, Frau und Mann, arbeiten und damit den eigenen Lebensunterhalt sichern können, dass sie die Hausarbeit gerecht verteilen und beide sich um pflegebedürftige Angehörige und Kinder kümmern können. Die Bundesregierung legt daher in jeder Legislaturperiode einen Gleichstellungsbericht vor, dem ein Gutachten einer unabhängigen Sachverständigenkommission zugrunde liegt. In diesem Gutachten wird der Stand der Gleichstellung in Deutschland untersucht, und es werden Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung der Gleichstellung und der Gleichstellungspolitik in Deutschland gegeben. Der Zweite Gleichstellungsbericht wird zurzeit erstellt. In ihm wird zentral die Fragestellung behandelt, wie es Frauen und Männern ermöglicht werden kann, im Lebensverlauf jederzeit Erwerbsarbeit und private Sorgearbeit auszuüben. Einen aktuellen Überblick über den Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern auf der Bundes-, Landesund Kommunalebene in Deutschland bietet auch der „Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland“. Am 15. Februar 2017 hat das BMFSFJ den 3. Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland als Printpublikation und als digitaler Atlas veröffentlicht. Er wird mit Unterstützung der GFMK erstellt. Die in dieser Publikation enthaltenen Indikatoren zum politischen, wirtschaftlichen und sozialen Leben bieten mittels Karten und Grafiken Vergleichsdaten, auf deren Grundlage auch die Länder und Kommunen die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern verfolgen und die auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirken können. Nach Artikel 12 Absatz 2 haben die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maß - nahmen zu treffen, um alle in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt durch natürliche oder juristische Personen zu verhüten. Schutz vor Gewalt durch natürliche Personen wird durch die differenzierten Straftatbestände des deutschen StGB (siehe Ausführungen zu den Artikeln  33 bis 40) sowie durch die zivilrechtlichen Vorschriften insbesondere des GewSchG (siehe Ausführungen zu den Artikeln  52 und 53) gewährleistet. Mit den §§ 30, 130 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) besteht im deutschen Recht ein Instrumentarium, das im Hinblick auf juristische Personen den Anforderungen des Artikels 12 Absatz 2 genügt. Diese Vorschriften sehen eine bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen (und Personenvereinigungen) vor. § 30 OWiG gilt für alle Straftaten, die von einer Leitungsperson oder – im Falle einer Aufsichtspflichtverletzung der Leitungsperson über § 130 OWiG – einem sonstigen Mitarbeiter des Verbandes begangen werden. Die Geldbuße kann bis zu zehn Millionen Euro betragen, wobei dieses Höchstmaß überschritten werden kann, wenn dies zur Abschöpfung des aus der Tat gezogenen wirtschaftlichen Vorteils erforderlich ist (§ 30 Absatz 2 und 3, § 17 Absatz 4 OWiG). Ergänzt werden diese bußgeldrechtlichen Regelungen durch die gewerbe- und gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten, die Tätigkeit eines Unternehmens zu beschränken oder zu untersagen oder dessen Rechtsträger aufzulösen. Diese Sanktionsdrohung kann gegenüber juristischen Personen präventive Wirkung entfalten, so wie generell die differenzierten Strafdrohungen des deutschen Strafrechts, die Gewalthandlungen, insbesondere auch solche im Bereich der sexuellen Selbstbestimmung, gegenüber natürlichen Personen unter Strafe stellen (siehe Ausführungen zu den einzelnen in Kapitel V genannten Straftatbeständen). Damit steht ein umfassendes Sanktionsinstrumentarium zur Verhütung von Gewalt zur Verfügung. Mit dem zweiten Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen aus 2007 wurde zudem ein Gesamtprogramm aus 135 Maßnahmen, insbesondere auch im Bereich Prävention, umgesetzt. Prävention von Gewalt durch natürliche Personen wird zudem durch vielfältige Maßnahmen durch die Länder gewährleistet. Seit dem 26. März 2009 ist das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention – UN-BRK) geltendes Recht in Deutschland. Artikel 6 UN-BRK verpflichtet die Vertragsstaaten, Frauen und Mädchen mit Behinderungen den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten zu gewährleisten. Dabei geht es sowohl um das Treffen von geeigneten Maßnahmen zur Sicherung der vollen Entfaltung als auch um Maßnahmen zur Förderung und Stärkung der Autonomie von Frauen. Dazu fordert Artikel 16 UN-BRK die Vertragsstaaten auf, alle Menschen mit Behinderungen vor jeder Form von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte zu schützen. Im Nationalen Aktionsplan 2.0 der Bundesregierung zur UN-Behindertenrechtskonvention im Handlungsfeld „Frauen“ wurde neben verschiedenen anderen Maßnahmen zur Stärkung der Rechte und Interessenvertretung von Frauen auch als Maßnahme verankert, Bund-LänderGespräche zum Gewaltschutz von Menschen, insbesondere Frauen und Mädchen mit Behinderungen zu führen. Ziel ist eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation und Identifizierung etwaiger Handlungsbedarfe. Artikel 12 Absatz 3 knüpft an den in Artikel 4 Absatz 3 etablierten Nichtdiskriminierungsgrundsatz an. Im Erläuternden Bericht (Rn.  87) wird ausgeführt, welche Per - sonengruppen im Sinne des Übereinkommens als besonders schutzbedürftig anzusehen sind, auch weil sie sich auf Grund der besonderen Umstände weniger zu wehren wissen und somit eher ins Visier von Gewalttätern geraten: schwangere Frauen und Mütter von Kleinkindern, Menschen mit Behinderungen, in ländlichen oder abgeDrucksache 18/12037 – 56 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 55 schiedenen Gegenden lebende Personen, Konsumenten und Konsumentinnen toxischer Substanzen, Prostituierte, Angehörige einer ethnischen oder nationalen Minderheit, Migrantinnen und Migranten – insbesondere Migrantinnen und Migranten – sowie Flüchtlinge ohne Papiere beziehungsweise mit mangelnden Sprachkenntnissen, Homosexuelle, Bisexuelle oder Transsexuelle, sowie HIV-positive Personen, Obdachlose, Kinder und alte Menschen. Bereits die Aktionspläne I und II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen aus den Jahren 1999 und 2007 beinhalten eine Reihe von Präventionsmaßnahmen für diese Personengruppen sowie auch das Programm Frühe Hilfen des von der Bundesregierung geförderten Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH). Die Bundesregierung hat mit dem Aktionsplan aus dem Jahr 2011 zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung ein Gesamtkonzept zum Schutz von Kindern und Jugendlichen beschlossen. Die Ziele des Aktionsplans werden durch eine BundLänder-Arbeitsgruppe in einem begleitenden MonitoringVerfahren überprüft und weiterentwickelt. Die Bundesregierung verfolgt damit weiterhin und kontinuierlich das Ziel, den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung zu verbessern. Das mit der Einrichtung des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich" geschaffene Amt des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs wurde bis Ende März 2019 verlängert. Im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) wurde die besondere Situation von Frauen mit Behinderungen in vielen Bereichen berücksichtigt und Normen speziell für Mädchen und Frauen mit Behinderungen geschaffen. Darunter befinden sich Regelungen zur Frauenförderung, Gleichstellung, die Berücksichtigung von Bedürfnissen in allen Leistungsbereichen und bei den gemeinsamen Empfehlungen der Rehabilitationsträger, die Beteiligung der Interessenvertretungen der Frauen mit Behinderungen bei der Vorbereitung der Empfehlung zu Qualitätssicherung, ein Anspruch auf Übungen zur Stärkung des Selbstbewusstseins im Rahmen des Rehabilitationssports als ergänzende Leistung sowie die geschlechtsspezifische Berichterstattung. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts vom 19.  Juli  2016 (BGBl. I S. 1757) wurde das BGG novelliert. In diesem Zusammenhang wurden Frauen mit Behinderungen nochmals gestärkt, indem der Aspekt der Benachteiligung wegen mehrerer Gründe in § 2 BGG aufgenommen wurde. In der beruflichen Rehabilitation haben insbesondere Berufsbildungs- und Berufsförderungswerke verstärkt frauenfreundliche Maßnahmen ergriffen, wie zum Beispiel die Einrichtung von Appartements für Mütter mit Kindern. Grundsätzlich wird jedoch jede Rehabilitationsmaßnahme individuell verordnet. Im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes sollen in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen Frauenbeauftragte eingeführt werden. Denn Frauen mit Beeinträchtigungen, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe leben oder arbeiten, erfahren besonders häufig Gewalt. Zudem erleben sie geschlechtsspezifische Diskriminierungen, Grenzüberschreitungen und Strukturen, die Gewalt begünstigen (vgl. Studie der Universität Bielefeld, „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigung und Behinderungen in Deutschland“, 2013). Frauenbeauftragte können dem entgegenwirken, indem sie den Betroffenen als Ansprechpartnerinnen zur Ver - fügung stehen und sie dabei unterstützen, ihre Rechte selbst wahrzunehmen. Zu diesem Ergebnis kommt auch das von Weibernetz e. V. von Ende 2008 bis Mai 2011 durchgeführte Modellprojekt „Frauenbeauftragte in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Wohneinrichtungen“ sowie das Nachfolgeprojekt „Frauenbeauftragte in Einrichtungen: Eine Idee macht Schule“, das bis September 2016 vom BMFSFJ gefördert wurde. Es geht dabei ausdrücklich um Frauenbeauftragte, nicht um Gleichstellungsbeauftragte. Denn als Frauenbeauftragte haben die beauftragten Frauen zu den Ratsuchenden einen Zugang „auf gleicher Augenhöhe“ und können somit besser der Diskriminierung von Frauen in Einrichtungen im Sinne des „Peer-Support“ entgegenwirken. Durch die Vorbildfunktion der Frauenbeauftragten werden Frauen in Einrichtungen gestärkt und unterstützt, auch selbst für die Wahrung der Rechte und die Verwirklichung von Gleichberechtigung einzutreten. Aufgabe der Frauenbeauftragten ist die Vertretung der Interessen der Frauen mit Behinderungen gegenüber der Werkstattleitung insbesondere in den Bereichen: • Gleichstellung von Frauen und Männern, • Vereinbarkeit von Familie und Beschäftigung, • Schutz vor körperlicher, sexueller und psychischer Belästigung oder Gewalt. Um die gesetzliche Implementierung zu flankieren und die Erfahrungen aus den Projekten zu bündeln und in die Breite zu tragen, fördert das BMFSFJ seit Oktober 2016 für drei Jahre das Projekt „Bundes-Netzwerk für Frauenbeauftragte in Einrichtungen“. Ziel ist die Etablierung eines Netzwerkes als Selbstvertretungsorganisation und starke Stimme für Frauenbeauftragte in Einrichtungen in Deutschland. Nach Artikel 12 Absatz 4 sollen die Vertragsstaaten insbesondere Männer und Jungen ermutigen, sich an der Verhütung aller Formen von Gewalt zu beteiligen. Die Bundesregierung betrachtet bereits seit langem die Prävention von Gewalttaten als eine wichtige Aufgabe. Insbesondere was die Prävention von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt angeht, ist bei der Einbeziehung von Männern und Jungen die Frage tradierter Rollenbilder und deren Überwindung von überragender Bedeutung. Unter anderem deswegen hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer Gleichstellungspolitik als nachhaltiger Politik der fairen Chancen für Frauen und Männer im Lebensverlauf Männer und Jungen immer stärker in den Blick genommen und eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen, bei denen es um das Aufbrechen von Rollenstereotypen geht. 2009 wurde im BMFSFJ das Referat „Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer“ eingerichtet. Bereits seit 2005 fördert das BMFSFJ das Netzwerkprojekt „Neue Wege für Jungs“, das hilft, Vielfalt von Lebensentwürfen und neue Rollenmodelle für Jungen und Männer zu ermöglichen, zum Beispiel Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben und partnerschaftliche Lebensmodelle. In diesem Rahmen wurde 2011 der bundesweite Boys’ Day eingeführt, der Jungen und Männern neue Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 57 – Drucksache 18/12037 56 Berufsfelder, zum Beispiel im wachsenden Bereich der sozialen, erzieherischen und pflegerischen Berufe, eröffnet und sich in der Zwischenzeit neben dem Girls’ Day etabliert hat. Der 2011 einberufene Beirat Jungenpolitik war ein neu - artiges Instrument der Politikberatung, weil in ihm auch sechs männliche Jugendliche als Experten in eigener Sache Mitglied waren. Sein Bericht „Jungen und ihre Lebenswelten – Vielfalt als Chance und Herausforderung – Bericht des Beirats Jungenpolitik“ erschien 2013. Aufgrund der Anregungen des Beirates wurde das Projekt www.meintestgelaende.de ins Leben gerufen, in dem Jungen (und Mädchen) sich zu allen mit Gender verbundenen Fragen selbstbestimmt austauschen. Die Bundesinitiative „Mehr Männer in Kitas“ mit der Koordinationsstelle „Männer in Kitas“, dem Programm des Europäischen Sozialfonds (ESF) „MEHR Männer in Kitas“ und der Initiative Quereinstieg soll die Zahl männlicher Fachkräfte in Kindertagesstätten erhöhen (Anteil in Deutschland 2011: 3,5 Prozent; 2015: 4,7 Prozent). Darüber hinaus geht es um geschlechtersensible Pädagogik in Kindertagesstätten und die Erweiterung von Rollenbildern für Jungen und Mädchen. 2012 tagte ein Arbeitskreis „Geschlechtsspezifische Aspekte von Gewalt in Haushalten und Partnerschaften/im Fokus: Männer“, der sich dezidiert mit Fragen männlicher Gewaltausübung und Gewalterfahrung auseinandergesetzt hat. In der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e. V. haben sich Einrichtungen zusammengeschlossen, die mit Tätern und Opfern häuslicher Gewalt arbeiten, Opferschutz leisten und gewaltpräventiv wirken (vgl. Ausführungen zu Artikel 16). Nach Artikel  12 Absatz  5 sollen die Vertragsparteien sicherstellen, dass Kultur, Bräuche, Religion, Tradition oder die sogenannte „Ehre“ nicht als Rechtfertigung für in den Geltungsbereich des Übereinkommens fallende Gewalttaten angesehen werden. Diese Vorgabe wird im deutschen Recht umgesetzt. Der Bundesgerichtshof (BGH) betont, dass archaische Wertvorstellungen, die im Extremfall zum Beispiel sogenannte „Ehrenmorde“ für legitim erachten, grundsätzlich das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe nicht ausschließen können und auch sonst nicht für sich betrachtet strafmildernd zu berücksichtigen sind (vgl. Entscheidung des BGH vom 9. September 2010; Az.: 1 StR 376/10; BGH, NStZ  2006, 284; BGH, NStZ  2009, 689, vertieft m. w. N. Grünewald, NStZ 2010, 1 (3)). Vielmehr gelten auch hier die allgemeinen Regelungen, wonach ein schuldausschließender Verbotsirrtum nur dann in Betracht kommt, wenn dem Täter die Einsicht fehlte, Unrecht zu tun, und er diesen Irrtum auch nicht vermeiden konnte. Dies ist in den hier in Rede stehenden Fällen aber in der Regel gerade nicht der Fall. Zum einen können in einer fremden Rechtsordnung wurzelnde Verhaltensmuster, Vorstellungen und Anschauungen überhaupt nur dann als mildernde Umstände in Betracht kommen, wenn sie im Einklang mit der fremden Rechtsordnung stehen. Zu berücksichtigen ist zum anderen, dass eine auf fremder Kultur beruhende Anschauung nicht etwa als objektiver Wert in die Abwägung einzustellen ist; es muss hier vielmehr darum gehen, ob und in welchem Umfang gerade diesem Täter eine Befolgung der geltenden Rechtsgebote individuell erschwert war (Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 46 Rn. 43a). Damit ergibt sich, dass Kultur oder Gebräuche allenfalls als Straf- oder Schuldmilderungsgrund in Betracht kommen, nicht aber als Rechtfertigungsgrund (vgl. auch Ausführungen zu Artikel 42). Nach Artikel 12 Absatz 6 treffen die Vertragsstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um Programme und Aktivi - täten zur Stärkung der Rechte der Frauen zu fördern. Wie in den Erläuterungen zu Artikel 12 Absatz 1 angeführt, führen der Bund, die Länder und die Kommunen eine Vielzahl von Maßnahmen durch, die der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern dienen und die auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirken, wie dies auch das Grundgesetz in Artikel 3 Absatz 2 bestimmt. Zu diesen Maßnahmen zählen Gesetze wie beispielsweise das im Mai 2015 in Kraft getretene „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ inklusive dem Bundesgleichstellungs- (BGleiG) und Bundesgremienbesetzungsgesetz (BGremBG), der von der Bundesregierung am 11. Januar 2017 verabschiedete Gesetzentwurf zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen sowie das geplante Gesetz zum Rückkehrrecht von Teilzeit auf die vorherige Arbeitszeit und vielfältige untergesetzliche Maßnahmen für eine partnerschaftliche Aufteilung der Arbeit in Beruf, Familie und Pflege, zum besseren Schutz von Frauen vor Gewalt, Förderprogramme sowie Maßnahmen der Kommunikation, auf die im Einzelnen aufgrund ihrer Fülle an dieser Stelle nicht weiter eingegangen wird. Allgemein folgt das staatliche Handeln in Deutschland dem Prinzip des Gender-Mainstreaming. Demnach ist die Gleichstellung von Frauen und Männern durchgängiges Leitprinzip und soll grundsätzlich bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen gefördert werden (siehe Ausführungen zu Artikel 6). Zu Artikel 13 – Bewusstseinsbildung Durch die beiden Absätze dieses Artikels wird klargestellt, dass es unterschiedliche Zwecke von Maßnahmen der Bewusstseinsbildung gibt. Artikel 13 Absatz 1 verpflichtet die Vertragsstaaten, in der breiten Öffentlichkeit ein Bewusstsein über die Ursachen und Auswirkungen von Gewalt gegen Frauen zu schaffen. Dies kann auf vielfältige Weise geschehen. Dabei sind auch Maßnahmen einzubeziehen, die nur indirekt mit der Vorbeugung von Gewalt zu tun haben, wie die Durchführung von Maßnahmen, die das Erreichen einer wirklichen Gleichstellung von Frauen und Männern zum Ziel haben. Wie zu Artikel  12 dargelegt, führen Bund, Länder und Kommunen eine Vielzahl von Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung durch beziehungsweise fördern Projekte der Zivilgesellschaft und von Nichtregierungsorganisationen, um eine breite Bewusstseinsbildung zu erreichen. Artikel 13 Absatz 2 zielt auf spezifische Maßnahmen ab, die Angebote des Beratungs-, Hilfs- und Unterstützungssystems, aber auch rechtliche Möglichkeiten des Schutzes, wie zum Beispiel das GewSchG bekannt machen. Zum GewSchG geben BMJV und BMFSFJ gemeinsam seit mehreren Jahren die Informationsbroschüre „Mehr Schutz bei häuslicher Gewalt“ in mehreren Sprachen heraus, die auch online abgerufen werden kann. Im März 2013 wurde das bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen freigeschaltet (vgl. Ausführungen zu Drucksache 18/12037 – 58 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 57 Artikel 24). Nach dem Hilfetelefongesetz ist dieses Angebot deutschlandweit bekannt zu machen und bekannt zu halten. Dafür findet auf verschiedenen Ebenen eine vielfältige Öffentlichkeitsarbeit statt, die auf dieses kostenfreie und anonyme Hilfsangebot aufmerksam macht. In der Vergangenheit hat die Bundesregierung durch verschiedene Veranstaltungen, die Maßnahmen des Aktionsplans II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen waren, dazu beigetragen, eine breite Öffentlichkeit, aber insbesondere auch die Ärzteschaft, für die Thematik zu sensibilisieren. So wurden zum Beispiel die Gesundheitsberichterstattung des Robert KochInstituts zum Thema „Häusliche Gewalt“ in einem Themenheft aufgegriffen und auf Anregung des BMG von der Bundesärztekammer (BÄK) „Empfehlungen zum Umgang mit Patientinnen nach weiblicher Genitalverstümmelung für Ärztinnen und Ärzte“ erarbeitet. Ein weiteres Beispiel ist das vom BMG gemeinsam mit der World Health Organization (WHO) und der BÄK im Jahr 2008 in Bonn durchgeführte Symposium zum Thema „Gewalt macht krank – Herausforderung an das europäische Gesundheitswesen“. Seit 2005 besteht an der Berliner Charité das Präventionsprojekt Dunkelfeld „Kein Täter werden“, das seit 2008 vom BMJV finanziert wird. Ziel des Projektes ist es, pädophil oder hebephil veranlagten Männern therapeutische Maßnahmen anzubieten, um einem ersten oder einem wiederholten sexuellen Missbrauch von Kindern vorzubeugen. Das Projekt wird durch eine langjährige und umfassende Medienkampagne begleitet. Diese soll in erster Linie Betroffene ansprechen und motivieren, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie dient aber zugleich auch der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Thema des sexuellen Missbrauchs von Kindern. In den vergangenen Jahren ist das Präventionsprojekt erheblich erweitert worden. Zwischenzeitlich bestehen Therapieangebote für betroffene Männer an elf Standorten in Deutschland, die miteinander vernetzt sind. Künftig wird die Finanzierung der Therapieleistungen von dem Gesundheitssystem übernommen. In Deutschland gibt es das „Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK)“, das auf seiner Website www.polizei-beratung.de die Bevölkerung über Erscheinungsformen der Kriminalität (unter anderem „Häusliche Gewalt“ beziehungsweise „Gewalt im sozialen Nahbereich“) und die Möglichkeiten der Verhinderung sowie der Vorsorge aufklärt. Neben Informationen, was unter dem Begriff „Häusliche Gewalt“ zu verstehen ist, den verschiedenen Erscheinungsformen dieses Phänomens und deren Strafbarkeit, ist der Ablauf eines Strafverfahrens dokumentiert. Des Weiteren werden den Opfern, aber auch Zeugen und Zeuginnen von häuslicher Gewalt Verhaltensregeln und mögliche Beratungsstellen genannt, die Hilfe anbieten. Die von der Bundesregierung geförderten Vernetzungsstellen (siehe Ausführungen zu Artikel 7) gewährleisten die zentrale Bereitstellung von Informationen insbesondere durch eine stetig aktuelle Internetpräsenz, eine Präsenz auf Facebook, elektronische Newsletter an interessiertes Fachpublikum, umfangreiche Presseaktivitäten sowie die Bearbeitung von individuellen Anfragen. Zu den Aufgaben der Vernetzungsstellen gehören darüber hinaus die Sammlung, Bündelung und Zusammenfassung relevanter Informationen und Entwicklungen (aktuelle Gesetzgebung und Rechtsprechung, aktuelle Forschungsergebnisse, best practice Beispiele etc.). Die für die Bereitstellung des Unterstützungssystems zuständigen Länder machen ihre Angebote – auch mehrsprachig – durch vielfältige Faltblätter und Informationsbroschüren und Handreichungen, die auch online abzufragen sind, bekannt. Zu Artikel 14 – Bildung Nach Artikel 14 Absatz 1 treffen die Vertragsparteien die erforderlichen Maßnahmen, um altersgerechte Lernmittel zu Themen der Gleichstellung, gewaltfreien Konflikt - lösung, geschlechtsspezifischen Gewalt gegen Frauen in das offizielle Bildungssystem sowie in informelle Bildungsstätten wie Sport-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen aufzunehmen. Die Bundesregierung hält eine effektive Prävention zum Thema geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen so früh wie möglich für notwendig, und zwar in Bereichen, in denen eine Vielzahl von Kindern und auch Eltern erreicht werden können. Neben vorschulischen Angeboten sind die Bereiche Schule und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe von zentraler Bedeutung. Die Bundesregierung hat daher in ihrem „Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“ mit dem Schwerpunkt „Rechtzeitig an die Kinder denken – Prävention so früh wie möglich“ dieses Erfordernis mit verschiedenen Maßnahmen aufgegriffen. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Häusliche Gewalt hat Empfehlungen zur Prävention von häuslicher Gewalt im schulischen Bereich erarbeitet und diese mit „good practice“ Beispielen ergänzt. Eine in diesem Zusammenhang durchgeführte Abfrage zu den Aktivitäten der Länder, die grundsätzlich für die Ausgestaltung der Erziehungs- und Bildungssysteme zuständig sind, hatte zahlreiche gute Beispiele für die Prävention von häus - licher Gewalt im schulischen Bereich hervorgebracht. In verschiedenen Ländern wurden inzwischen Schulgesetze zur Verbesserung des Kinderschutzes auf den Weg gebracht und entsprechende Arbeitshilfen erarbeitet, von denen einige auch die Gefährdung von Kindern durch das Miterleben von häuslicher Gewalt aufgreifen. Die Länder verfolgen vielfältige Maßnahmen in diesem Bereich. So wurden zum Beispiel in Sachsen-Anhalt mit den Schulen Handlungsempfehlungen für Lehrerinnen und Lehrer, sowie pädagogisches Fachpersonal bei Gewalt gegen Kinder und Jugendliche entwickelt. Ein weiteres Beispiel sind die umfangreichen Maßnahmen in Niedersachsen, wo an rund 1 500 in Schulen beauftragte Beratungslehrkräfte tätig sind, die auf ihre Beratungs - tätigkeit im Rahmen einer 24-monatigen Weiterbildungsmaßnahme umfassend vorbereitet wurden. Neben Schulungen für Fachkräfte haben inzwischen mehrere Länder Materialien in Form von Flyern, Informationsbroschüren etc. entwickelt mit denen Kinder und Jugend - liche direkt angesprochen werden. Die Materialien sollen über häusliche Gewalt informieren und auf Anlaufstellen und Hilfeangebote für Heranwachsende aufmerksam machen. Nach Artikel  14 Absatz  2 treffen die Vertragsparteien die erforderlichen Maßnahmen, um die in Absatz 1 genannten Grundsätze in informellen Bildungsstätten sowie Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59 – Drucksache 18/12037 58 in Sport-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen und in den Medien zu fördern. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat die Auf - gabe, durch Maßnahmen der politischen Bildung Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das demokratische Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken. Neben Print-Publikationen, Veranstaltungen, Kongressen und Seminaren, Förderung anerkannter Träger der politischen Bildung informiert sie über das Online-Portal www.bpb.de. Geschlechtergerechtigkeit, Menschenrechte, Gewalt gegen Frauen oder der Weltfrauentag gehören zu den regel - mäßigen Themen der Bundeszentrale für politische Bildung. Dem Aufruf des „Aktionsplans II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“ folgend, Präventionsmaßnahmen und Hilfsangebote für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen zu verstärken und die bundesweite Vernetzung voranzutreiben, stellt der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) seit 2007 jährlich unter dem Motto „Gewalt gegen Frauen – nicht mit uns!“ eine Plattform zur Prävention dar und ruft bundesweit Sportvereine dazu auf, sich an der Aktion zu beteiligen, indem sie in Kooperation mit Fraueninitiativen und weiteren gesellschaftlichen Einrichtungen Sportkurse für Frauen und Mädchen in Selbstbehauptung und Selbstverteidigung – auch für Frauen und Mädchen mit Behinderungen – anbieten. Die teilnehmenden Sportverbände zeigen mit diesen Aktivitäten, dass sie bei der Prävention und Intervention von Gewalt gegen Frauen und Mädchen wirkungsvolle Hilfen anbieten können. Seit 2015 läuft die Aktion unter dem Titel „Starke Netze gegen Gewalt!“ und verdeutlicht damit den Ansatz, mit Partnern aus dem Sport, den bundesweiten Fraueninitiativen, mit der Politik und weiteren gesellschaftlichen Einrichtungen in engem Kontakt zusammenzuarbeiten. Die Bundesregierung unterstützt das Projekt „Lu Likes“, in Zusammenarbeit mit der Protestorganisation „Pinkstinks“, gegen Sexismus in den Medien, gegen Rollenstereotype und für vielfältige Geschlechteridentitäten; in kurzen Videoclips spricht hier die junge Youtuberin „Lu“ im Internet zur Zielgruppe Mädchen und junge Frauen. Zu Artikel 15 – Aus- und Fortbildung von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen Nach Artikel 15 müssen die Vertragsparteien für Berufsgruppen, die mit Opfern oder Tätern aller von dem Übereinkommen umfassten Gewalttaten zu tun haben, ein Angebot an geeigneten Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zur Verhütung und Aufdeckung solcher Gewalt, zur Gleichstellung von Frauen und Männern, zu den Bedürfnissen und Rechten der Opfer sowie zu Wegen zur Verhinderung der sekundären Viktimisierung schaffen oder ausbauen. Dabei wird auch die Einbeziehung von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zur koordinierten behördenübergreifenden Zusammenarbeit befürwortet. Dieser Vorgabe wird entsprochen. Die Deutsche Richterakademie ist eine von Bund und Ländern gemeinsam getragene Fortbildungseinrichtung zur überregionalen Fortbildung der Richterinnen und Richter aller Zweige der Gerichtsbarkeiten sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Das Fortbildungsprogramm umfasst jährlich ca. 150  mehrtägige Seminare. Dabei sind die Themen der Prävention und des Schutzes von Opfern häuslicher Gewalt, der Vernetzung und Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden mit den befassten öffentlichen Stellen und Verbänden ebenso fest im jährlichen Fortbildungsprogramm verankert, wie das Thema der Rechte der Opfer in der Strafrechtspflege. Darüber hinaus bieten die Länder Fortbildungsveranstaltungen für die Ange hörigen ihres Geschäftsbereichs in eigener Zuständigkeit an. Die rege Teilnahme belegt das große Interesse und Engagement der Justizpraktiker und -praktikerinnen. Fortbildungen für Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen zu dem Thema häusliche Gewalt mit Bezug zu den Schnittstellen Straf-, Sozial- und Familienrecht bietet unter anderem die Deutsche Anwaltakademie an. Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte erhalten grundsätzlich in ihrer Aus- und Fortbildung die notwendigen, an den Grund- und Menschenrechten sowie dem Polizeirecht und der StPO orientierten rechtlichen, fachtheore - tischen und verhaltensorientierten Grundlagen und Instrumente für ihr polizeiliches Handeln. Dabei stehen das Menschenbild der Verfassung, die Unantastbarkeit der Menschenwürde und das Bekenntnis zu den Menschenrechten im Mittelpunkt der Ausbildung. Die Ausbildungsmaßnahmen sind darauf ausgelegt, auch die ethischen Kompetenzen der angehenden Polizistinnen und Polizisten zu stärken und zu erweitern. Auch der Umgang mit sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt wird im Rahmen von Studium und Ausbildung in unterschiedlichsten Aspekten vermittelt. Die Bundespolizei behandelt zum Beispiel das Thema „Opferschutz“ im Zusammenhang mit der Anzeigenaufnahme, der Jugendsachbe - arbeitung und der Vernehmung. Allen Laufbahngruppen wird eine Grundbefähigung zur Opferansprache vermittelt. Im BKA gibt es praxisorientierte Lehrveranstaltungen zum Beispiel zum Thema „Vernehmungen besonderer Opfergruppen“, Lehrgänge zum Thema Mobbing, Diskriminierung und sexuelle Belästigung. In dem Speziallehrgang „Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung“ werden unter anderem „posttraumatische Belastungsstörungen in Opferzeugenvernehmungen“ behandelt. Für Zwecke der Fortbildung hat das BKA das Video „Opfer nach der Straftat – Erwartungen und Perspektiven“ erstellt, das zur Sensibilisierung beim Umgang mit Opfern von Straftaten beitragen soll. Ärztinnen und Ärzte sind oft die ersten Ansprechpartner von gewaltbetroffenen Frauen. Ihnen kommt daher eine Schlüsselrolle bei der Versorgung von Gewaltopfern zu. Sie behandeln nicht nur die akuten Verletzungsfolgen, sondern müssen vor allem auch Gewalt als Ursache von chronischen Gesundheitsproblemen erkennen und diese abhängig von ihren Ursachen wirksam behandeln können. Die Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) legt den Rahmen für die medizinische Ausbildung fest. Für die Durchführung der Ausbildung und die konkrete Ausgestaltung der Curricula sind wiederum die Länder zuständig. Die ÄApprO bietet mit dem Stoffgebiet „Grundlagen der Medizinischen Psychologie und der Medizinischen Soziologie“ (nach § 22 Absatz 1 Nummer IV. ÄApprO, Inhalt des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung) und mit den „Grundlagen und Grundkenntnissen der Bewertung von Einflüssen von Gesellschaft und Familie auf die Gesundheit“ (nach § 30 Absatz 3 Satz 2 Nummer 6 ÄApprO, Inhalt des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung) geeignete Ansatzpunkte, um die Themen „Verhütung und Drucksache 18/12037 – 60 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 59 Aufdeckung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“, „Gleichstellung von Frauen und Männern“ und „Bedürfnisse und Rechte der Opfer“ in der ärztlichen Ausbildung zu thematisieren. Damit gibt es im Bundesrecht adäquate Grundlagen, die es den für die Umsetzung der ÄApprO zuständigen Ländern ermöglichen, diese Themen in ihre Studienordnungen beziehungsweise Curricula aufzunehmen. Maßnahmen im Gesundheitsbereich gehören auch zu den Schwerpunkten des „Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“. Ziel ist es, das medizinische Personal im Umgang mit gewaltbetroffenen Patientinnen zu unterstützen und ihnen mehr Handlungssicherheit zu vermitteln. Wichtige Maßnahmen zur Etablierung eines Programms zur Gesundheitsintervention im Bereich der Krankenhäuser hat das BMFSFJ in Kooperation mit dem Berliner Verein Signal e. V. durchgeführt. Dazu gehören die Erstellung eines Praxishandbuchs für stationäre Einrichtungen zum Signal-Interventionsprogramm, die Entwicklung eines Fortbildungscurriculums sowie die Durchführung von darauf aufbauenden Seminaren für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gesundheitsversorgung, Psychotherapeuten und -therapeutinnen und Lehrende. In der Kinder- und Jugendhilfe besteht das Fachkräfte - gebot nach § 72 Absatz 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII). Danach sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei den Jugendämtern und Landesjugendämtern nur Personen beschäftigen, die sich – neben ausbildungsbezogenen Voraussetzungen – für die jeweilige Aufgabe nach ihrer Persönlichkeit eignen. Die Vorschrift verpflichtet direkt nur den Träger der öffentlichen Jugendhilfe, bestimmt aber auch die Praxis der Leistungserbringer, da sowohl im Rahmen der Förderung der freien Jugendhilfe (§ 74 Absatz 1 SGB VIII) und der Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe (§ 75 Absatz 1 SGB VIII) als auch bei der Kostenübernahme aufgrund einer Inanspruchnahme von Einrichtungen und Diensten im Einzelfall (§ 77 SGB VIII) von gleichwertigen fachlichen Standards ausgegangen wird (vgl. Wiesner in: Wiesner SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 72 Rn. 15). Durch das am 1. Januar 2012 in Kraft getretene Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) wurden in der Kinder- und Jugendhilfe darüber hinaus verbindliche Standards eingeführt. Eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung ist seitdem in allen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe Pflicht. Dabei geht es insbesondere auch um die Entwicklung, Anwendung und Überprüfung von Standards für die Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen und ihren Schutz vor Gewalt. Die Finanzierung freier Träger aus öffentlichen Mitteln ist an die Umsetzung von Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung geknüpft. Für Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger und sonstige Berufsgruppen, die Kontakt zu Kindern und Jugendlichen haben, hat das BKiSchG zudem für den Fall einer vermuteten Kindeswohlgefährdung eigene, spezifische Beratungsansprüche gegenüber dem Jugendamt geschaffen (Artikel 4 Absatz 2 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz [KKG], § 8b Absatz 1 SGB VIII). Die Beratungsleistung der insoweit erfahrenen Fachkraft soll darin unterstützen, gewichtige Anhaltspunkte für Kindeswohlgefährdungen zu erkennen, die Situation mit den Personensorgeberechtigten erörtern zu können und auf die Personensorgeberechtigten einwirken zu können, Hilfen in Anspruch zu nehmen. Es ist Aufgabe der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, im Rahmen ihrer Gesamtverantwortung dafür zu sorgen, dass in der jeweiligen Region ein Pool kompetenter Personen zur Verfügung steht. Des Weiteren tragen die drei durch die Bundesregierung geförderten bundesweiten Vernetzungsstellen Frauenhauskoordinierung e. V. (FHK), Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe e. V. (bff) und Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e. V. (KOK) (siehe zu Artikel  7) permanent durch Weiter - bildungsangebote zur Fortbildung zum Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen bei und sensibilisieren die Öffentlichkeit sowie relevante Berufsgruppen für das Thema. Zu  Artikel  16  –  Vorbeugende  Interventions-  und  Behandlungsprogramme Nach Artikel 16 müssen die Vertragsparteien sicherstellen, dass geeignete Unterstützungs- und Behandlungsprogramme zur Verfügung stehen, die darauf abzielen, dass Täter und Täterinnen lernen, gewaltfrei zu leben. Gleichzeitig sollen Behandlungsprogramme eingerichtet werden, die verhindern, dass Täter und Täterinnen, insbesondere Sexualstraftäter und -innen, erneut Straftaten begehen. Dabei stellen die Vertragsparteien sicher, dass diese Programme in enger Abstimmung mit spezialisierten Hilfsdiensten erarbeitet und umgesetzt werden. Täterarbeit im Bereich häuslicher Gewalt ist ein – deutschlandweit betrachtet – noch relativ junges Arbeitsfeld. Unter anderem durch das am 1. März 2013 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Täterverantwortung erhält Täterarbeit eine immer größere Bedeutung. Das Gesetz soll Gewalttäter verstärkt in die Verantwortung nehmen und zur Teilnahme an qualifizierten Täterprogrammen (sozialen Trainingskursen) bewegen. Diese sollen Verhaltens- und Wahrnehmungsänderungen auf Täterseite bewirken und die Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und Selbstkontrolle – insbesondere bei häuslicher Gewalt – vermitteln. Hiernach dürfen zum Beispiel bei justiziellen Weisungen Täterkurse bis zu einem Jahr dauern. Zudem dürfen die Daten des Beschuldigten an die Stelle weitergegeben werden, die den Trainingskurs durchführt. Studien zeigen, dass Täterarbeit insbesondere dann Effekte zeigt, wenn sie in ein Kooperationsbündnis verschiedener Akteure (Polizei, Justiz, Frauenunterstützungssystem, Jugendamt etc.) eingebettet ist. Für das BMFSFJ sind Kooperation und Vernetzung Leitmotive bei der Politik zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. In der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Häusliche Gewalt (siehe auch Erläuterungen zu Artikel 10) ist daher auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häus - liche Gewalt e. V. (BAG TäHG) Mitglied. Die BAG TäHG ist ein interinstitutioneller, interkultureller Dachverband für Täterarbeitseinrichtungen häuslicher Gewalt in Deutschland. Ihre Mitglieder sind Einrichtungen, die mit Tätern und Opfern häuslicher Gewalt arbeiten, Opferschutz leisten und gewaltpräventiv wirken. Diese arbeiten in inter - institutionellen Kooperationsbündnissen gegen häusliche Gewalt mit Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichten, Opferschutzeinrichtungen, Bewährungshilfe, Jugendämtern und Beratungsstellen zusammen. Die Mitgliederorganisationen haben sich dem Standard zur Täterarbeit HG der Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 61 – Drucksache 18/12037 60 BAG verpflichtet. An der Erarbeitung dieses Standards waren auch Stellen des Frauenunterstützungssystems aktiv beteiligt. Das BMFSFJ ist bestrebt, die Kooperation von Täterarbeit im Bereich der häuslichen Gewalt und den Einrichtungen des Frauenunterstützungssystems zu unterstützen. So wurden bereits drei Konferenzen finanziell gefördert, die die Kooperation dieser beiden Bereiche unterstützt. Das BMFSFJ fördert immer wieder Projekte der BAG TäHG mit dem Ziel, bundesweit die Angleichung der Qualitätsstandards der Täterarbeit zu befördern, beispielsweise durch die Entwicklung und Implementierung eines Verfahrens zu Eingangsdiagnostik, Dokumentation und Ausgangserhebungen, nach dem – soweit möglich – mittelfristig viele Täterarbeitseinrichtungen arbeiten sollen. Ein weiterer wichtiger Baustein, um einen möglichst bundesweiten Standard bei der Täterarbeit zu erreichen, ist eine Umsetzung der Zertifizierung der Einrichtungen durch die BAG TäHG, um so eine Qualitätssicherung in der Täterarbeit zu etablieren. Ein Behandlungsprogramm, das darauf abzielt zu ver - hindern, dass Pädophile Straftaten begehen, ist zum Beispiel das Präventionsprojekt Dunkelfeld „Kein Täter werden", das im Jahr 2005 an der Berliner Charité eingerichtet wurde und inzwischen deutschlandweit an elf Standorten besteht. Ziel des Projekts ist es, pädophil und hebephil veranlagten Männern therapeutische Maßnahmen anzubieten, um einem ersten oder einem wiederholten sexuellen Missbrauch von Kindern vorzubeugen. Die Betroffenen sollen mit Hilfe der Therapie befähigt werden, mit ihrer Neigung verantwortungsvoll umzugehen, das heißt diese Neigung nicht auszuleben. Das Präventionsprojekt an der Charité wird seit 2008 vom BMJV finanziert. Künftig wird die Finanzierung der Therapiekosten durch das Gesundheitssystem übernommen. Zwischenzeitlich hat sich in Deutschland eine Vielzahl von Einrichtungen etabliert, die Täterarbeit anbieten und von einzelnen Ländern sowie von Kommunen gefördert werden. Zu Artikel 17 – Beteiligung des privaten Sektors und der Medien Nach Artikel 17 Absatz 1 sollen die Vertragsparteien die Medien und die Informations- und Kommunikationstechnologie-Branche dazu ermutigen, an der Ausarbeitung von Maßnahmen und Normen der Selbstregulierung zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen mitzuwirken. In Deutschland besteht neben gesetzlichen Regelungen zur Regulierung von Werbung bereits ein System der Selbstkontrolle, zu dem neben dem Deutschen Werberat auch der Deutsche Presserat, die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft und die Freiwillige Selbstkontrolle Multimediadiensteanbieter gehören. So kann der Deutsche Werberat als Organ der Selbstkontrolle der Deutschen Werbewirtschaft bei rechtlich zulässiger, aber aus Sicht der Verbraucher die Regeln von Anstand und Moral verletzender kommerzieller Kommunikation zur Konfliktregelung mit den Instrumenten der Beanstandung und der öffentlichen Rüge eingreifen. Hierbei geht es um Sachverhalte, die nicht oder nur schwierig justiziabel sind, wie beispielsweise Werbung mit herabwürdigendem oder diskriminierendem Inhalt. Hierzu hat der Deutsche Werberat Verhaltensregeln zu verschiedenen Themenkomplexen erarbeitet. So darf nach den Verhaltensregeln des Deutschen Werberats gegen Herabwürdigung und Diskriminierung von Personen Werbung keine Gewalt oder die Verharmlosung von Gewalt gegenüber Personen enthalten beziehungsweise Gewalt oder Dominanzgebaren als akzeptabel erscheinen lassen. Träger des Deutschen Werberats sind die im Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) zusammengeschlossenen Organisationen der werbenden Wirtschaft, des Handels, der Medien, der Agenturen, der Forschung sowie der Werbeberufe. Damit wird der Deutsche Werberat von relevanten Wirtschaftszweigen der Werbung in Deutschland getragen. Er agiert unabhängig von staatlicher Aufsicht als reines Selbstkontrollorgan der Werbewirtschaft. Seine Aufgabe ist es, durch geeignete Maßnahmen die Werbung im Hinblick auf Inhalt, Aussage und Gestaltung weiterzuentwickeln, verantwortungsbewusstes Handeln zu fördern, Missstände im Werbewesen festzustellen und zu beseitigen sowie als ständiges Anspracheorgan für Verbraucher bezogene Werbeprobleme zur Verfügung zu stehen. Diese Elemente greifen ineinander: Eine an der Lebensrealität orientierte Rechtsordnung und die eigenverantwortliche Selbstregulierung der Werbebranche schützt die Gesellschaft vor Missständen in der kommerziellen Kommunikation und gleichzeitig vor unverhältnismäßigen Eingriffen des Staates in den werbenden Wettbewerb der Unternehmen. Nach Artikel 17 Absatz 2 sollen die Vertragsparteien in Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor bei Kindern, Eltern, Erzieherinnen und Erziehern Fähigkeiten für den Umgang mit den Medien und der Informations- und Kommunikationstechnologie-Branche entwickeln und fördern. Zur Förderung der Medienkompetenz bei Kindern und der Medienerziehungskompetenz bei Eltern und pädago - gischen Fachkräften sowie zur Umsetzung des Jugendmedienschutzes im Internet arbeitet die Bundesregierung in mehreren Vorhaben mit Akteuren des privaten Sektors zusammen. Die Initiative „Schau Hin! Was dein Kind macht.“ des BMFSFJ mit dem Ersten Deutschen Fernsehen (ARD), dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) und TV-Spielfilm informiert Eltern von Kindern bis 13 Jahre über Medienerziehung in der Familie. Zur Verbesserung der Zusammenarbeit und Strategieentwicklung hinsichtlich Prävention und Intervention bei der Konfrontation mit jugendgefährdenden Inhalten hat die Bundesregierung 2012 ein „I-KiZ – Zentrum für Kinderschutz im Internet“ als Projekt errichtet und hieran in Fachkommissionen Akteure des privaten Sektors beteiligt. Das Projekt endet mit Ablauf des Jahres 2016. Die Bundesregierung wird das mit dem „I-KiZ – Zentrum für Kinderschutz im Internet“ geschaffene bundesweite Forum für Kinder- und Jugendschutz in der digitalen Welt in geeigneter Weise unter Beteiligung von Akteuren des privaten Sektors weiterführen. Nichtregierungsorganisationen in Deutschland wirken vielfach unterstützend an der Ausarbeitung und Durchführung von Maßnahmen zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen mit. Drucksache 18/12037 – 62 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 61 Zu Kapitel IV Schutz und Unterstützung Zu Artikel 18 – Allgemeine Verpflichtungen Artikel 18 benennt allgemeine Grundsätze, die auf die spezifischen Verpflichtungen der nachfolgenden Artikel durchwirken. In Artikel 18 Absatz 1 wird als allgemeine Verpflichtung die Verabschiedung von gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen zum Schutz aller Opfer von Gewalt aufgeführt. Die Verpflichtungen zum Opferschutz sind durch zahlreiche Gesetze und Maßnahmen bereits umgesetzt. Speziell zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt gibt es eine Reihe von Straftatbeständen (siehe Ausführungen zu Artikel 5). Der strafrechtliche Schutz vor sexueller Gewalt ist dabei zuletzt mit dem 50. Strafrechtsänderungsgesetz – Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung, das am 10. November 2016 in Kraft trat, deutlich ausgebaut worden. Mit dem Gesetz hat das Sexualstrafrecht eine grundlegende Neuausrichtung erfahren. Mit ihr wird insbesondere sichergestellt, dass jede sexuelle Handlung gegen den erkennbaren Willen des Opfers strafrechtlich erfasst wird (sogenannte „Nein heißt Nein“- Lösung). Daneben sind insbesondere auch solche sexuellen Handlungen unter Strafe gestellt, die an einer Person vorgenommen werden, die sich entweder gar nicht erklären kann (zum Beispiel weil der Täter den Umstand ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern) oder bei der eine erteilte Zustimmung aufgrund bestimmter Umstände nicht tragfähig ist (zum Beispiel weil das Opfer bedroht wird). Darüber hinaus wurden ein Straftatbestand der sexuellen Belästigung und ein Straftatbestand aufgenommen, mit dem die Begehung von Straftaten aus Gruppen kriminalisiert wird. Ein weiteres Gesetz, das Regelungen zum Schutz von Gewaltopfern enthält, ist das GewSchG. Von Gewalt betroffene oder bedrohte Personen können danach zu ihrem Schutz Gewaltschutzanordnungen gegen den Täter beantragen, die unter anderem Kontakt-, Näherungs- und Betretensverbote enthalten können. In Fällen eines gemeinsamen Haushalts kann das Opfer die Zuweisung der gemeinsamen Wohnung oder Ehewohnung zur alleinigen Nutzung erwirken. Dies wird flankiert durch eine Strafbewehrung der Gewaltschutzanordnung sowie weitere Instrumente wie zum Beispiel Platzverweise auf der Basis von Landespolizeigesetzen. Weitere Opferrechte enthalten die StPO und das AufenthG. Bezüglich der gesetzlichen Maßnahmen wird auf die weitergehenden Ausführungen in Kapitel V „Materielles Recht“, Kapitel VI „Ermittlungen, Strafverfolgung, Verfahrensrecht und Schutzmaßnahmen“ sowie Kapitel VII „Migration und Asyl“ hingewiesen. Das in Deutschland flächendeckend etablierte Schutzund Unterstützungssystem für Opfer von Gewalt gegen Frauen, einschließlich häuslicher Gewalt, komplementiert das gesetzliche Schutzsystem. Ausführungen zum Schutz- und Unterstützungssystem finden sich in den weiteren Artikeln dieses Kapitels (siehe insbesondere Ausführungen in den Artikeln 20, 22, 23 und 25). Zur Gewährleistung eines wirksamen Schutzes und effektiver Hilfe für geflüchtete Frauen, Kinder und weitere besonders schutzbedürftige Personen in deutschen Flüchtlingsunterkünften und darüber hinaus setzt die Bundesregierung ein Schutzkonzept um, das insbesondere die folgenden Maßnahmen umfasst: • Ein Sonderprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), das seit März 2016 Kommunen mit zins - losen Krediten bei der Finanzierung von baulichen Schutzmaßnahmen in Flüchtlingsunterkünften unterstützt. Insgesamt stehen 200 Millionen Euro für Maßnahmen dieser Art zur Verfügung, die von Städten und Kommunen bis zum 31. Dezember 2017 beantragt werden können. • Eine Initiative vom BMFSFJ und dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) gemeinsam mit weiteren Partnern zum Schutz von Kindern und Frauen in Flüchtlingsunterkünften, in deren Rahmen „Mindeststandards zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen in Flüchtlingsunterkünften“ erarbeitet und veröffentlicht wurden. Bis Ende 2017 werden im Rahmen der Initiative in 100 Unterkünften für Geflüchtete Gewaltschutzkoordinatorinnen und -koordinatoren beschäftigt sein, die die Unterkünfte bei der Ausarbeitung und Umsetzung von konkreten Schutzkonzepten auf der Basis der Mindeststandards unterstützen. • Aufklärungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen, um geflüchtete Frauen und Mädchen über ihre Rechte sowie die in Deutschland bestehenden Beratungs- und Schutzangebote zu informieren. Einen großen Beitrag leisten hierzu das bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen, das kostenlos, barrierefrei und rund um die Uhr Beratung in 17 Sprachen anbietet, sowie die bundesweiten Koordinierungsstellen gegen Gewalt gegen Frauen und Menschenhandel. • Darüber hinaus beraten die Bundesregierung und die Länder einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf zum Schutz von Frauen und Kindern in Flüchtlingsunterkünften. Hinsichtlich des Schutzes von Kindern, die Opfer häus - licher Gewalt geworden sind, ist die Umsetzung der Verpflichtung aus Artikel 18 Absatz 1 und Absatz 3 insbesondere durch folgende Regelungen sichergestellt: § 8a SGB VIII regelt einen umfassenden Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung, der gleichermaßen für öffentliche wie für freie Träger der Jugendhilfe gilt. Mit diesem Schutzauftrag wird das in Artikel 6 Absatz 3 GG verankerte staatliche Wächteramt – die Verpflichtung des Staates, darüber zu wachen, dass die Eltern ihr verfassungsrechtlich garantiertes Erziehungsrecht zum Wohl des Kindes ausüben – konkretisiert. Ist dieses Wohl gefährdet, müssen die Eltern unterstützt, gegebenenfalls muss aber auch in ihr Recht eingegriffen werden. §  8a SGB  VIII stellt sicher, dass sowohl die Jugendämter als auch die freien Träger der Jugendhilfe die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Kinder und Jugendlichen treffen. Absatz 1 der Vorschrift verpflichtet das Jugendamt, bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Gefährdung des Wohles eines Kindes oder eines Jugendlichen das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mit mehreren Fachkräften – unter Einbeziehung des Erziehungsberechtigten und des Kindes oder Jugendlichen – einzuschätzen und für die Abwendung der Gefährdung geeignete und notwendige Hilfen anzubieten. Darüber hinaus verpflichtet Absatz 2 der Vorschrift das Jugendamt, das Familiengericht anzurufen, wenn dessen Entscheidung erforderlich ist oder wenn die Erziehungsberechtigten nicht bereit oder nicht in der Lage sind, bei der Abschätzung des GeDeutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 63 – Drucksache 18/12037 62 fährdungsrisikos mitzuwirken. Kann bei einer dringenden Gefahr die Entscheidung des Familiengerichts nicht abgewartet werden, ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind oder den Jugendlichen in Obhut zu nehmen. Jugendämter sind darüber hinaus gemäß § 42 Absatz 1 Nummer 1 SGB VIII verpflichtet, Kinder und Jugendliche in Obhut zu nehmen, wenn diese um Obhut bitten. Sie müssen mit ihnen die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzeigen. Zudem kann in bestimmten Krisensituationen bereits während des Prozesses der Abschätzung der Gefährdungssituation der Schutz des Kindes oder Jugendlichen notwendig sein. Sofern in diesen besonders gelagerten akuten Gefährdungssituationen keine anderen Möglichkeiten bestehen, ist es Aufgabe des Jugendamtes, das Kind oder den Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen (§ 42 Absatz 1 und 3 SGB VIII). Nach § 72a Absatz 1 Satz 1 SGB VIII dürfen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Wahrnehmung der Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe keine Person beschäftigen oder vermitteln, die rechtskräftig wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt worden ist. Zu diesem Zweck sollen die öffentlichen Träger sich bei der Einstellung oder Vermittlung und in regelmäßigen Abständen von den betroffenen Personen ein erweitertes Führungszeugnis nach §  30 Absatz  5 und § 30a Absatz  1 des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) vorlegen lassen. Durch Vereinbarungen mit den Trägern der freien Jugendhilfe sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sicherstellen, dass diese ebenfalls keine nach § 72a Absatz 1 Satz 1 SGB VIII einschlägig vorbelastete Person beschäftigen (§  72a Absatz  2 SGB VIII). Durch das BKiSchG wurde das Erfordernis der Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses auch auf ehrenoder nebenamtlich in der Kinder- und Jugendhilfe tätige Personen ausgeweitet, sofern durch Art, Intensität und Umfang der ehrenamtlichen Tätigkeit von den betroffenen Personen ein Vertrauensverhältnis zu Kindern und Jugendlichen aufgebaut werden kann (vgl. § 72a Absatz 3 und 4 SGB VIII). Artikel  18 Absatz  2 verpflichtet die Vertragsparteien sicherzustellen, dass es geeignete Mechanismen für eine wirksame Zusammenarbeit zwischen allen einschlägigen staatlichen Stellen, einschließlich der Justiz, Staats - anwaltschaften, Strafverfolgungsbehörden, lokalen und regionalen Behörden, nichtstaatlichen Organisationen und sonstigen einschlägigen Organisationen und Stellen beim Schutz und der Unterstützung von Opfern und Zeuginnen und Zeugen aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt gibt. Dies kann auch durch die Verweisung an allgemeine und spezialisierte Hilfsdienste, wie sie in den Artikeln  20 und 22 beschrieben werden, geschehen. Es wird insoweit zunächst auf die Ausführungen zu Artikel 7 verwiesen. Damit Opferhilfe wirkungsvoll vermittelt werden kann, halten die Länder, die für die Einrichtung und Aufrecht - erhaltung der Infrastruktur allgemeiner sozialer Dienste zuständig sind, zahlreiche Netzwerke vor, die Bera - tungs-, Betreuungs- und Hilfsangebote für einen wirk - samen Schutz von Opfern bieten. So gibt es in Deutschland mittlerweile ca. 160  Interventionsstellen, die eine verbindliche Zusammenarbeit aller vor Ort beteiligten Institutionen und Hilfseinrichtungen im Bereich häusliche Gewalt gegen Frauen organisieren. Als Interventionsstellen werden Beratungsstellen bezeichnet, die nach einem Polizeieinsatz wegen häuslicher Gewalt pro-aktiv beraten. Diesem Auftrag entsprechend beraten Interventionsstellen Frauen und zum Teil auch von häuslicher Gewalt betroffene Männer und vermitteln diese an Beratungsstellen für eine längerfristige Unterstützung und Begleitung beziehungsweise an Frauenhäuser bei besonderem Unterstützungs- und Schutzbedarf weiter. Im Mittelpunkt der Beratung steht der Schutz vor weiterer Gewalt; die Mitarbeiterinnen der Interventionsstellen leisten dazu psychosoziale Beratung und informieren über rechtlichen Schutz wie etwa nach dem GewSchG oder zu polizeilichen Schutzmöglichkeiten. In einigen Interventionsstellen werden auch mitbetroffene Kinder besonders unterstützt. Bezüglich weiterer Ausführungen zur Weitervermittlung an allgemeine und spezialisierte Hilfsdienste wird auf die Artikel 20 und 22 verwiesen. Im Bereich des operativen Opferschutzes gibt es zudem neue Formen der Zusammenarbeit von Bund und Ländern, um die Sicherheit von Opfern von Menschenhandel, Zwangsverheiratung und anderer Gewalt vor allem im sozialen Nahraum besser zu gewährleisten. Außerdem bemühen sich die Polizeien von Bund und Ländern, das Management von Hochrisikofällen häuslicher Gewalt und von Stalking besser zu koordinieren. Hierzu gehört zum Beispiel eine verbesserte Zusammenarbeit mit öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen. In Artikel  18 Absatz  3 werden bestimmte Ziele und Kriterien genannt, denen die Schutz- und Hilfsdienste gerecht werden sollen. Das in Deutschland bestehende Opfer hilfesystem erfüllt die Anforderungen. Die bestehenden Beratungs- und Hilfsangebote beraten im Rahmen ihres jeweiligen Arbeitsfeldes beziehungsweise ihrer Zielgruppenbeschreibung alle Opfer mit Gewalter - fahrungen unabhängig von ihrem Alter, ihrem Bildungsgrad, ihrer sexuellen Orientierung, ihrem sozialen Status oder ihrer kulturellen Herkunft sowie unabhängig vom Zeitpunkt und von der Art der erlebten Gewalt. Die Beratungsarbeit orientiert sich dabei an den Bedürfnissen des jeweiligen Opfers. Auch Angehörige und das soziale Umfeld des Opfers können sich beraten lassen. In der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Häusliche Gewalt wurden unter anderem in Zusammenarbeit mit Nicht - regierungsorganisationen, die in Deutschland den hauptsächlichen Teil der ambulanten Beratung und Hilfestellung für weibliche Opfer von Gewalt leisten, Handlungsempfehlungen zum Beispiel zum GewSchG, für verschiedene betroffene Berufsgruppen erarbeitet, die zu einer bedarfsgerechten Umsetzung im Interesse der betroffenen Opfer beitragen. Hinsichtlich der besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern wird auf die dazu in Artikel 18 Absatz 1 enthaltenen Ausführungen hingewiesen. Um die Arbeit der Fachberatungsstellen, die zum Thema sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend arbeiten, zu stärken und zu unterstützen, wurde eine Koordinierungsstelle auf Bundesebene eingerichtet. Ziel ist es, die Versorgungssituation für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, zu verbessern. Drucksache 18/12037 – 64 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 63 Artikel 18 Absatz 4 bestimmt, dass die Bereitstellung von Diensten nicht von der Bereitschaft des Opfers abhängen darf, Anzeige zu erstatten oder gegen den Täter beziehungsweise die Täterin auszusagen. In Deutschland können sich Opfer unabhängig von dieser Bereitschaft an Opferhilfeeinrichtungen wenden und von diesen Unterstützung erhalten. In der Regel bieten Opferhilfeeinrichtungen auf Wunsch eine anonyme Beratung an. Artikel 18 Absatz 5 trägt der Möglichkeit Rechnung, dass sich Opfer von Gewalt im Sinne des Übereinkommens außerhalb des Landes aufhalten, dessen Staatsange - hörigkeit sie besitzen und daher „konsularischen und sonstigen Schutz sowie Unterstützung“ benötigen. Der konsularische Schutz deutscher Opfer im Ausland, insbesondere zur Behebung einer Notlage, wird nach Maßgabe des Konsulargesetzes sichergestellt. Die deutschen Auslandsvertretungen leisten dabei unter Beachtung des Grundsatzes der Nachrangigkeit (Subsidiarität) im Rahmen des nach § 5 Konsulargesetz vorgegebenen pflichtgemäßen Ermessens Hilfe an in Not geratene deutsche Staatsangehörige und ihre Familienmitglieder, die von der Betreuung vor Ort über Krankenhilfe bis hin zur Heimführung nach Deutschland reichen kann. Dies gilt auch für Opfer, die Angehörige eines EU-Mitgliedstaats (Unionsbürger) sind, der in einem Drittstaat nicht vertreten ist. Dieses Schutzprinzip ist Ausdruck europäischer Solidarität. Etwaige Zahlungen dienen der Erfüllung der gesetz - lichen Aufgaben aus dem Konsulargesetz. Die Hilfeleistung ist grundsätzlich rückzahlungspflichtig. Zur Hilfe nach dem Konsulargesetz zählt auch die Unterstützung im Falle von Arrest oder Inhaftierung oder die Ausstellung neuer Ausweispapiere. Zu Artikel 19 – Informationen Nach Artikel 19 sollen Opfer angemessen und rechtzeitig über verfügbare Hilfsdienste und rechtliche Maßnahmen in einer ihnen verständlichen Sprache informiert werden. Dem wird auf vielfältige Weise Rechnung getragen. Die Bundesregierung gibt beispielsweise eine Informationsbroschüre „Hilfe für Opfer von Gewalt“ heraus, die regelmäßig aktualisiert wird. Auch die Länder stellen umfangreiche Informationen über das OEG zur Verfügung, insbesondere auch im Rahmen der Aufnahme von Anzeigen bei der Polizei. Daneben leisten die Länder Öffentlichkeitsarbeit, indem sie zum Beispiel im Internet gegen Gewalt gegen Frauen informieren mit dem Ziel, Frauen bei der Suche nach einer passenden Anlaufstelle behilflich zu sein. Bund und Länder haben darüber hinaus ein gemein - sames Opfermerkblatt entwickelt, das in einer verständlichen Sprache über die wesentlichen Informationsrechte der Verletzten (vgl. §§ 406i bis 406k StPO) und Schutz - möglichkeiten informiert. Dieses ist in 22  Sprachen erhältlich und auf der Homepage des BMJV unter www.bmjv.de/opferschutz abrufbar. Der Bund hat ein bundesweites Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen eingerichtet, das Information, Erstberatung und Weitervermittlung in das Frauenunterstützungssystem anbietet. Detaillierte Ausführungen hierzu enthält Artikel 24. Im Rahmen der unter Artikel 18 aufgeführten Beratungsarbeit der Interventionsstellen ist die Information des Opfers über seine Rechte und das weitere Verfahren eine zentrale Aufgabe. Die Informationen müssen gemäß den Bestimmungen aus Artikel 4 Absatz 3 diskriminierungsfrei erfolgen. In - soweit ist zur Thematik der Information von Menschen mit Behinderungen folgendes auszuführen: Kommunikation von Menschen mit Behinderungen mit anderen wird in Deutschland auf vielfältige Weise gesichert, gefördert und weiterentwickelt. So sorgen zum Beispiel die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung des Bundes (BITV  2.0) und vergleichbare Regelungen der Länder dafür, dass die Internetseiten der Behörden für Menschen mit Behinderungen barrierefrei sind. Die BITV  2.0 des Bundes entspricht den aktuellen Internationalen Leitlinien („Web Content Accessibility Guidelines“-WCAG 2.0), die weltweit als anerkannter Standard gelten und erläutern, wie Web-Inhalte für Menschen mit Behinderungen zugänglich gemacht werden können. Sie sieht außerdem vor, dass Bundesbehörden auch Informationen in Leichter Sprache und in deutscher Gebärdensprache zur Verfügung stellen müssen. In Verwaltungsverfahren und gerichtlichen Verfahren haben Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen einen Anspruch auf Bereitstellung eines Gebärdensprachdolmetschers beziehungsweise anderer Kommunikationshilfen, einschließlich technischer Hilfsmittel. Darüber hinaus bietet das BMAS mit seinem Gebärdentelefon gehörlosen und hörbehinderten Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, sich zu verschiedenen Themen der Bundesregierung zu informieren. In Kooperation zwischen dem BMAS und dem BMI wurde zudem das 115-Gebärdentelefon aufgebaut. Das 115-Gebärdentelefon überwindet Hürden in der verbalen Kommunikation von gehörlosen und hörbehinderten Bürgerinnen und Bürgern über die visuelle Darstellung der Deutschen Gebärdensprache (DGS). Blinde und sehbehinderte Menschen haben einen Anspruch darauf, dass ihnen Vordrucke, Bescheide oder öffentlich-rechtliche Verträge ohne zusätzliche Kosten auch in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden, soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist. Das novellierte BGG sieht unter anderem vor, dass Bürgerinnen und Bürger mit Lern-, geistigen und seelischen Behinderungen vermehrt Informationen, beispielsweise Broschüren, in Leichter Sprache erhalten sollen. Ab 2018 sollen Bescheide dann – nach Bedarf – auch kostenfrei in Leichter Sprache erläutert werden. Zu Artikel 20 – Allgemeine Hilfsdienste Artikel  20 Absatz  1 verpflichtet die Vertragsparteien sicherzustellen, dass Opfer Zugang zu Diensten erhalten, die ihre Genesung nach Gewalt erleichtern. Diese Maßnahmen sollen, sofern erforderlich, Dienste wie rechtliche und psychologische Beratung, finanzielle Unterstützung, Unterkunft, Ausbildung, Schulung sowie Unterstützung bei der Arbeitssuche umfassen. Der Begriff „Allgemeine Hilfsdienste“ (Überschrift) bezieht sich dabei vorrangig auf die Bereiche Gesundheits- und Sozialdienste, Versorgungsämter und Jobcenter. Die Zuständigkeit für die Unterstützung von Opfern liegt grundsätzlich bei den Ländern. Dort gibt es, bedingt durch die Unterschiedlichkeit der einzelnen Opfersituationen, eine Vielzahl staatlicher Stellen (wie zum Beispiel die Opferschutzbeauftragten bei den Polizeidienststellen und die Zeugenbetreuungsstellen) und nichtstaatliche Einrichtungen, die Opfern in ihrer schwierigen Situation UnterDeutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 65 – Drucksache 18/12037 64 stützung anbieten. Die Hilfsangebote reichen über Beratung, Begleitung des Opfers zu Gerichtsterminen, Therapien bis hin zu finanziellen Hilfen. Die große Bandbreite der Opferhilfe wird den speziellen Opfersituationen gerecht und sie ermöglicht es, auf die individuellen Bedürfnisse der Opfer einzugehen. Nicht auf Gewalt spezialisierte Beratungsstellen (zum Beispiel Erziehungsberatungsstellen, Opferberatungsstellen, Suchtberatungsstellen) beteiligen sich verhältnismäßig oft an der lokalen oder regionalen Vernetzung und Kooperation der Hilfe bei Gewalt gegen Frauen. Insbesondere verstehen diese allgemeinen Opferberatungsstellen ihre Aufgabe als einen umfassenden Auftrag, für Opfer von Straftaten generell zuständig zu sein und zwar vor allem im Hinblick auf Information und Unterstützung bei Strafprozessen oder bei Fragen der Opferentschädigung. Mit dem 3. Opferrechtsreformgesetz wurde die Opferschutzrichtlinie (2012/29/EU) umgesetzt und die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahrensrecht verankert. Ab 2017 gibt es in Deutschland bundesweit die Möglichkeit, in bestimmten Fällen während des Strafverfahrens professionell betreut zu werden. Die psychosoziale Prozessbegleitung richtet sich besonders an Kinder und Jugendliche, die Opfer von Gewalt- oder Sexualstraftaten geworden sind. Aber auch erwachsene Opfer schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten können eine solche Betreuung benötigen und erhalten. Ziel der psychosozialen Prozessbegleitung ist es, Ängste abzubauen und das Opfer emotional zu unterstützen. Psychosoziale Prozessbegleiterinnen und -begleiter wissen auch, wo das Opfer weitere Hilfe bekommen kann. Das kann zum Beispiel eine Vermittlung einer Therapieeinrichtung sein. Die psychosoziale Prozessbegleitung ist, wenn sie vom Gericht bestätigt worden ist, für die Opfer kostenlos. Die Voraussetzungen für eine individuelle Unterstützung bei der Arbeitssuche durch die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter, die auch die besondere Situation von gewaltbetroffenen Opfern berücksichtigt, sind gegeben. Durch die Sozialgesetze in Deutschland wird weitestgehend sichergestellt, dass von Gewalt und häuslicher Gewalt betroffene Opfer sowohl die erforderliche finanzielle Unterstützung (Leistungen des Lebensunterhaltes und der Unterkunft) als auch begleitende Hilfe- und Beratungsleistungen (unter anderem psychosoziale Betreuung) erhalten. Opfer erhalten Zugang zu Aus- und Weiterbildung durch die zuständigen Leistungsträger (öffentliche Hilfsdienste). Zur Unterstützung bei der Arbeitssuche stehen grundsätzlich sämtliche Instrumente der aktiven Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB  III) und der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zur Verfügung. Im Rahmen der Eingliederungsstrategie werden alle für die Vermittlung erforderlichen beruflichen und persönlichen Merkmale festgestellt. Die Agentur für Arbeit beziehungsweise das Jobcenter muss dabei nach § 35 SGB III die Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit der Ausbildungssuchenden und Arbeitssuchenden berücksichtigen. Um den Bedürfnissen von Opfern gerecht zu werden, können auch Leistungen, die nicht der Eingliederung in den Arbeitsmarkt dienen, gegebenenfalls gemäß den §§ 67 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) erbracht werden, zum Beispiel wenn Frauen, die nach ihrer derzeitigen Situation oder wegen psychischer Probleme mit Krankheitswert zeitweilig nicht in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden können. Die Vorschriften der §§ 67 ff. SGB XII beziehen sich auf die „Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten“, wozu in der Rechtsprechung auch die Situation der Flucht in das Frauenhaus gezählt wird. Nach Artikel 20 Absatz 2 müssen die Vertragsparteien sicherstellen, dass Opfer Zugang zu Gesundheits- und Sozialdiensten haben, dass Dienste über angemessene Mittel verfügen und dass Angehörige bestimmter Berufsgruppen geschult werden, um die Opfer zu unterstützen und sie an die geeigneten Dienste zu verweisen. Die deutsche Rechtsordnung gewährleistet auf dem Gebiet des Sozialrechtes den Opfern eine angemessene Unterstützung. Das im Grundgesetz verankerte Prinzip des Sozialstaates sichert dem Einzelnen oder Gruppen der Gesellschaft eine zugängliche Daseinsversorge. Durch das bestehende System wird dazu beigetragen, besondere Belastungen des Lebens abzuwenden oder auszugleichen. Es wird sichergestellt, dass Angehörige bestimmter Berufsgruppen geschult werden, um die Opfer zu unterstützen und gegebenenfalls an spezialisierte Beratungsdienste zu verweisen. In der Praxis der gemeinsamen Einrichtungen (SGB II) steht den persönlichen Ansprechpartnern für den Umgang mit gewaltbetroffenen Frauen eine umfangreiche Arbeitshilfe im Intranet der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung. Darüber hinaus werden in Schulungen von Integrationsfachkräften Gesprächsund Beratungskompetenzen vermittelt, mit denen die Mitarbeitenden auf die besondere Situation der von Gewalt betroffenen Frauen reagieren und bei Bedarf auf Zufluchtseinrichtungen und spezialisierte Beratungsdienste hinweisen können. Mit den „Modellen guter Praxis bei der Bearbeitung von Anträgen nach dem SGB II für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen“ wird den Integrationsfachkräften vor Ort weitere Hilfestellung bei der Beratung und Betreuung von Gewalt betroffener Personen in leistungsrechtlichen und eingliederungsrelevanten Fragestellungen gegeben. Darüber hinaus dienen die „Empfehlungen des Deutschen Vereins zu Hilfeleistungen an von häuslicher Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder insbesondere im Rechtskreis des SGB II“ Kosten- und Leistungsträgern, also auch den Jobcentern, als Hilfestellung für eine sachgerechte Lösung auftretender Probleme. Die gesetzliche Krankenversicherung gewährleistet den Versicherten einen universellen Zugang zu ihren Leistungen. Hiernach erhält jede versicherte Person die Leistung, die sie medizinisch benötigt, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Einkommen. Dies gilt auch für die soziale Pflegeversicherung, allerdings mit der Besonderheit, dass die Höhe der Leistungsbeträge für die häusliche und die stationäre Pflege durch Gesetz begrenzt ist und damit nur einen Teil der Kosten abdeckt. Das Leistungsspektrum der sozialen Kranken- und Pflegeversicherung ist dabei vielfältig und berücksichtigt eine Vielzahl der Bedarfs - lagen im Fall der Krankheit oder Pflegebedürftigkeit. Wenngleich kein Anspruch auf die Durchführung bestimmter Maßnahmen – etwa gegen Einrichtungsträger – begründet wird, so ist darauf hinzuweisen, dass die Regelungen in § 1 Absatz 5 und § 2 Absatz 2 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB  XI) den Wunsch des Gesetzgebers klarstellend hervorheben, dass in der pflegerischen Versorgung unter anderem Rücksicht auf Drucksache 18/12037 – 66 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 65 geschlechtsspezifische Unterschiede beziehungsweise gleichgeschlechtliche Pflegewünsche zu nehmen ist (ähnliches gilt im Übrigen nach § 2b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für die gesetzliche Krankenversicherung, wonach bei den Leistungen der Krankenkassen geschlechtsspezifischen Besonderheiten Rechnung zu tragen ist). Eine wesentliche Ursache von Gewalt in der Pflege ist die akute oder chronische Überlastung der jeweiligen Pflegeperson. Im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung sind deshalb unterschiedliche Angebote und Regelungen getroffen worden, um im häuslichen Umfeld des Pflegebedürftigen für pflegende Angehörige eine deutliche Entlastung anzubieten und durch Beratung und Schulungskurse eine optimale Versorgung zu erreichen. Das Pflegeversicherungsrecht trägt – unter anderem durch die Etablierung von Instrumenten und Verfahren im Bereich der Qualitätssicherung – zudem dazu bei, dass mit der pflegerischen Versorgung durch die Pflegekassen beauftragte professionelle Pflegekräfte und Langzeitpflegeeinrichtungen auf entsprechende Maßnahmen zugreifen können, die geeignet sind, gewaltinduzierende Situationen möglichst zu vermeiden oder diesen deeskalierend zu begegnen. Im Übrigen liegt die Zuständigkeit für die Errichtung und den Unterhalt von Gesundheits- und Sozialdiensten bei den Ländern. Zu Artikel 21 – Unterstützung bei Einzel- und Sammelklagen Ziel dieses Artikels ist es, die Information der Opfer von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt über die zur Verfügung stehenden regionalen und internationalen Verfahren sicherzustellen und die Vertragsstaaten zu verpflichten, den Zugang zu diesen Verfahren nicht zu behindern. Die genannten Opfer können zivilrechtliche Ansprüche bei den örtlich zuständigen Amts- und Landgerichten gerichtlich geltend machen. Zum einen können Anord - nungen nach dem Gewaltschutzgesetz, insbesondere Näherungs- und Kontaktverbote, in Betracht kommen. Zu ständig sind gemäß § 23a Absatz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) die örtlichen Familiengerichte. Informationen hierzu bietet unter anderem die vom BMJV und BMFSFJ herausgegebene Informationsbroschüre „Mehr Schutz bei häuslicher Gewalt“ (auch online abrufbar in mehreren Sprachen unter http://www.bmjv.de/DE/ Themen/FamilieUndPartnerschaft/SchutzHaeusliche Gewalt/SchutzHaeuslicheGewalt_node.html). Zum anderen können weitere Ansprüche wie zum Beispiel andere Unterlassungs-, Zahlungs- und Herausgabe - ansprüche in Betracht kommen, die im allgemeinen Zivilrechtsweg geltend gemacht werden können. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich gemäß §§ 23 ff., 71 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) grundsätzlich nach dem Wert des Streitgegenstandes: in Angelegenheiten mit einem Streitwert von bis zu 5 000 Euro ist grundsätzlich die Zuständigkeit der Amtsgerichte eröffnet, bei höheren Streitwerten die der Landgerichte. In Verfahren vor den Amtsgerichten können sich die Parteien gemäß § 79 Zivilprozessordnung (ZPO) – ungeachtet des Rechts, sich etwa eines Rechtsanwalts oder einer Rechtsanwältin zu bedienen – grundsätzlich selbst vertreten. Land - gerichtliche Zivilverfahren unterliegen hingegen gemäß § 78 ZPO dem Rechtsanwaltszwang. Gegen die gerichtlichen Entscheidungen in Gewaltschutzsachen und in allgemeinen Zivilverfahren sind die in den Verfahrensordnungen, insbesondere dem FamFG und der ZPO, dafür vorgesehenen Rechtsmittel statthaft. Nach Ausschöpfung der nationalen Rechtsmittel stehen Opfern die internationalen Mechanismen, an denen Deutschland beteiligt ist – jeweils vorbehaltlich der für die entsprechenden Beschwerdewege geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen – offen. Einschlägig sind vor allem die folgenden Mechanismen: • die Individualbeschwerde nach Artikel 34 der Europä - ischen Menschenrechtskonvention (EMRK); • die Individualbeschwerde nach Artikel 1 des Fakultativprotokolls zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (BGBl. 1992 II S. 1247); • die Mitteilung nach Artikel 2 des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (BGBl. 2001 II S. 1238). Informationen über diese und die weiteren internatio - nalen Mechanismen stehen allgemein zur Verfügung. So informieren etwa das BMJV (www.bmjv.de/DE/ Themen/Menschenrechte/Menschenrechte_node.html) und das BMFSFJ (http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/ ministerium/internationales) in ihren Internetangeboten ausführlich über die entsprechenden Konventionen und die Beschwerdeverfahren. Im Anhang zu dem alle zwei Jahre neu erstellten Menschenrechtsbericht der Bundesregierung werden die Beschwerdeverfahren ebenfalls dargestellt. Das Deutsche Institut für Menschenrechte bietet einen ausführlichen Überblick über alle bestehenden internationalen Beschwerdeinstrumente und stellt kostenlos ein Handbuch über die Praxis der Verfahren zur Verfügung (http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/ uploads/tx_commerce/menschenrechtsverletzungen_ was_kann_ich_dagegen_tun.pdf). Das im erläuternden Bericht erwähnte Zusatzprotokoll zur Europäischen Sozialcharta ist von Deutschland nicht ratifiziert worden. Zu Artikel 22 – Spezialisierte Hilfsdienste Artikel 22 Absatz 1 verpflichtet die Vertragsparteien dazu, spezialisierte Hilfsdienste für Gewaltopfer bereitzustellen. Die Verantwortung für das Vorhandensein, die Ausgestaltung und finanzielle Absicherung von Unterstützungs - angeboten liegt in erster Linie bei den Ländern, die ein vielfältiges Unterstützungsangebot bereitstellen. Dies belegt der „Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser, Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder“ (Bundestagsdrucksache  17/10500) mit dem die Bundesregierung erstmals eine umfassende Bestandsaufnahme des gesamten Hilfesystems bei Gewalt gegen Frauen vorgelegt hat. Der Bericht bestätigt das Gesamtbild eines dichten und ausdifferenzierten, im Bundesgebiet sehr heterogen ausgestalteten Unterstützungssystems für gewaltbetroffene Frauen mit ihren Kindern. Danach gab es zum Jahreswechsel 2011/2012 in Deutschland für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder ungefähr 350  Frauenhäuser und mindestens 40 Schutz- beziehungsweise Zufluchtswohnungen. Hinzu kamen etwa 750 Fachberatungsstellen bei Gewalt gegen Frauen. Die Anzahl der Fachberatungsstellen wurde Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 67 – Drucksache 18/12037 66 seitdem stetig erhöht. Laut der „Bestandsaufnahme Frauenhäuser und Opferunterstützungseinrichtungen“ der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK) mit dem Stand von Juni 2015 gibt es mittlerweile mehr als 800  Fachberatungsstellen bei Gewalt gegen Frauen. Die größte Anzahl der Fachberatungsstellen beraten Klientinnen mit ganz unterschiedlichem Gewalterleben, von zurückliegendem sexuellem Missbrauch über sexuelle Gewalt zu häuslicher Gewalt und Stalking. Des Weiteren gibt es unter anderem spezialisierte Einrichtungen für Opfer von Menschenhandel, Zwangsverheiratung und Genitalverstümmelung sowie rund 95 Angebote zur verfahrensunabhängigen Beweissicherung oder anonymen Spurensicherung, die Opfern häuslicher und sexueller Gewalt die Möglichkeit bieten, dort anonym und vertraulich Spuren sichern zulassen, die gegebenenfalls in einem späteren Verfahren als Beweis eingebracht werden können. Daneben besteht in vielen Ländern die Möglichkeit, Frauen, die Opfer häuslicher oder außerhäuslicher Gewalt geworden sind, an Kliniken kostenfrei untersuchen und beraten zu lassen. Das Beratungsangebot der Fachberatungsstellen ist vielseitig, wobei der Schwerpunkt der Angebote bei der Beratung der Betroffenen und ihren Angehörigen liegt. Darüber hinaus führen die meisten Fachberatungsstellen größtenteils fallbezogene Beratung von Fachkräften anderer Einrichtungen durch sowie fallübergreifende Beratungen und leisten Präventionsarbeit. Zu wirkungsvollen Maßnahmen der Prävention zählen zum Beispiel öffentliche Aufklärungskampagnen oder die Entwicklung von Schutzkonzepten. Durch frühzeitige Beratung und Unterstützung können so Gewaltverläufe abgekürzt und Frauenhausaufenthalte vermieden werden. Die spezialisierten Einrichtungen übernehmen mit der Beratung und Begleitung von Fachkräften und der Durchführung von Fortbildungen eine zentrale Aufgabe innerhalb der regionalen Netzwerke. Sie bringen ihre spezialisierte Kompetenz ein, qualifizieren dadurch das Netzwerk und entlasten Fachkräfte anderer Institutionen, indem sie ihnen zu mehr Sicherheit in der Intervention verhelfen. Insgesamt ist festzustellen, dass gewaltbetroffene Frauen regelmäßig Schutz vor Gewalt sowie Beratung und Unterstützung in den professionell dafür ausgelegten Einrichtungen finden. Für bestimmte Zielgruppen wie zum Beispiel für Frauen mit Behinderungen und Frauen mit Suchtmittelabhängigkeiten bestehen jedoch punktuelle Versorgungslücken und Zugangsschwierigkeiten zum Hilfesystem. Für gewaltbetroffene Frauen, Personen aus ihrem sozialen Umfeld und Personen, die bei ihrer Tätigkeit mit der Beratung und Unterstützung bei Gewalt gegen Frauen konfrontiert sind, hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer Kompetenz ein kostenloses Hilfetelefon eingerichtet, das täglich 24 Stunden bundesweit unter einer einheitlichen Rufnummer erreichbar ist. Qualifizierte Fachkräfte bieten dem genannten Personenkreis Erstberatung und Weitervermittlung an Unterstützungsangebote vor Ort an (siehe auch Ausführungen zu Artikel 24). Der Bund nimmt darüber hinaus mittelbar über die be - stehende sozialleistungsrechtliche Rahmung in Form von Individualleistungen auf der Grundlage von SGB  II, SGB XII, SGB VIII und dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) Einfluss (siehe Ausführungen zu Artikel  20). Durch Modellvorhaben regt er zudem die Fortentwicklung der Unterstützungssysteme an und befördert diese. In den letzten Jahren wurde beispielsweise das Berliner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt e. V. (BIG) gefördert, welches Impulse für eine interdisziplinäre und interinstitutionell abgestimmte Reaktion auf häusliche Gewalt gesetzt hat. Auch das im Januar 2015 in den Regionen Stralsund und Rostock gestartete dreijährige Projekt „Kooperationsmodell zur Verbesserung der Versorgung gewaltbetroffener Frauen mit Suchtmittelproblematik“ dient der Fortentwicklung der Unterstützungssysteme, indem es Fachkräften aus der Anti-Gewalt-Arbeit und der Suchtkrankenhilfe adäquates Wissen und Kompetenzen vermittelt sowie ein funktionierendes Netzwerk etabliert, um eine effektive und nachhaltige Versorgung von Gewalt und Suchtabhängigkeit betroffener Frauen und ihrer Kinder gewährleisten zu können. Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe e. V. (bff) hat das Modellprojekt „Suse“ durch - geführt, das sich in Fragen, Information, Aufklärung und Beratung speziell an Frauen und Mädchen mit Behinderungen orientiert (siehe https://www.frauen-gegengewalt.de/projekt-suse.html). Des Weiteren haben durch die Bündelung fachlicher Expertise und die Bereitstellung von Plattformen zur fachlichen Diskussion und Vernetzung in den letzten Jahren die drei durch das BMFSFJ geförderten bundesweiten Vernetzungsstellen Frauenhauskoordinierung e. V. (FHK), Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe e.  V. (bff) und Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e. V. (KOK) in erheblichem Umfang zum Prozess der Qualitätsentwicklung in den Einrichtungen beige tragen. Nach Artikel  22 Absatz  2 haben die Vertragsparteien sicherzustellen, dass für alle Frauen und deren Kinder, die Opfer von Gewalt wurden, eine an ihren genauen Bedürfnissen angepasste Unterstützung angeboten wird. Diese Anforderung wird durch das im Bundesgebiet bestehende Hilfesystem umgesetzt. Wie schon unter Artikel 22 Absatz 1 ausgeführt, gibt es in allen Ländern Fachberatungsstellen und darüber hinaus Frauenhäuser beziehungsweise Schutz- und Zufluchtswohnungen, die gewaltbetroffenen Frauen mit ihren Kindern Unterkunft gewähren. Während Mädchen in jedem Alter aufgenommen werden, gibt es für Jungen in der überwiegenden Anzahl der Frauenhäuser Altersgrenzen, die konzeptionell von jedem Frauenhaus individuell festgelegt werden. In Frauenhäusern wird mehrheitlich der Kinderschutz in das Konzept eingebunden. Frauen und Kinder werden bei Gewalt durch den Partner beziehungsweise Vater Schutz geboten, beraten, stabilisiert und bei Entscheidungen begleitet und auch den Kindern Unterstützung angeboten. Für in der Kindheit von sexualisierter Gewalt Betroffene stehen darüber hinaus die Beratungsangebote von Erziehungs-, Familien-, Ehe- und Lebensberatungsstellen, von Kinderschutzzentren sowie von spezialisierten Beratungsstellen zur Verfügung. Für Betroffene sexualisierter Gewalt steht bei dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs ein Hilfetelefon zur Ver - fügung. Das „Hilfetelefon Sexueller Missbrauch“ ist die bundesweite, kostenfreie und anonyme Anlaufstelle für Betroffene von sexuellem Missbrauch, für Angehörige sowie Personen aus dem sozialen Umfeld von Kindern, für Fachkräfte und für alle Interessierten. Drucksache 18/12037 – 68 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 67 Neben bundesweit tätigen Institutionen beziehungsweise Verbänden – wie der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz-Zentren oder dem Deutschen Kinderschutzbund – fördert die Bundesregierung seit vielen Jahren das Kinder- und Jugendtelefon „Nummer gegen Kummer“. Kinder und Jugendliche können eine kosten - lose Telefonnummer wählen und sich anonym von geschulten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beraten lassen. Seit 2003 wird auch eine anonyme Beratung per E-Mail angeboten. Seit über zehn Jahren wird ein telefonisches Angebot für Eltern angeboten. Um Hilfen und Beratungsangebote für Betroffene sexualisierter Gewalt in der Kindheit weiter zu verbessern und die Vernetzung der Angebote zu stärken, fördert die Bundesregierung seit 2016 eine neue Struktur auf der Bundesebene für Fachberatungsstellen für Menschen, die von sexualisierter Gewalt in der Kindheit betroffen sind. Grundlage dafür ist ein Konzept, das gemeinsam mit diesen Einrichtungen erarbeitet wurde. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt erfordert von Anfang an eine sektorenübergreifende, interdisziplinäre und sowohl national als auch international vernetzte Koordination. Um ein gesundes und gewaltfreies Aufwachsen von Kindern zu fördern, die Kompetenz von Eltern zu stärken und so auch Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern frühestmöglich vorzubeugen, unterstützt die Bundesregierung unbefristet mit jährlich 51 Millionen Euro psychosoziale Leistungen für Familien. Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen mit Sitz in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung begleitet die Praxisentwicklung im Feld der Frühen Hilfen in Kooperation mit dem Deutschen Jugendinstitut. Zu Artikel 23 – Schutzunterkünfte Nach dieser Vorschrift haben die Vertragsparteien geeignete und leicht zugängliche Schutzunterkünfte in aus - reichender Zahl für Opfer, insbesondere Frauen und Kinder, bereitzustellen. Diese Anforderungen sind in Deutschland durch die bestehende Hilfeinfrastruktur erfüllt, wobei die kontinuierliche Weiterentwicklung und bedarfsgerechte Anpassung der Hilfen eine Aufgabe bleibt, für die sich Bund, Länder und Kommunen gemeinsam in der Verantwortung sehen. Wie bereits zu Artikel  22 Absatz 1 ausgeführt, halten die Länder laut dem „Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser, der Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder“ (Bundestagsdrucksache  17/10500) in Deutschland ein dichtes, ausdifferenziertes Unterstützungssystem für gewaltbetroffene Frauen mit ihren Kindern vor. Es gibt rund 350 Frauenhäuser sowie mindestens 40 (teilweise einem Frauenhaus oder einer Fachberatungsstelle angegliederte) Schutz- beziehungsweise Zufluchtswohnungen. Diese stellen insgesamt mehr als 6 800 Plätze für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder zur Verfügung. Zu ihrem Aufgabenkanon zählen viele Frauenhäuser neben der Arbeit mit Frauen und Müttern die Betreuung ihrer Kinder und die Beratung der Mütter in Fragen des Kindeswohls. Diese Verantwortung zeigt Wirkung in der Kooperation mit Jugendämtern und Beratungseinrichtungen zum Kinderschutz, die neben der Polizei wichtige Kooperationspartner der Frauenhäuser geworden sind. Zudem sind Frauenhäuser sehr aktiv in der lokalen und regionalen Vernetzung vertreten. Ca. 98  Prozent der Frauenhäuser arbeiteten in einem Facharbeitskreis vor Ort mit. Darüber hinaus wird dort gewährleistet, dass das Personal entsprechend ausgebildet ist. Häufig gibt es Mitarbeiterinnen mit therapeutischer oder beraterischer Zusatzqualifikation. Die häufigste Qualifikation im Team von Frauenhäusern ist die Sozialarbeiterin beziehungsweise Sozialpädagogin. Spezialisierte Frauenhäuser für bestimmte Zielgruppen gibt es insbesondere in Ballungsgebieten, in denen ein differenziertes Angebot an Personal geboten werden kann. Die Ballungsgebiete und Großstädte zeichnen sich durch eine erkennbar hohe Dichte von Einrichtungen aus. In den weiten Regionen der Flächenländer und in länd - lichen Regionen wird ein allgemeines Angebot für ein breites Spektrum von Nutzerinnen vorgehalten. Grundsätzlich finden die betroffenen Frauen die Unterstützung, die sie benötigen. Schutzsuchende Frauen werden in ca. 90 Prozent der Frauenhäuser 24 Stunden täglich aufgenommen. Für einzelne Zielgruppen, zum Beispiel für psychisch kranke Frauen, Frauen mit Behinderungen oder Frauen, die Söhne, die älter als 14 Jahre sind, mitbringen, bestehen teilweise Zugangsschwierigkeiten und Versorgungslücken. Frauenhäuser nehmen nach Einzelfall - prüfung in der Regel jedoch auch Frauen mit spezifischen Problemlagen auf. Andernfalls werden die Frauen im Bedarfsfall grundsätzlich an andere Hilfeeinrichtungen weitervermittelt. Durch eine Vernetzung der lokalen Hilfestruktur wird eine gute Versorgung auch für spezifische Bedarfe angestrebt. Im Jahr 2016 hat die länderoffene GFMK-Arbeitsgruppe „Frauenhäuser und Unterstützungsstellen“ Empfehlungen zur Verbesserung der Versorgung von Zielgruppen mit besonderen Bedarfen er - arbeitet, die für Prozesse der Weiterentwicklung des Frauenunterstützungssystems auf Landesebene genutzt werden können. Zudem wird das Kriterium, den Opfern eine zeitnahe Abklärung der Handlungsmöglichkeiten zu gewährleisten, durch das mehrheitliche Angebot der telefonischen Beratung und der Vermittlung eines passenden Angebots erfüllt. Alle Frauenhäuser bieten den Bewohnerinnen neben dem Schutz des Hauses und der Unterkunft eine qualifizierte psychosoziale Beratung an. Nach dem Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser, Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass gewaltbetroffene Frauen regelmäßig unmittelbaren Schutz vor Gewalt sowie Beratung und Unterstützung in professionell dafür ausgelegten Einrichtungen finden. Es gibt jedoch punktuelle Versorgungslücken und Zugangsschwierigkeiten für bestimmte Zielgruppen wie zum Beispiel Frauen mit Behinderungen beziehungsweise Frauen mit Kindern mit Behinderungen aufgrund fehlender Barrierefreiheit. Im Abschlussbericht der Task Force des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (EG-TFV [200806]) wird eine sichere Unterkunft für Frauen in Frauenhäusern empfohlen, die auf alle Regionen verteilt sind und eine Familie pro 10 000 Einwohner aufnehmen können. Das europäische Bündnis Woman Against Violence Europe (WAVE) stellte im Juni 2011 anhand eigener Recherchen eine Übersicht auf, die die Anzahl der Frauenhäuser und Frauenhausplätze auf diesen Bevölkerungsschlüssel rechnete. Deutschland befindet sich danach auf Platz 10 (von 36 Ländern) und kann laut dieser Statistik eine Familie pro 11 800 Einwohner Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 69 – Drucksache 18/12037 68 aufnehmen. Ein Bevölkerungsschlüssel wird in Deutschland diskutiert und zum Beispiel bereits von Bayern aufgegriffen, das einen Bevölkerungsschlüssel von einem Frauenhausplatz pro 10 000 Frauen vorsieht. Die Aufgabe, Schutz vor Gewalt sowie Hilfe und Unterstützung für gewaltbetroffene Menschen zu organisieren und weiterzuentwickeln trifft als Ausprägung des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip alle staatlichen Ebenen in gemeinsamer Verantwortung. In erster Linie ist es Aufgabe der Länder, für das Vorhandensein, die Ausgestaltung, ständige Weiterentwicklung und finanzielle Absicherung von Unterstützungsangeboten zu sorgen. Das föderale Prinzip trägt dabei im Prinzip der Infrastruktur, den Bedarfslagen der Zielgruppen und deren Nutzungsverhalten am besten Rechnung. Der Bund unterstützt die Fortentwicklung etwa durch Förderung von Einzelmaßnahmen oder durch Modellvorhaben. Derzeit plant das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gemeinsam mit einzelnen Ländern, im Rahmen eines Modellprojektes Instrumente und Verfahren zur Bedarfsermittlung und -planung in Bezug auf das gesamte bestehende Hilfesystem zu entwickeln und in verschiedenen Regionen zu erproben. Mit dem Modellprojekt soll geprüft werden, wie durch Instrumente der Bedarfsanalyse und Bedarfsplanung auf Landes- beziehungsweise kommunaler Ebene besser sichergestellt werden kann, dass in einer Region eine flexible und bedarfsgerechte Infrastruktur von Hilfsangeboten für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder bereitgestellt wird. Des Weiteren werden in verschiedenen Ländern Maßnahmen getroffen, um die bestehenden Hilfe- und Unterstützungssysteme zu überprüfen und auf Basis der Forschungsergebnisse Planungsprozesse zu entwickeln. In Bayern wurde beispielsweise vom bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS) im September 2014 das Forschungsprojekt zur „Bedarfsermittlung zum Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder in Bayern“ in Auftrag gegeben. Die Studie hat erstmals den tatsächlichen aktuellen Bedarf für Bayern ermittelt und valide Daten und Fakten geliefert. Die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen werden durch das StMAS gemeinsam mit dem Bayerischen Landkreistag und dem Bayerischen Städtetag, sowie mit anderen betroffenen bayerischen Staatsministerien in einer Arbeitsgruppe analysiert. Ziel ist die Erstellung eines Gesamtkonzeptes zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Das Gesamtkonzept soll bis Ende 2017 vorliegen. Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen, der Konzepte sowie der Arbeits- und Verfahrensabläufe in den Frauenhäusern in Hamburg führte die dort zuständige Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration von 2012 bis 2014 einen dialogischen Qualitätsentwicklungsprozess unter wissenschaftlicher Moderation durch. Dabei wurde die Frauenhausarbeit gemeinsam mit den fünf Hamburger Frauenhäusern kritisch beleuchtet und Handlungsbedarfe ermittelt. Unter anderem entstand daraus die Idee einer Koordinierungs- und Servicestelle, die nach einem gemeinsamen Planungsprozess im August 2016 unter dem Namen „24/7“ startete. Damit ermöglicht Hamburg eine verbesserte niedrigschwellige Erstaufnahme und Beratung von schutzsuchenden Frauen und deren Kinder jeden Tag und rund um die Uhr durch qualifiziertes Fachpersonal. Die Optimierung der Vermittlungsprozesse beziehungsweise Reduzierung von Vermittlungsengpässen und die Weiterentwicklung der Infrastruktur auf Basis der 2015 veröffentlichten Studie „Die Weiterentwicklung des Berliner Unterstützungssystems bei häuslicher Gewalt“ ist Schwerpunkt der Arbeit im Anti-Gewaltbereich in Berlin. Die in der Studie identifizierten Versorgungslücken, insbesondere bei Nutzerinnen von Frauenhäusern mit starken akuten psychischen Belastungen, wurden mit allen am Hilfesystem Beteiligten und in der interdisziplinär besetzten Fachkommission Häusliche Gewalt auf einer Fachtagung im Juli 2016 diskutiert. Ziel ist es, das Berliner Hilfesystem weiterzuentwickeln, Angebotslücken zu schließen und den Schutz betroffener Frauen und Kinder vor Gewalt weiter zu verbessern und gleichzeitig zu einer Entlastung der stark in Anspruch genommenen Frauenunterstützungseinrichtungen beizutragen. Im Jahr 2016 wurde zu diesem Zweck beispielsweise bei zwei Frauenhausträgern das bestehende Angebot zur Verbesserung der Versorgung von psychisch kranken Frauen erweitert. Weiterhin wird die Entwicklung einer computergestützten Datenerfassung für eine bedarfsgerechte Hilfeplanung geprüft. Nordrhein-Westfalen setzt Maßnahmen zur Stärkung gewaltbetroffener Frauen und zur inhaltlichen sowie strukturellen Weiterentwicklung des Schutz- und Hilfesystems um. So werden seit Februar 2017 sechs modellhafte Second-Stage-Projekte gefördert. Sie unterstützen gewaltbetroffene Frauen bei der Stabilisierung und Verselbstständigung im Anschluss an den Frauenhausaufenthalt durch ein umfassendes Übergangsmanagement und gezielte Nachsorgeangebote. Die vom Land in Auftrag gegebene Evaluation des Modellprojekts „Richtungswechsel-sichtbar-sicher-selbstbestimmt“ zur Frauenhausarbeit mit systemischem Ansatz ist ein weiterer Baustein der qualitativen Fortentwicklung. Zu Artikel 24 – Telefonberatung Artikel 24 verpflichtet die Vertragsparteien zur Einrichtung einer kostenlosen, landesweiten und rund um die Uhr erreichbaren Telefonberatung für gewaltbetroffene Frauen. Das bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen hat am 6. März 2013 seine Arbeit aufgenommen. Es wurde auf der Grundlage des im März 2012 in Kraft getretenen Hilfetelefongesetzes vom 7. März 2012 (BGBl. I S. 448) eingerichtet. Das Hilfetelefongesetz legt die Rahmenbedingungen und Aufgaben des Hilfetelefons verbindlich fest. Im Einzelnen: • Es handelt sich um ein auf Dauer angelegtes, quali - fiziertes telefonisches Erstberatungs- und Weitervermittlungsangebot. • Das Hilfetelefon ist täglich 24 Stunden erreichbar. • Die Rufnummer (0800 0 116016) ist entgeltfrei. • Die Beratung erfolgt vertraulich und auf Wunsch anonym. • Das Angebot ist barrierefrei und mehrsprachig. Dolmetscherinnen können rund um die Uhr zeitnah in 17 Sprachen zu Telefonaten hinzugeschaltet werden. Drucksache 18/12037 – 70 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 69 • Für Gehörlose oder Hörgeschädigte gibt es einen Gebärdendolmetscherdienst. Die Website www.hilfetelefon.de ist barrierefrei und enthält unter anderem auch Gebärdenvideos und Texte in leichter Sprache. • Es wird eine E-Mail- und eine Chatberatung über die Website www.hilfetelefon.de angeboten. • Die Beratung wird durch weibliche qualifizierte Fachkräfte, die Erfahrungen mit der Beratung von gewaltbetroffenen Frauen haben, durchgeführt. Tätig sind mehr als 60 Beraterinnen. • Zur Qualitätssicherung gibt es insbesondere einen jährlichen Sachstandsbericht und eine Evaluierung nach fünf  Jahren. Die Arbeit des Hilfetelefons wird durch einen hochrangig besetzten Beirat begleitet. Beratung und Unterstützung gibt es zu allen Formen von Gewalt gegen Frauen, insbesondere: • Häusliche Gewalt (psychische, physische und sexua - lisierte Gewalt innerhalb von Beziehungen) • Psychische, physische und sexualisierte Gewalt außerhalb von Beziehungen • Stalking • Zwangsverheiratung • Gewalt im Namen der „Ehre“ • Frauenhandel • Gewalt im Rahmen von Prostitution • Genitalverstümmelung • Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz • Sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum • Spezielle Gewaltkontexte wie bei Migrantinnen, Frauen mit Beeinträchtigung oder Behinderungen und älteren Frauen, zum Beispiel in Pflegesituationen. Die Erfahrungen der ersten Jahre zeigen, dass die Themen häusliche Gewalt beziehungsweise Gewalt in Partnerschaften und sexualisierte Gewalt Schwerpunkte der Beratung bilden. Zielgruppen sind alle gewaltbetroffenen Frauen, Menschen aus dem sozialen Umfeld der von Gewalt betroffenen Frauen sowie das soziale Umfeld der mitbetroffenen Kinder sowie Menschen, die bei ihrer beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit mit der Beratung und Unterstützung oder mit Interventionen bei Gewalt gegen Frauen befasst sind und dazu Fragen haben. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass alle diese Zielgruppen durch das Hilfetelefon erreicht werden. Es wird keine langfristige Begleitung und Unterstützung im Einzelfall angeboten, dies ist Aufgabe der Hilfseinrichtungen vor Ort. Zu  Artikel  25  –  Unterstützung  für  Opfer  sexueller  Gewalt Diese Vorschrift verpflichtet die Vertragsparteien dazu, zugängliche Krisenzentren in ausreichender Zahl für Opfer von Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt zu schaffen. Deutschland wird dieser Verpflichtung gerecht. Um Opfern von sexueller Gewalt sofortige medizinische Versorgung und Hilfe in Bezug auf das erlittene Trauma in Verbindung mit einer rechtsmedizinischen Untersuchung zur Sicherung der für die Strafverfolgung benötigten Beweise zukommen zu lassen, halten die Länder unterschiedliche Angebote vor. Allen Angeboten gemeinsam sind die Möglichkeit einer ärztlichen Befunderhebung nach standardisierten Untersuchungsbögen und die anonymisierte Lagerung der erhobenen Spuren unter einer Chiffrenummer für einen vorgegebenen Zeitraum. Tatspuren und Verletzungen werden gesichert, um den Tatopfern Gelegenheit zu geben, in Ruhe über eine Anzeigenerstattung nachdenken zu können. Die Beweissicherung gibt den Opfern Handlungssicherheit und Unterstützung im Falle eines Strafprozesses und stärkt ihre Rechtsstellung in Ermittlungs- und Strafverfahren wegen Sexual- und Gewaltdelikten. So besteht bereits in allen Ländern, allerdings noch nicht flächendeckend, die Möglichkeit einer verfahrensunabhängigen beziehungsweise anonymen Beweissicherung. Laut einer Bestandsaufnahme der Frauenhäuser und Opferunterstützungseinrichtungen der GFMK mit dem Stand von Juni 2015 gibt es mittlerweile über 90 Angebote der verfahrensunabhängigen Spurensicherung. In den letzten Jahren haben sich zudem bundesweit Projekte und Initiativen gebildet. In vielen Ländern wird die Kooperation mit Partnerkliniken sukzessive aufgebaut, damit perspektivisch eine flächendeckende Versorgung im Land mit Angeboten der anonymen Spurensicherung gewährleistet werden kann. So startete beispielsweise in Niedersachsen im Jahr 2012 das Projekt „Netzwerk ProBeweis“ zur vertraulichen und kostenfreien Dokumentation und Beweissicherung insbesondere für Frauen, die Opfer häuslicher oder sexueller Gewalt geworden sind. Die Durchführung des Projektes liegt beim Rechtsmedizinischen Institut der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Daneben erfolgt die Beweissicherung auch an Partnerkliniken. Diese Kliniken wurden vorab fachgerecht geschult und arbeiten mit speziell zur Verfügung gestellten Dokumentationsbögen und Untersuchungsmaterialien. Ziel ist es, Opfern von häuslicher und sexueller Gewalt, auch ohne unmittelbare Anzeige, landesweit die Möglichkeit zu geben, sich nach der Tat zu jeder Tagesoder Nachtzeit untersuchen zu lassen, wobei die Verletzungen dokumentiert und die Spuren so gesichert werden, sodass sie vor Gericht verwertbar sind. Die Dokumente werden 30 Jahre, die Asservate mindestens drei Jahre aufbewahrt. Die Opfer werden zudem ärztlich beraten und auf Wunsch an eine Opferunterstützungseinrichtung weiter vermittelt. Das Angebot der verfahrensunabhängigen Beweissicherung soll flächendeckend auf ganz Niedersachsen ausgeweitet werden. Zurzeit kann diese Beweissicherung in Niedersachsen an 27 Kliniken an 25 Standorten durchgeführt werden (Stand 2016). Bis Ende 2017 soll das Projekt auf mindestens 30 Partner - kliniken ausgeweitet werden. Ein weiteres Projekt ist das am 25. November 2013 im Saarland unter Federführung des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie gestartete Projekt „Vertrauliche Spurensicherung nach sexualisierter Gewalt (VSS)“ und die dazu gehörende Informationskampagne „Sexuelle Gewalt hinterlässt Spuren“. Zielsetzung sind die Verbesserung der medizinischen und psychosozialen Versorgung der Betroffenen sowie die Ermöglichung einer qualifizierten und gerichtsverwertbaren Dokumentation einer pseudoanonymisierten Spurensicherung. Die vertrauliche Spurensicherung wird derzeit (Stand 2015) in fünf dezentralen Kliniken und bei zwölf niedergelassenen Gynäkologinnen und Gynäkologen angeboten. Die ErarDeutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 71 – Drucksache 18/12037 70 beitung eines Dokumentationsbogens, die Beschreibung medizinischer und forensischer Standards, die Festlegung von Verfahrensfortschritten für die vertrauliche Spurensicherung sowie die Entwicklung eines Fortbildungsprogramms für die Ärzteschaft und das medizinische Fachpersonal erfolgen in enger fachlicher Zusammenarbeit mit den beteiligten Kooperationspartnern aus dem Bereich von Justiz und Polizei, Frauenberatungsstellen, Rechtsmedizin, Ärzteschaft etc. Kernelemente des Projekts sind zudem die Beschreibung medizinischer und forensischer Standards für die Ärzteschaft und das medizinische Fachpersonal in niedergelassenen gynäkologischen Facharztpraxen und Kliniken, die Festlegung von Verfahrensschritten für die vertrauliche Spurensicherung sowie die Entwicklung eines Fortbildungsprogramms für das medizinische Fachpersonal. Darüber hinaus ist vorgesehen, das Verfahren weiterzuentwickeln und auf die besonderen Bedürfnisse und Erfordernisse von kindlichen und jugendlichen Opfern sexueller Gewalt anzupassen. Zu  Artikel  26  –  Schutz  und  Unterstützung  für  Zeuginnen und Zeugen, die Kinder sind Diese Vorschrift verpflichtet die Vertragsparteien, dafür Sorge zu tragen, dass bei der Hilfe für Opfer, deren Kinder Zeuginnen und Zeugen von Gewalt wurden, die Rechte und Bedürfnisse der Kinder gebührend berücksichtigt werden. Die altersgerechte Beratung für Kinder wird durch die spezialisierten Beratungsstellen (vgl. Ausführungen zu Artikel  22) durchgeführt. Ab 2017 gibt es in Deutschland bundesweit die Möglichkeit, in bestimmten Fällen während des gesamten Strafverfahrens professionell betreut zu werden (sogenannte psychosoziale Prozessbegleitung). Besonders Kinder und Jugendliche, die Opfer von Gewalt- oder Sexualstraftaten geworden sind, haben einen solchen Anspruch. Aber auch erwachsene Opfer schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten können eine solche Betreuung benötigen und erhalten. Die psychosoziale Prozessbegleitung ist, wenn sie vom Gericht bestätigt worden ist, für die Opfer kostenlos. Psychosoziale Prozessbegleitung ist eine professionelle Betreuung während des Strafverfahrens, die sich nach den Bedürfnissen des Opfers richtet. So kann das Opfer zum Beispiel während Vernehmungen im Ermittlungsund Hauptverfahren (Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht) begleitet werden. In vielen Gerichten ist es auch möglich, sich zusammen mit der Prozessbegleitung den Gerichtssaal vor dem Termin anzusehen. Ziel ist es, Ängste abzubauen und das Opfer emotional zu unterstützen. Psychosoziale Prozessbegleiterinnen und -begleiter wissen auch, wo das Opfer weitere Hilfe bekommen kann. Das kann zum Beispiel eine Vermittlung einer Therapieeinrichtung sein. Zu Artikel 27 – Meldung Artikel 27 verpflichtet die Vertragsparteien, die erforder - lichen Maßnahmen zu treffen, um diejenigen Personen, die Zeugen und Zeuginnen einer in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallenden Gewalttat wurden oder die ernstzunehmende Gründe haben zu glauben, dass eine solche Tat begangen werden könnte, zu er - mutigen, dies zu melden. Dieser Vorgabe wird bereits durch das geltende Recht entsprochen. Nach § 158 Absatz 1 StPO kann die Anzeige einer Straftat bei der Staatsanwaltschaft, den Behörden und Beamten und Beamtinnen des Polizeidienstes und den Amtsgerichten von jedermann angebracht werden, auch wenn dieser weder mittelbar noch unmittelbar von der angezeigten Straftat betroffen ist. Nummer 8 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) bestimmt zudem, dass die Staatsanwaltschaft auch bei namenlosen Anzeigen zu prüfen hat, ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist. Formerfordernisse für eine solche Strafanzeige sieht das Gesetz nicht vor. Die Anzeigebereitschaft der Zeugen und Zeuginnen wird zugleich durch flankierende Zeugenschutzvorschriften abgesichert. So sieht § 68 Absatz 3 StPO vor, dass dem Zeugen gestattet werden kann, Angaben zu seiner Person nicht oder nur über eine frühere Identität zu machen, wenn ein begründeter Anlass zur Besorgnis besteht, dass durch die Offenbarung seiner Identität oder seines Wohnoder Aufenthaltsortes Leben, Leib oder Freiheit seiner oder einer anderen Person gefährdet werden. Die Vorschrift gilt für jede Form der Zeugenvernehmung. Nach § 68b StPO kann sich der Zeuge oder die Zeugin in jeder Verfahrenslage, auch bei Anzeigeerstattung, eines anwaltlichen Beistands bedienen. Zu Artikel 28 – Meldung durch Angehörige bestimmter Berufsgruppen Dieser Artikel verpflichtet die Vertragsparteien sicherzustellen, dass die Vorschriften über die für bestimmte Berufsgruppen geltende Schweigepflicht den Angehörigen dieser Berufsgruppen nicht die Möglichkeit nimmt, unter angemessenen Umständen eine Meldung an die zuständigen Organisationen und Behörden zu erstatten, wenn sie Gründe für die Annahme haben, dass eine schwere in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallende Gewalttat begangen worden ist und weitere schwere Gewalttaten zu erwarten sind. Diese Forderungen müssen kumulativ vorliegen. Dabei bleibt es den Vertragsparteien überlassen, die Situationen mit Ausnahme einiger Sonderfälle, zum Beispiel bei minderjährigen Opfern oder Opfern, die auf Grund körperlicher oder mentaler Einschränkungen nicht in der Lage sind, sich zu schützen, festzulegen, in denen diese Bestimmung gilt. Außerdem obliegt es jeder Vertragspartei, die Kategorien der Berufsgruppen festzulegen, für die diese Bestimmung gilt. Dadurch sollen die Fachkräfte erfasst werden, deren Tätigkeit den Kontakt mit Frauen, Männern und Kindern umfasst, die Opfer einer in den Anwendungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Form von Gewalt sein können. Das geltende deutsche Recht entspricht diesen Anforderungen: Zwar enthält § 203 StGB einen Straftatbestand, der die unbefugte Offenbarung eines fremden Geheim - nisses, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, durch bestimmte Berufsgruppen sanktioniert. Zu diesen Berufsgruppen gehören unter anderem Ärzte und Ärztinnen, Apotheker und Apothekerinnen, Angehörige anderer Heilberufe, Berufspsychologen und -psychologinnen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung, Rechtsanwälte und Rechts - anwältinnen, Verteidiger und Verteidigerinnen in einem gesetzlich geordneten Verfahren, Notare und Notarinnen, Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater und -beraterinnen wie Berater und Beraterinnen für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder KörDrucksache 18/12037 – 72 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 71 perschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist, Mitglieder oder Beauftragte einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§  3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, staatlich anerkannte Sozialarbeiter und -arbeiterinnen oder staatlich anerkannte Sozialpäda - gogen und -pädagoginnen, Angehörige eines privaten Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherungsunternehmens oder einer privatärztlichen, steuerberater lichen oder anwalt - lichen Verrechnungsstelle sowie Amtsträger und -trägerinnen, für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete und öffentlich bestellte Sach verständige. Im Rahmen der Tätigkeiten dieser Berufsgruppen kann typischerweise ein Kontakt entstehen, der eine in den Anwendungsbereich dieses Übereinkommens fallende Form von Gewalt offenbart. Das Gesetz gibt gleichwohl diesen Berufsgruppen unter bestimmten Voraussetzungen das Recht oder gar die Pflicht zur Anzeige von drohenden Gewalttaten. So statuiert §  138 Absatz  1  StGB eine „Jedermannspflicht“ zur Anzeige bei der zuständigen Behörde oder bei dem beziehungsweise der Bedrohten, zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, wenn man glaubhaft von dem Vorhaben oder der Ausführung bestimmter Straftaten erfährt. Zu den anzeigepflichtigen Straftaten gehören unter anderem Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB) sowie bestimmte Straftaten gegen die persönliche Freiheit, unter anderem in den Fällen des § 232 Absatz 3 Satz 2, des § 232a Absatz 3, 4 oder 5, des § 232b Absatz 3 oder 4, des § 233a Absatz 3 oder 4 StGB, jeweils soweit es sich um Verbrechen handelt. Wird die Anzeige unterlassen, so wird dies gemäß § 138 Absatz 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer die Anzeige leichtfertig unterlässt, obwohl er von dem Vorhaben oder der Ausführung der rechtswidrigen Tat glaubhaft erfahren hat, wird gemäß § 138 Absatz 3 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. § 139 Absatz 2 StGB enthält in Bezug auf die Verletzung der sich aus § 138 StGB ergebenden Anzeigepflicht einen Rechtfertigungsgrund für Geistliche. Diese sind nicht verpflichtet anzuzeigen, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger beziehungsweise Seelsorgerinnen anvertraut worden ist. § 139 Absatz 3 Satz 2 StGB enthält einen, wenn auch weniger weitgehenden, Rechtfertigungsgrund für Rechtsanwälte und -anwältinnen, Verteidiger und Verteidigerinnen, Ärzte und Ärztinnen, Psychologische Psychotherapeuten und -therapeutinnen, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und -therapeutinnen sowie die berufsmäßigen Gehilfen der genannten Personen und für die Personen, die bei diesen zur Vorbereitung auf den Beruf tätig sind. All diese Personen sind nicht verpflichtet anzuzeigen, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden beziehungsweise als berufsmäßige Gehilfen in ihrer beruflichen Eigenschaft bekannt geworden ist, sofern sie sich ernsthaft bemühen, den Täter von der Tat abzuhalten oder den Erfolg abzuwenden. Zu beachten ist allerdings, dass dies nicht für schwerste Verbrechen gilt. Soweit es sich um einen Mord (§  211  StGB), einen Totschlag (§ 212 StGB), einen Völkermord in den Fällen des § 6 Absatz 1 Nummer 1 des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB), ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Fällen des § 7 Absatz 1 Nummer 1 VStGB, ein Kriegsverbrechen in den Fällen des § 8 Absatz 1 Nummer 1 VStGB, einen erpresserischer Menschenraub (§ 239a Absatz 1 StGB), eine Geiselnahme (§ 239b Absatz 1 StGB) oder einen Angriff auf den Luft- und Seeverkehr (§ 316c Absatz 1 StGB) durch eine terroristische Vereinigung (§ 129a StGB, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1 StGB) handelt, besteht eine Anzeigepflicht (unter den sonstigen Voraussetzungen des §  138  StGB und vorbehaltlich des §  139 Absatz 4 StGB) als gesetzliche Offenbarungspflicht für die zuvor genannten Berufsgruppen nach §  139 Absatz  3 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 3 Satz 1 Nummern 1 bis 3, § 138 StGB. In diesen Fällen gilt für diese Berufsgruppen – im Gegensatz zum beziehungsweise zur Geist - lichen – die Anzeigepflicht des §  138  StGB uneingeschränkt. Die Rechtfertigungsgründe nach § 139 Absatz 2 und Absatz 3 Satz 2 StGB für das Unterlassen der Anzeigepflicht nach § 138 StGB schließen lediglich die Pflicht zur Anzeige für diese Berufsgruppen aus, nicht aber ein mögliches Recht auf Anzeige. Ein solches Recht kann sich insbesondere aus dem Notstand gemäß § 34 StGB ergeben, der auch zur Offenbarung eines Berufsgeheimnisses befugen kann. In Betracht kommt dies insbesondere bei der Abwendung einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für höherwertige Rechtsgüter durch Straftaten, die nicht in dem Straftatenkatalog des § 138 StGB enthalten sind, wie beispielsweise schwere Körperverletzungs- oder Sexualdelikte. Zu Kapitel V Materielles Recht Zu Artikel 29 – Zivilverfahren und Rechtsbehelfe Gemäß Artikel  29 Absatz  1 soll gewährleistet werden, dass sich die Opfer einer der in den Anwendungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt mit angemessenen zivilrechtlichen Rechtsbehelfen gegenüber dem Täter beziehungsweise der Täterin an das nationale Rechtssystem wenden können. Soweit dies Ansprüche auf Eilschutzanordnungen gemäß Artikel 52 oder Kontakt- und Näherungsverbote sowie Schutzanordnungen gemäß Artikel 53 umfasst, wird auf die diesbezüg - lichen Ausführungen zu Artikel 52 und 53 verwiesen. Spezielle Anforderungen an das Verfahrensrecht enthält Artikel 29 nicht. Deutschland stellt eine funktionierende Rechtspflege im Zivilrecht zur Verfügung, die es den Opfern von Gewalt ermöglicht, ihre zivilrechtlichen Ansprüche durchzusetzen. Opfern im Sinne des Übereinkommens sollen gemäß dessen Artikel 29 Absatz 2 zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen diejenigen staatlichen Behörden zustehen, die ihnen obliegende Pflichten zum Ergreifen der erforderlichen vorbeugenden Maßnahmen oder Schutzmaßnahmen nicht nachgekommen sind. Gemäß §  839 Absatz 1 BGB ist ein Beamter, der vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt, dem Dritten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Ersatzverpflichtet ist gemäß §  839 Absatz  1  BGB in Verbindung mit Artikel 34 GG grundsätzlich der Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der Beamte steht. Soweit eine Amtspflicht (etwa nach den Landespolizeigesetzen) besteht, Per - sonen vor Schäden durch andere zu bewahren, kann der beziehungsweise die Geschädigte die auf einer entsprechenden Pflichtverletzung beruhenden Schäden ersetzt verlangen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73 – Drucksache 18/12037 72 Zu Artikel 30 – Schadensersatz und Entschädigung Artikel 30 Absatz 1 verpflichtet die Vertragsstaaten dafür Sorge zu tragen, dass Opfer das Recht haben, von Tätern beziehungsweise Täterinnen für alle nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten Schadensersatz zu fordern beziehungsweise den Opfern, denen der Schaden nicht ersetzt wird, innerhalb einer angemessenen Frist, eine staatliche Entschädigung zu zahlen. Dies ist nach deutschem Recht der Fall und bedarf keiner weiteren Umsetzung. Nach deutschem Recht haben Opfer von Straftaten, wie sie in dem Übereinkommen umschrieben sind, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Täter. Gemäß § 823 Absatz 1 BGB ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Straftaten, wie sie das Übereinkommen umschreibt, verletzen, sofern nicht eines der konkret genannten Rechtsgüter wie Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit betroffen ist, in jedem Fall auch das sogenannte allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches als sonstiges Recht im Sinne des §  823 Absatz 1 BGB anerkannt ist. Geschützt ist das Recht des und der Einzelnen auf Achtung seiner beziehungsweise ihrer personalen und sozialen Identität sowie der Entfaltung der individuellen Persönlichkeit (BGHZ 13, 334) gegenüber dem beziehungsweise der Einzelnen und dem Staat. Ferner bestehen Ansprüche auf Schadensersatz aus § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit dem jeweiligen Straftatbestand. Straftatbestände für Taten, die das Übereinkommen umschreibt, sind Schutzgesetze im Sinne des § 823 Absatz 2 BGB; derjenige, der gegen ein solches Schutzgesetz schuldhaft verstößt, ist der beziehungsweise dem Geschädigten gemäß § 823 Absatz 2 BGB zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Inhalt des Schadensersatzanspruches ist sowohl der materielle als auch immaterielle Schaden der beziehungsweise des Geschädigten, insbesondere auch Schmerzensgeld. Schadensersatzberechtigt ist die beziehungsweise der Geschädigte selbst. Artikel 30 Absatz 2 enthält eine nachgeordnete Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Entschädigung von Opfern, die eine schwere Körperverletzung und Gesundheitsschädigung erlitten haben. Dies ist in Deutschland durch das OEG erfüllt. Es gewährt allen Personen einen Anspruch auf staatliche Leistungen, die im Geltungsbereich des Gesetzes Opfer eines tätlichen Angriffs geworden sind und dadurch eine Gesundheitsschädigung erlitten haben. Der damit erfasste Personenkreis schließt die in Artikel 30 Absatz 2 Genannten, „die eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben“, ein, geht aber über diesen Personenkreis hinaus. Unter Gesundheitsschäden im Sinne des OEG sind auch psychische Beeinträchtigungen gefasst. Artikel 30 Absatz 3 fordert eine Entschädigung innerhalb eines angemessenen Zeitraums. Das OEG wird von den Ländern durchgeführt. Das Verwaltungsverfahren richtet sich nach dem Sozialrecht, das für antragstellende Personen günstiger ist als das allgemeine Verwaltungsrecht. Insbesondere können nach dem OEG auch schon vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens Leistungen zur Heilbehandlung erbracht werden. Das Verfahren ist vom Strafverfahren unabhängig, eine Entscheidung des Strafgerichts muss somit nicht abgewartet werden. Zu Artikel 31 – Sorgerecht, Besuchsrecht und Sicherheit Gemäß Artikel  31 müssen die Vertragsparteien durch gesetzgeberische oder sonstige Maßnahmen sicherstellen, dass in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallende gewalttätige Vorfälle bei Entscheidungen über das Besuchs- und Sorgerecht betreffend Kinder berücksichtigt werden und dass die Ausübung des Besuchs- oder Sorgerechts nicht die Rechte und die Sicherheit des Opfers oder der Kinder gefährdet. Das deutsche Recht wird diesen Anforderungen gerecht. In § 1631 Absatz 2 BGB ist ausdrücklich geregelt, dass Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung haben und körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen unzulässig sind. Bei gerichtlichen Entscheidungen zum Sorge- und Umgangsrecht gilt das Kindeswohlprinzip, das heißt das Gericht trifft diejenige Entscheidung, die dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1697a BGB). In einem gericht - lichen Verfahren zur Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil hat das Gericht daher zu berücksichtigen, wenn es diesem – im Gegensatz zum anderen Elternteil – gelingt, das Kind ohne körperliche Strafen, sonstige Formen von Gewalt, seelische Verletzungen und entwürdigende Maßnahmen zu erziehen. Auch bei Umgangsentscheidungen hat das Familiengericht je nach den Umständen des Einzelfalles verschiedene Möglichkeiten, um dem Bedürfnis des Kindes nach Schutz vor Gewalttaten Rechnung zu tragen. Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln (§ 1684 Absatz 3 BGB). Dabei kann das Familiengericht das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Zur Abwendung einer Gefährdung des Kindeswohls ist eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangsrechts auch für längere Zeit oder auf Dauer möglich (§ 1684 Absatz 4 BGB). Nach § 33 Absatz 1 Satz 2 und § 157 Absatz 2 FamFG ist vorgesehen, dass eine gerichtliche Anhörung oder Erörterung in einer Kindschaftssache in Abwesenheit eines Elternteils durchgeführt wird, falls dies zum Schutz des Opfers oder der Kinder erforderlich ist. Zur Beurteilung der Frage, ob neben dieser gesetzgeberischen Umsetzung noch weitere Maßnahmen erforderlich sind, damit die vorhandenen Rechtsgrundlagen im Lichte der Konvention optimal angewandt werden, fehlen zur Zeit noch fundierte Erkenntnisse. Aktuell fördert die Bundesregierung eine Studie zum Kindeswohl und Umgangsrecht. Ziel der Studie ist es, fundierte Kenntnisse darüber zu erhalten, wie der Umgang und das Umgangsrecht gestaltet sein müssen, um den Bedürfnissen der Kinder am besten gerecht zu werden. Dazu wird untersucht, wie Kinder und Jugendliche unterschiedliche Umgangskonstellationen erleben, wie es ihnen dabei geht und wie sich die konkrete Ausgestaltung des Umgangsrechts auf ihr Befinden und ihre weitere Entwicklung auswirkt. Dabei soll auch erhoben werden, wie das Besuchsrecht in Fällen von häuslicher Gewalt gegen Frauen ausgestaltet ist und ob und gegebenenfalls welche Probleme aufgrund von Umgangsregelungen in Fällen von häuslicher Gewalt bestehen. Es wird erwartet, dass sich auf der Grundlage dieDrucksache 18/12037 – 74 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 73 ser Befunde die Frage beantworten lässt, ob in Deutschland im Hinblick auf Artikel 31 Absatz 2 weitere sonstige Maßnahmen geboten sind. Zu Artikel 32 – Zivilrechtliche Folgen der Zwangs heirat Nach diesem Artikel ist durch gesetzgeberische oder sonstige Maßnahmen sicherzustellen, dass unter Zwang geschlossene Ehen ohne eine unangemessene finanzielle oder administrative Belastung für das Opfer anfechtbar sind, für nichtig erklärt oder aufgelöst werden können. Das deutsche Recht entspricht dieser Forderung bereits. Nach § 1314 Absatz 2 Nummer 4 BGB kann die Ehe aufgehoben werden, wenn ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Die Frist zur Stellung des Antrags auf Aufhebung der Ehe durch den betroffenen Ehegatten ist durch das Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften vom 23. Juni 2011 von einem Jahr auf drei Jahre verlängert worden (§ 1317 Absatz 1 BGB); sie beginnt mit dem Ende der Zwangslage. Eine Zwangsehe kann wie jede andere Ehe – bei Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen – zudem geschieden werden. Für die Aufhebung einer Zwangsehe sieht das deutsche Recht in § 132 Absatz 1 Satz 2 FamFG vor, dass demjenigen Ehegatten, dem das vorwerfbare Verhalten bei Eingehung der Ehe allein zur Last fällt, die gesamten Verfahrenskosten auferlegt werden können. Außerdem besteht die Möglichkeit der Beantragung von Verfahrenskostenhilfe zur Durchführung des Eheaufhebungs- oder Scheidungsverfahrens (§§ 76 ff. FamFG). Zu Artikel 33 – Psychische Gewalt Nach Artikel 33 haben die Vertragsparteien mit den erforderlichen gesetzlichen oder sonstigen Maßnahmen sicherzustellen, dass vorsätzliches Verhalten, durch das die psychische Unversehrtheit einer Person durch Nötigung oder Drohung ernsthaft beeinträchtigt wird, unter Strafe gestellt wird. Das geltende deutsche Recht entspricht diesen Anforderungen: Wird ein Mensch rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt und ist die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen, so ist dies als Nötigung gemäß § 240 Absatz 1 und 2  StGB strafbar. Die Strafandrohung liegt bei Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Gemäß § 241 Absatz 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht. Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, dass die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe (§ 241 Absatz 2 StGB). Schutzgut des Nötigungstatbestandes ist die durch Artikel 2 Absatz 1 GG gewährleistete Willensbildungs- und Willensbetätigungsfreiheit des Einzelnen als Teil seiner psychischen Unversehrtheit, die im Falle der Nötigung in verwerflicher Weise beeinträchtigt wird. Das durch den Straftatbestand der Bedrohung geschützte Rechtsgut ist der Rechtsfrieden des Einzelnen, dessen Vertrauen auf seine durch das Recht gewährleistete Sicherheit vor besonders gravierenden Bedrohungen. Damit wird letztlich die ernsthafte – weil die Bedrohung mit einem Verbrechen notwendig ist – Beeinträchtigung der psychischen Unversehrtheit erfasst und unter Strafe gestellt. Zu Artikel 34 – Nachstellung Nach diesem Artikel haben die Vertragsparteien sicherzustellen, dass vorsätzliches Verhalten in Form wiederholter Bedrohungen gegenüber einer anderen Person, die dazu führen, dass diese um ihre Sicherheit fürchtet, unter Strafe gestellt wird. Das bedrohende Verhalten kann zum Beispiel in der wiederholten Verfolgung einer Person oder in unerwünschter Kommunikation mit dieser bestehen. Umfasst werden sollen auch die physische Verfolgung einer Person, das Erscheinen an ihrem Arbeitsplatz, in der von ihr genutzten Sport- oder Bildungseinrichtung sowie ihre Verfolgung in der virtuellen Welt wie zum Beispiel in Diskussionsforen oder sozialen Netzwerken. Erfasst werden sollen ebenso Fälle eines bedrohenden Verhaltens in Form zum Beispiel der Zerstörung des Eigentums einer anderen Person, deren Haustier, der Schaffung falscher Identitäten oder der Verbreitung falscher Informationen im Internet. Deutschland hat diese Verpflichtung bereits umgesetzt. Bereits seit 2007 wird gemäß § 238 Absatz 1 StGB die Nachstellung mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Darunter fällt, wenn der Täter einem Menschen unbefugt nachstellt, indem er beharrlich 1. seine räumliche Nähe aufsucht, 2. unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu ihm herzustellen versucht, 3. unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für ihn aufgibt oder Dritte veranlasst, mit diesem Kontakt aufzunehmen, 4. ihn mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit seiner selbst oder einer ihm nahe stehenden Person bedroht und durch dieses Verhalten seine Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt. Angesichts der Vielgestaltigkeit des Phänomens von „Stalking“ hat der Gesetzgeber in § 238 Absatz 1 Nummer 5 StGB einen Auffangtatbestand geschaffen, wonach „eine andere vergleichbare Handlung“ des Täters ebenfalls unter den Nachstellungstatbestand fällt. Damit steht ein umfassendes Sanktionsinstrumentarium zur Ver - fügung. Am 15. Dezember 2016 beschloss der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen. Nach diesem, bisher noch nicht in Kraft getretenen, Gesetz soll es für die Erfüllung des Straftatbestandes des § 238 Absatz 1 StGB zukünftig nicht mehr erforderlich sein, dass die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend beeinträchtigt wurde. Es soll vielmehr genügen, dass die Handlung des Täters hierfür geeignet ist. Eine weitere Strafvorschrift enthält § 4 GewSchG, dessen Anwendungsbereich ebenfalls durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen erweitert wird. Nach dieser Vorschrift wird eine Zuwiderhand - Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 75 – Drucksache 18/12037 74 lung gegen eine bestimmte vollstreckbare Schutzanordnung gemäß § 1 GewSchG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Eine gerichtliche Schutzanordnung kann die verletzte Person gemäß § 1 Absatz 1 Satz 1 GewSchG zum einen dann beantragen, wenn der Täter vorsätzlich ihren Körper, ihre Gesundheit oder ihre Freiheit widerrechtlich verletzt hat. Gleiches gilt nach § 1 Absatz 2 GewSchG, wenn der Täter einer anderen Person mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit widerrechtlich gedroht hat, widerrechtlich und vorsätzlich in ihre Wohnung oder in ihr befriedetes Besitztum eindringt oder sie dadurch unzumutbar belästigt, dass er ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt oder sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt. Insbesondere durch die in § 1 Absatz 2 GewSchG geschilderten Handlungen werden typische Fälle der Nachstellung erfasst. In der Schutzanordnung trifft das Gericht die erforderlichen Maßnahmen zur Abwendung weiterer Verletzungen oder Bedrohungen. Dazu gehören gemäß § 1 Absatz 1 Satz 3 GewSchG insbesondere Näherungs- und Kontaktverbote. Handelt der Täter einer bestimmten vollstreckbaren Anordnung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder 3, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1 GewSchG zuwider, so greift der Straftatbestand des §  4 Satz  1 Nummer 1 GewSchG. Darüber hinaus ist künftig auch der Verstoß gegen eine im Gewaltschutzverfahren in einem gerichtlichen Vergleich übernommene Verpflichtung strafbewehrt, soweit der Vergleich nach § 214a FamFG durch das Familiengericht bestätigt worden ist. Diese Erweiterung wird durch das am 15. Dezember 2016 vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen in § 4 Satz 1 Nummer 2 GewSchG eingeführt. Sie verbessert zum Schutz des Opfers die effektive Durchsetzung von Vergleichen in Gewaltschutzverfahren und bewirkt einen Gleichlauf mit dem strafrechtlichen Schutz bei gericht lichen Gewaltschutzanordnungen. Die Strafbarkeit nach anderen Vorschriften, das heißt auch insbesondere nach § 238 StGB, bleibt gemäß § 4 Satz 2 GewSchG jeweils unberührt. Zu Artikel 35 – Körperliche Gewalt Nach diesem Artikel haben die Vertragsparteien sicher - zustellen, dass vorsätzliches Verhalten, durch das einer anderen Person körperliche Gewalt angetan wird, unter Strafe gestellt wird. Im deutschen Recht ist die Forderung bereits umgesetzt: § 223 StGB enthält den Straftatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung, welche mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bedroht ist. Darüber hinaus regelt § 224 StGB die sogenannte gefährliche Körperverletzung, die bestimmte gefährliche Tatbegehungen wie beispielsweise die Körperverletzung mittels einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs und die gemeinschaftliche Begehung mit einem anderen Beteiligten erfasst. Die Strafandrohung für die gefährliche Körperverletzung liegt bei Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Schließlich enthält § 225 StGB den Straftatbestand der Misshandlung von Schutz - befohlenen sowie § 226 StGB den Straftatbestand der schweren Körperverletzung, die bestimmte durch eine vorsätzlich begangene vollendete Körperverletzung fahrlässig – § 226 Absatz 1 StGB – oder absichtlich oder wissentlich – § 226 Absatz 2 StGB – verursachte schwere Folgen wie zum Beispiel den Verlust des Sehvermögens auf einem Auge oder beiden Augen erfasst. Ein weiterer Qualifikationstatbestand findet sich in § 227 StGB, der für die vorsätzliche Körperverletzung mit –  wenigstens fahrlässig verursachter – Todesfolge eine Freiheitsstrafe von drei bis fünfzehn Jahren vorsieht. Damit ist den Anforderungen des Artikels 35 hinreichend Rechnung getragen. Zu Artikel 36 – Sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung Gemäß Artikel 36 haben die Vertragsparteien sicherzustellen, dass die folgenden sexuellen vorsätzlichen Handlungen unter Strafe gestellt werden: • das nicht einverständliche, sexuell bestimmte vaginale, anale oder orale Eindringen in den Körper einer anderen Person mit einem Körperteil oder Gegenstand; • sonstige nicht einverständliche sexuell bestimmte Handlungen mit einer anderen Person; • die Veranlassung einer Person zur Durchführung nicht einverständlicher sexuell bestimmter Handlungen mit einer dritten Person. Schließlich müssen die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die genannten sexuellen vorsätzlichen Handlungen auch unter Strafe gestellt sind, wenn sie gegenüber früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen oder Partnern im Sinne des jeweiligen nationalen Rechts begangen wurden. Das geltende deutsche Recht wird diesen Anforderungen gerecht. Mit dem 50. Strafrechtsänderungsgesetz – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016, das am 10. November 2016 in Kraft trat (BGBl. I S. 2460) und mit dem den Vorgaben von Artikel 36 dieses Übereinkommens im deutschen Recht Rechnung getragen wird, hat das Sexualstrafrecht eine grundlegende Neuausrichtung erfahren. Mit ihr wird insbesondere sichergestellt, dass jede sexuelle Handlung gegen den erkennbaren Willen des Opfers strafrechtlich erfasst wird (sogenannte „Nein heißt Nein“-Lösung). Nach § 177 Absatz 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder vor einem Dritten bestimmt. Daneben sind gemäß § 177 Absatz 2 StGB auch solche sexuelle Handlungen unter Strafe gestellt, die an einer Person vorgenommen werden, die sich entweder gar nicht erklären kann (zum Beispiel weil der Täter den Umstand ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern [Nummer 1]) oder bei der eine erteilte Zustimmung aufgrund bestimmter Umstände nicht tragfähig ist (zum Beispiel weil das Opfer bedroht wird [Nummer 5] oder ihm ein empfindliches Übel droht [Nummer 4]). Schließlich wird nach § 177 Absatz 2 Nummer 2 StGB bestraft, wer ausnutzt, dass die Person aufgrund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, der Drucksache 18/12037 – 76 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 75 Täter hat sich der Zustimmung dieser Person versichert. § 177 Absatz 2 Nummer 3 StGB erfasst die überraschende Vornahme einer sexuellen Handlung. Der Strafrahmen des Absatzes 2 beläuft sich wie in Absatz 1 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht (§ 177 Absatz 4 StGB). Dasselbe Strafmaß (Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr) gilt gemäß § 177 Absatz 5 StGB, wenn der Täter 1. gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, 2. dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder 3. eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist. Gemäß § 177 Absatz 6 Satz 2 Nummer 1 StGB liegt ein besonders schwerer Fall vor, wenn der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere, wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (sogenannte Vergewaltigung). Die Strafandrohung beträgt für diese Fälle Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Dasselbe gilt für die gemeinschaftliche Tatbegehung gemäß §  177 Absatz  6 Satz  2 Nummer 2 StGB. Weitere Strafschärfungen sind in § 177 Absatz 7 und Absatz  8 StGB sowie unter den Voraussetzungen des § 178 StGB (Sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge) vorgesehen. Mit dem 50. Strafrechtsänderungsgesetz – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung wurden über die dargestellten Änderungen bei § 177 StGB hinaus weitere Maßnahmen getroffen, um den strafrechtlichen Schutz der sexuellen Selbstbestimmung zu verbessern. So wurden ein Straftatbestand der sexuellen Belästigung und ein Straftatbestand geschaffen, der die Förderung der Begehung von Straftaten aus Gruppen heraus neu in das StGB aufgenommen hat. Das deutsche Strafrecht entspricht heute auch der Forderung nach einem ungeteilten Schutz vor sexuellen Übergriffen oder sexueller Nötigung in der Ehe be - ziehungsweise in der Partnerschaft. In der bis zum 4. Juli  1997 geltenden Fassung des §  177  StGB war zunächst ausschließlich der mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben erzwungene außereheliche Beischlaf als Tatbestand der Vergewaltigung strafbar. Der erzwungene eheliche Beischlaf wurde lediglich als Nötigung gemäß § 240 StGB geahndet. In der seit dem 5. Juli 1997 geltenden Fassung wird nun auch die sexuelle Selbstbestimmung in der Ehe beziehungsweise eingetragene Lebenspartnerschaft gleichermaßen dem strafrechtlichen Schutz unterstellt, indem das frühere für den Tatbestand des § 177 StGB strafbarkeitsbegründende Tatbestandsmerkmal der außerehelichen sexuellen Handlung entfiel. Ergänzend ist im Hinblick auf den Schutz vor häuslicher Gewalt, die auch im Haushalt lebende Kinder und Jugendliche betreffen kann, auf die Straftatbestände der §§ 174 ff. StGB hinzuweisen. Der sexuelle Missbrauch von Kindern (Person unter 14 Jahren) ist in § 176 StGB, der auch die Bestimmung eines Kindes zur Durchführung sexueller Handlungen an einer dritten Person erfasst, sowie der schwere sexuelle Missbrauch von Kindern in § 176a StGB geregelt. § 176a StGB regelt insbesondere auch den Fall, dass der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (§ 176a Absatz 2 Nummer 1 StGB). § 176b StGB stellt den sexuellen Missbrauch von Kindern mit Todesfolge unter Strafe. Personen unter 14 Jahren (Kinder) genießen im deutschen Strafrecht ausnahmslos einen absoluten Schutz vor sexuellen Handlungen. Es kommt daher nicht darauf an, ob das Kind mit der sexuellen Handlung einverstanden ist oder nicht. Denn die Vorschriften zum sexuellen Missbrauch von Kindern schützen die Möglichkeit zur freien Entwicklung sexueller Selbstbestimmungsfähigkeit (Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 176 Rn. 2). Schließlich regelt § 174 StGB den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen, der den sexuellen Missbrauch von Personen teilweise unter 16 Jahren und teilweise unter 18 Jahren erfasst. Erfasst werden Tathandlungen zum Nachteil von leiblichen oder rechtlichen Abkömmlingen des Täters, seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftlicher Gemeinschaft lebt sowie zum Nachteil von Schutzbefohlenen, die sich im Verhältnis zum Täter in bestimmten anderen Obhuts- oder Abhängigkeitsverhältnissen befinden. Zu Artikel 37 – Zwangsheirat Gemäß Artikel  37 haben die Vertragsparteien sicher - zustellen, dass vorsätzliches Verhalten, durch das eine erwachsene Person oder ein Kind zur Eheschließung gezwungen wird, unter Strafe gestellt wird. Darüber hinaus müssen die Vertragsparteien ebenso sicherstellen, dass ein vorsätzliches Verhalten strafbar ist, durch das eine erwachsene Person oder ein Kind in das Hoheitsgebiet einer Vertragspartei oder eines Staates gelockt wird, das nicht das Hoheitsgebiet ihres beziehungsweise seines Aufenthalts ist, um diese erwachsene Person oder dieses Kind zur Eheschließung zu zwingen. Dadurch sollen die Fälle erfasst werden, in denen eine Person unter Vortäuschung falscher Tatsachen mit dem Ziel ins Ausland gelockt wird, um sie dort zur Eheschließung zu zwingen. Mit der Bezeichnung „zwingen" soll der Einsatz von körperlichem und von seelischem Zwang durch Mittel zum Einflößen von Furcht oder zum Ausüben von Zwang erfasst werden. Das deutsche Strafrecht wird diesen Anforderungen gerecht: Gemäß § 237 Absatz 1 Satz 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe nötigt. Als Gewalt kommen vor allem körperliche und sexuelle Übergriffe sowie Einschränkungen der Bewegungsfreiheit durch Einsperren in Betracht. Gemäß § 237 Absatz 2 StGB wird gleichermaßen ein Verhalten unter Strafe gestellt, wenn jemand zur Begehung einer Tat nach § 237 Absatz 1 StGB den Menschen durch Gewalt, Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List in ein Gebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes verbringt oder veranlasst, sich dorthin zu begeben, oder davon abhält, von dort zurückzukehren. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77 – Drucksache 18/12037 76 Dieser Tatbestand der Verschleppung zur Zwangsheirat erfasst nicht nur das von Artikel 37 geforderte „Locken“ ins Ausland durch List, sondern stellt auch das Verbringen beziehungsweise Veranlassen des Begebens in das Ausland oder Abhalten von der Rückkehr von dort durch Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Erzwingung der Ehe unter Strafe. Auch gilt das deutsche Strafrecht in den Fällen des § 237 StGB unabhängig vom Recht des Tatorts für Taten, die im Ausland begangen werden, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist oder wenn die Tat sich gegen eine Person richtet, die zur Zeit der Tat ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (§ 5 Nummer 6 Buchstabe c StGB). Zu Artikel 38 – Verstümmelung weiblicher Genitalien Gemäß Artikel 38 haben die Vertragsparteien mit den erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen sicherzustellen, dass die Entfernung, Infibulation oder Durchführung jeder sonstigen Verstümmelung der gesamten großen oder kleinen Schamlippen oder Klitoris einer Frau oder eines Teiles davon sowie ein Verhalten, durch das eine Frau oder ein Mädchen dazu genötigt oder gebracht oder auch ein Mädchen dazu verleitet wird, sich einer solchen Handlung zu unterziehen, unter Strafe gestellt wird. Dabei sollen die alternativen Tathandlungen des Verleitens, Nötigens oder Bringens zur Unterziehung einer Genitalverstümmelung den Fall abdecken, dass jemand dem Täter beziehungsweise der Täterin einer Genitalverstümmelung Hilfe leistet und so eine Frau dazu gezwungen beziehungsweise ein Mädchen auch verleitet wird, die Verstümmelung zu erleiden, oder dass jemand dem Täter beziehungsweise der Täterin die hierzu erforderlichen Mittel bereitstellt. Obschon das bis dahin geltende Recht bereits eine Ahndung derartiger Taten erlaubte, entschied sich der deutsche Gesetzgeber im Jahr 2013 dazu, den § 226a StGB „Verstümmelung weiblicher Genitalien“ in das StGB einzufügen, der die Verstümmelung der äußeren Genitalien einer weiblichen Person unter Strafe stellt. Der Strafrahmen sieht dabei Freiheitsstrafe von einem bis fünfzehn Jahre vor. In minder schweren Fällen kann auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren erkannt werden. Eine Strafbarkeitslücke bestand aber auch davor nicht. Bei der Vornahme einer Verstümmelung weiblicher Genitalien liegt in aller Regel aufgrund der Begehungsweise mittels eines gefährlichen Werkzeugs auch eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Absatz 1 StGB vor, die mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht ist. Unter Umständen kann auch der Tatbestand der schweren Körperverletzung gemäß des § 226 StGB (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren) erfüllt sein, nämlich dann, wenn das Opfer durch die Tat seine Fortpflanzungsfähigkeit verliert. Handlungen, durch die jemand Hilfe zu einer Genitalverstümmelung leistet, indem er die erforderlichen Mittel bereitstellt oder das Opfer zur Erduldung der Verstümmelung nötigt beziehungsweise zwingt oder ein Mädchen verleitet, sind als Beihilfe (§ 27 StGB) zu der Verstümmelung weiblicher Genitalien strafbar; gegebenenfalls kommt je nach den Umständen des Einzelfalls auch eine gemeinschaftliche Begehung, das heißt Mittäterschaft (§ 25 Absatz 2 StGB beziehungsweise § 224 Absatz 1 Nummer 4 StGB) in Betracht. Bezogen auf die Eltern des Opfers kann auch eine Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 StGB vorliegen. Wird die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung gebracht, ist auf Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren zu erkennen (§ 225 Absatz 3 StGB). Eine eventuelle Einwilligung des Opfers wäre wegen mangelnder Freiwilligkeit oder der Sittenwidrigkeit der Tat gemäß § 228 StGB unbeachtlich. Durch das 49. Strafrechtsänderungsgesetz wurde der Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts für Taten nach §  226a StGB erweitert. Nach §  5 Nummer  9a Buchstabe b StGB gilt deutsches Strafrecht, unabhängig vom Recht des Tatorts, auch für im Ausland begangene Taten nach § 226a StGB, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist oder wenn sich die Tat gegen eine Person richtet, die zur Zeit der Tat ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Zu Artikel 39 – Zwangsabtreibung und Zwangssterilisierung Nach Artikel 39 Buchstabe a müssen die Vertragsparteien durch die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen sicherstellen, dass die vorsätzliche Durchführung einer Abtreibung an einer Frau ohne deren vorherige Zustimmung nach erfolgter Aufklärung unter Strafe gestellt wird. Gleiches gilt nach Artikel 39 Buchstabe b für die Durchführung eines chirurgischen Eingriffs mit dem Zweck oder der Folge, dass die Fähigkeit einer Frau zur natürlichen Fortpflanzung beendet wird, ohne dass diese vorher in Kenntnis der Sachlage ihre Zustimmung zu dem Verfahren oder mit Verständnis dafür erteilt hat. Im deutschen Recht sind diese Forderungen bereits umgesetzt: Entsprechend Artikel 39 Buchstabe a ist der Abbruch einer Schwangerschaft mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe nach § 218 Absatz 1 Satz 1 StGB bedroht. § 218a Absatz 1 StGB schließt den Tatbestand des § 218 StGB dagegen aus, wenn – neben weiteren Voraussetzungen wie der Vornahme des Abbruchs durch einen Arzt innerhalb von zwölf Wochen seit der Empfängnis und dem Nachweis durch Vorlage einer Beratungsbescheinigung nach § 219 Absatz 2 Satz 2 StGB, dass die Beratung mindestens drei Tage vor dem Eingriff stattgefunden hat  – die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt, was mithin ihre Zustimmung nach vorheriger Aufklärung durch den Arzt einschließt. Auch der Rechtfertigungsgrund der medizinisch-sozialen Indikation gemäß § 218a Absatz 2 StGB und der kriminologischen Indikation gemäß § 218a Absatz 3 StGB, das heißt wenn die Frau Opfer einer Tat nach den §§ 176 bis 179 StGB geworden ist, erfordert, dass die Schwangere in den Abbruch eingewilligt hat. Mithin liegt auch in dieser Fallkonstellation eine rechtswidrige Straftat vor, wenn es an der vorherigen Zustimmung der Schwangeren fehlt. In Umsetzung von Artikel 39 Buchstabe b wird gemäß § 218 Absatz 2 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 StGB der Abbruch einer Schwangerschaft zudem als ein besonders schwerer Fall der Tatbegehung mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wenn der Schwangerschaftsabbruch gegen den Willen der Schwangeren vorgenommen wird. Davon erfasst wird Drucksache 18/12037 – 78 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 77 die Vornahme des Abbruchs sowohl gegen den ausdrücklich als auch gegen den schlüssig erklärten Willen der Schwangeren. Schließlich wird in der Regel auch der Tatbestand des § 224 Absatz 1 Nummer 2 oder Nummer 4 StGB erfüllt. Die Durchführung eines chirurgischen Eingriffs mit dem Zweck oder der Folge, dass die Fähigkeit einer Frau zur natürlichen Fortpflanzung beendet wird, ohne dass diese vorher in Kenntnis der Sachlage ihre Zustimmung zu dem Verfahren oder mit Verständnis dafür erteilt hat, ist als schwere Körperverletzung gemäß § 226 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 StGB strafbar und wird mit Freiheitsstrafe von drei bis fünfzehn Jahren bestraft. Voraussetzung des § 226 Absatz 1 Nummer  1  StGB ist eine vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 StGB), die zur Folge hat, dass die verletzte Person ihre Fortpflanzungsfähigkeit verliert. Da nach der Rechtsprechung auch ärztliche Eingriffe den Straftatbestand der Körperverletzung erfüllen und die Einwilligung des Patienten lediglich die Rechtswidrigkeit des Handelns gemäß § 228 StGB entfallen lässt, unterfällt auch ein chirurgischer Eingriff zum Zwecke der Sterilisation einer anderen Person grundsätzlich dem Straftatbestand der Körperverletzung. Da dieser chirurgische Eingriff zudem die Folge des Verlustes der Fortpflanzungsfähigkeit nach sich zieht und diese Folge wissentlich und absichtlich verursacht wird, ist auch der Qualifikationstatbestand der schweren Körperverletzung nach § 226 Absatz 1 Nummer  1 in Verbindung mit Absatz  2  StGB erfüllt. Eine Einwilligung der verletzten Person in die Sterilisation würde die Rechtswidrigkeit der schweren Körperverletzung entfallen lassen. Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung in den chirurgischen Eingriff ist wiederum die Aufklärung der verletzten Person und damit die ebenfalls von Artikel 39 geforderte Kenntnis über die Sachlage und das Verfahren. Zu Artikel 40 – Sexuelle Belästigung Gemäß Artikel  40 haben die Vertragsparteien mit den erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen sicherzustellen, dass jede Form von ungewolltem sexuell bestimmtem verbalem, nonverbalem oder körperlichem Verhalten mit dem Zweck oder der Folge, die Würde einer Person zu verletzen, insbesondere wenn dadurch ein Umfeld der Einschüchterung, Feindseligkeit, Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung geschaffen wird, strafrechtlichen oder sonstigen rechtlichen Sanktionen unterliegt. Den Vertragsparteien steht es dabei frei, sexuelle Belästigungen im Rahmen des Strafrechts zu behandeln oder administrativen Sanktionen oder sonstigen rechtlichen Sanktionen zu unterstellen und so zu gewährleisten, dass sexuelle Belästigung in der Gesetzgebung behandelt wird. Inhaltlich sollen verschiedene Formen der sexuellen Belästigung erfasst werden, wobei drei Hauptformen von sexuell bestimmtem Verhalten benannt werden können, das dem Opfer ohne dessen Einwilligung aufgezwungen wird, nämlich verbale, nonverbale und körperliche sexuelle Belästigung. Des Weiteren müssen die beschriebenen Handlungen die Verletzung der Würde des Opfers zum Ziel oder als Auswirkung haben. Das deutsche Recht wird diesen Anforderungen gerecht: Im Rahmen des Anwendungsbereichs des AGG regelt § 3 Absatz 4  die sexuelle Belästigung als einen häufigen Fall der Belästigung mit Bezug auf das Geschlecht im Arbeitsleben; erfasst sind alle arbeitsrechtlichen Bereiche. Hiernach ist eine sexuelle Belästigung eine Benachteiligung, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterung, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Mit dem 50. Strafrechtsänderungsgesetz – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung – wurde ein neuer Straftatbestand der sexuellen Belästigung in das StGB aufgenommen. Nach § 184i Absatz 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Mit dem neuen Straftatbestand können solche Ver haltensweisen erfasst werden, die – weil sie die Erheb lichkeitsschwelle von § 184h Nummer 1 StGB nicht erreichen – keine sexuelle Handlung darstellen und damit nicht bereits nach § 177 StGB strafbar sind. Darüber hinaus ist gemäß § 185 StGB die Beleidigung mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe und die tätliche Beleidigung mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Erfasst werden dabei auch Angriffe auf die sexuelle Selbstbestimmung verbaler und nonverbaler Art sowie tätliche Annäherungen ohne Einverständnis der betroffenen Person, wenn nach den konkreten Umständen in diesem Verhalten eine herabsetzende Bewertung des Opfers zu sehen ist. Eine besondere Beleidigungsabsicht ist nicht erforderlich. Zu Artikel 41 – Beihilfe oder Anstiftung und Versuch Gemäß Artikel 41 Absatz 1 sollen Beihilfe oder Anstiftung, wenn vorsätzlich begangen, an den in dem Übereinkommen umschriebenen strafbaren Handlungen unter Strafe gestellt werden. Dem kommt das geltende Recht mit den §§ 26, 27 StGB nach. Umsetzungsbedarf ist nicht gegeben. Artikel 41 Absatz 2 legt den Vertragsparteien auf, den vorsätzlichen Versuch an den in den Artikeln 35, 36, 37, 38 Buchstabe  a und Artikel 39 des Übereinkommens umschriebenen strafbaren Handlungen unter Strafe zu stellen. Nach geltendem Recht (§ 23 StGB) ist der Versuch eines Verbrechens stets, der Versuch eines Vergehens nur dann strafbar, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. Wie zu Artikel 35 dargelegt, sind die darin beschriebenen Körperverletzungsdelikte nach den §§ 223, 224, 225, 226 und 227 StGB strafbar. Die Strafbarkeit des Versuchs der einfachen und der gefährlichen Körperverletzung sowie der versuchten Misshandlung von Schutzbefohlenen ist in den § 223 Absatz 2, § 224 Absatz 2 und § 225 Absatz 2 StGB geregelt. Da die schwere Körperverletzung gemäß § 226 Absatz 1 StGB mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und die Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 Absatz 1 StGB mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bedroht ist, handelt sich bei diesen Delikten um Verbrechen, deren Versuch gemäß § 23 Absatz 1 StGB stets strafbar ist. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 79 – Drucksache 18/12037 78 Für den in Artikel 36 umschriebenen sexuellen Übergriff gemäß § 177 Absatz 1 StGB ist in § 177 Absatz 3 StGB die Strafbarkeit des Versuchs vorgesehen. Der versuchte sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen ist gemäß § 174 Absatz 4 StGB und der versuchte sexuelle Missbrauch von Kindern in den Fällen des §  176 Absatz 6 StGB strafbar. Der schwere sexuelle Missbrauch von Kindern nach § 176a StGB ist ein Verbrechen, dessen Versuch gemäß § 23 Absatz 1 StGB stets strafbar ist. Der Versuch der in Artikel 37 beschriebenen Zwangsheirat ist gemäß § 237 Absatz 3 StGB strafbar. Wie zu Artikel 38 dargelegt, erfüllt die Verstümmelung der äußeren Genitalien einer weiblichen Person den Straftatbestand des § 226a StGB. Da die Verstümmelung weiblicher Genitalien nach § 226a StGB mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bedroht ist, handelt es sich bei diesem Delikt um ein Verbrechen im Sinne des § 12 Absatz 1 StGB. Der Versuch eines Verbrechens ist gemäß § 23 Absatz 1 StGB stets strafbar. Ebenso ist der Versuch des von Artikel 39 umschriebenen erzwungenen Schwangerschaftsabbruchs gemäß § 218 Absatz 4 Satz 1 StGB strafbar. Zu  Artikel  42  –  Inakzeptable  Rechtfertigungen  für Straftaten,  einschließlich  der  im  Namen  der  sogenannten „Ehre“ begangenen Straftaten Nach Artikel 42 Absatz 1 treffen die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass in Strafverfahren, die in Folge der Begehung einer der in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Gewalttaten eingeleitet werden, Kultur, Bräuche, Religion, Tradition oder die sogenannte „Ehre“ nicht als Rechtfertigung für solche Handlungen angesehen werden. Dies bezieht sich ins - besondere auf Behauptungen, das Opfer habe kulturelle, religiöse, soziale oder traditionelle Normen oder Bräuche bezüglich des angemessenen Verhaltens verletzt. Hier wird auf die Ausführungen zu Artikel 12 Absatz 5 ver - wiesen. In Artikel 42 Absatz 2 wird bestimmt, dass die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass das Verleiten eines Kindes durch eine Person, eine der in Artikel 42 Absatz 1 genannten Handlungen zu begehen, die strafrechtliche Verantwortlichkeit dieser Person für die begangenen Handlungen nicht mindert. Diese Vorgabe wird durch § 25 Absatz 1 2. Alternative StGB, dem Institut der mittelbaren Täterschaft, umgesetzt. Zu Artikel 43 – Anwendung der Straftatbestände Artikel 43 legt fest, dass die nach diesem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt umschriebenen Straftaten unabhängig von der Art der Täter-OpferBeziehung Anwendung finden. Das deutsche Strafrecht wird diesen Anforderungen gerecht. Insbesondere finden unabhängig von der Art der Beziehung des Täters zum Opfer, das heißt zum Beispiel unabhängig davon, ob es sich um einen Ehepartner oder Ehepartnerin, sonstigen Beziehungspartner oder sonstige Beziehungspartnerin oder sonstiges Familienmitglied handelt, auch die Straftatbestände gegen das Leben (§§  211  ff.  StGB), der Körperverletzung (§§ 223 ff. StGB), der Verstümmelung weiblicher Genitalien (§ 226a StGB), der Nachstellung (§ 238 StGB), der Nötigung (§ 240 StGB), der Bedrohung (§ 241 StGB), der Beleidigung (§ 185 StGB), des sexuellen Übergriffs, der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung (§ 177 StGB), des sexuellen Missbrauchs (§§ 174 ff. StGB), der Zwangsheirat (§ 237 StGB) als auch eines Schwangerschaftsabbruchs gegen den Willen der Schwangeren (§ 218 StGB) Anwendung. Insbesondere ist, nachdem in der bis zum 4. Juli  1997 geltenden Fassung des §  177  StGB ausschließlich der mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben erzwungene außereheliche Beischlaf als Tatbestand der Vergewaltigung strafbar war und im Übrigen für den erzwungenen ehe - lichen Beischlaf lediglich der Tatbestand der Nötigung gemäß § 240 StGB und gegebenenfalls der Körperverletzung herangezogen werden konnte, seit dem 5. Juli 1997 auch die sexuelle Selbstbestimmung in der Ehe beziehungsweise eingetragenen Lebenspartnerschaft gleichermaßen dem strafrechtlichen Schutz des § 177 StGB unterstellt. Den besonderen Umständen einer Begehung der genannten Straftaten innerhalb der Familie kann insbesondere bei der Strafzumessung Rechnung getragen werden. Diese Täter-Opfer-Beziehung schließt jedoch nach dem Gesetz eine Strafverfolgung nicht aus. Zu Artikel 44 – Gerichtsbarkeit Artikel  44 enthält Regelungen zum Strafanwendungsrecht, insbesondere zur Geltung des eigenen Strafrechts bei im Ausland begangenen Taten. Artikel 44 Absatz 1 verpflichtet die Vertragsparteien, ihre „Gerichtsbarkeit“, also die materielle Geltung des eigenen Strafrechts, zu begründen, wenn die Straftat a) im Hoheitsgebiet der Vertragspartei, b) an Bord eines Schiffes, das die Flagge der Vertragspartei führt, c) an Bord eines Luftfahrzeugs, das nach dem Recht der Vertragspartei eingetragen ist, d) durch einen ihrer Staatsangehörigen oder e) durch eine Person, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Hoheitsgebiet der Vertragspartei hat, begangen wurde. Das deutsche Recht erfüllt die Anforderungen des Artikels  44 Absatz  1 Buchstabe  a bis c durch die §§  3 und 4 StGB. Danach gilt das deutsche Strafrecht für Inlandstaten sowie für Taten, die auf Schiffen und Luftfahrzeugen begangen werden, die berechtigt sind, die Bundesflagge oder das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen. Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe d wird für sich gesehen bereits durch § 7 Absatz 2 Nummer 1 StGB umgesetzt. Danach gilt deutsches Strafrecht für Auslandstaten eines deutschen Staatsangehörigen unter der Voraussetzung, dass die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt. Soweit Artikel 44 Absatz 3 im Hinblick auf die in den Artikeln 36, 37, 38 und 39 genannten Straftaten fordert, die Gerichtsbarkeit nicht davon abhängig zu machen, dass die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist, erfüllt das deutsche Recht auch diese Anforderungen. Unabhängig vom Tatortrecht gilt das deutsche Strafrecht hinsichtlich der hier relevanten Straftatbestände für deutsche Täter bei der in §  5 Nummer  6 Buchstabe  c genannten Zwangsheirat Drucksache 18/12037 – 80 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 79 (§ 237 StGB), bei dem in § 5 Nummer 8 StGB genannten sexuellen Übergriff (§  177  StGB), bei dem in §  5 Nummer 9 Buchstabe a genannten besonders schweren Fall des Schwangerschaftsabbruchs (§  218 Absatz  2 Satz  2 Nummer  1  StGB), bei der in §  5 Nummer  9a Buchstabe  a genannten schweren Körperverletzung (§ 226 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 StGB), und bei der in § 5 Nummer 9a Buchstabe b genannten Verstümmelung weiblicher Genitalien (§  226a StGB). Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung der Entwürfe für das 49. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10) verwiesen, mit dem – unter anderem – die Vorgaben dieses Übereinkommens zum Strafanwendungsrecht ins deutsche Recht umgesetzt wurden (vgl. Bundestagsdruck - sache 18/2954, S. 7 in Verbindung mit Bundestagsdrucksache 18/2601, S. 18 ff.). Das deutsche Strafrecht enthält keine Regelung, die vollständig Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe e umsetzt, also eine Vorschrift, nach der (auch) für Auslandstaten, die von Ausländern oder Staatenlosen begangen werden, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, grundsätzlich immer das deutsche Strafrecht gilt. Die in der Praxis wesentlichen Fallgestaltungen dieser Konstellation werden zwar grundsätzlich durch §  7 Absatz  2 Nummer 2 StGB abgedeckt, wonach deutsches Strafrecht bei der Auslandstat eines im Inland angetroffenen Ausländers (wozu auch Staatenlose gehören; vgl. Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 7 Rn. 5) anwendbar ist, wenn der Täter, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird (sei es, weil ein Auslieferungsersuchen innerhalb angemessener Frist nicht gestellt oder es abgelehnt wird oder weil die Auslieferung nicht ausführbar ist). Soweit ausnahmsweise trotzdem § 7 Absatz 2 Nummer 2 StGB keine Anwendung findet, weil der Täter, obwohl er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, hier dennoch nicht „betroffen“ oder betroffen und ausgeliefert wird, kann es letztlich dahinstehen, ob Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe e auch für diese seltene Sachverhaltskonstellation überhaupt Geltung beanspruchen will, obwohl der Staat in diesem Fall gar keinen unmittelbaren Zugriff auf den Täter (mehr) hat. Sollte Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe e dennoch so weit reichen und da Artikel 44 Absatz 3, wonach die Verfolgbarkeit der nach den Artikeln 36, 37, 38 und 39 umschriebenen Straftaten nicht vom Erfordernis der Tatortstrafbarkeit abhängig gemacht werden darf, auch für Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe e gilt, wird von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Vorbehalt nach Artikel 78 Absatz 2 einzulegen (zu einer ähnlichen Konstellation vgl. bereits die Denkschrift zum Übereinkommen des Europarats vom 16. Mai 2005 zur Bekämpfung des Menschenhandels, Bundestagsdrucksache  17/7316, S.  50 und die Denkschrift zum Übereinkommen des Europarats vom 25. Oktober 2007 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch, Bundestagsdrucksache 18/3122, S. 48). Diese Vorbehaltseinlegung erfolgt – abgesehen von der allenfalls (sehr) geringen praktischen Relevanz einer formellen Übernahme des in Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe e enthaltenen „Domizilprinzips“ – auch deshalb, weil dieses Prinzip dem deutschen Strafanwendungsrecht fremd ist. Zwar gibt es einige Regelungen, bei denen es eine zusätzliche Voraussetzung ist, dass der Täter oder das Opfer nicht nur Deutscher ist, sondern seine „Lebensgrundlage“ auch in der Bundesrepublik Deutschland hat (vgl. § 5 Nummer 3 Buchstabe a, Nummer 5 Buchstabe b, Nummer 8 und Nummer 9 Buchstabe b StGB). Eine Regelung für Auslandstaten, in der das deutsche Strafrecht nicht nur Staatsangehörigen, sondern – über das aktive Personalitätsprinzip hinaus – auch im Inland ansässigen Ausländern auferlegt wird, gibt es hingegen nicht (dies gilt auch für § 5 Nummer 6 Buchstabe a bis c StGB, da dort das Opfer, nicht der Täter, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben muss). Dafür gibt es auch gute Gründe. Bei dem an die Staatsangehörigkeit des Täters anknüpfenden aktiven Personalitätsprinzip handelt es sich um einen völkerrechtlich allgemein anerkannten und auch im ausländischen Recht weit verbreiteten Grundsatz, dem der Gedanke der Personalhoheit über die eigenen Staatsangehörigen zugrunde liegt (MK-Ambos, StGB, 3. Auflage (2017), vor § 3 Rn. 27). Einen solchen rechtlichen Anknüpfungspunkt oder einen entsprechend anerkannten und verbreiteten Grundsatz gibt es im Hinblick auf im Inland ansässige Ausländer hingegen (noch) nicht. Nach Artikel 44 Absatz 2 bemühen sich die Vertragsparteien, die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen zu treffen, um ihre Gerichtsbarkeit in Bezug auf Straftaten, die Gegenstand des Übereinkommens sind, zu begründen, wenn die Straftaten gegenüber einem ihrer Staatsangehörigen oder einer Person, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet hat, begangen werden. Diese Vorgabe („bemühen“) enthält nach der ausdrücklichen Klarstellung im Erläuternden Bericht zum Übereinkommen (Rn.  226) keine Umsetzungsverpflichtung. Unabhängig davon ist anzumerken, dass nach §  7 Absatz 1 StGB deutsches Strafrecht immer dann Anwendung findet, wenn die Auslandstat sich gegen eine Deutsche oder einen Deutschen richtet und am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort ausnahmsweise keiner Strafgewalt unterliegt. Die Regelung dürfte damit zu - mindest einen Großteil der denkbaren Fälle abdecken. Zwar ist zu bedenken, dass die in Artikel 44 Absatz 3 enthaltene Vorgabe, wonach die Verfolgbarkeit der nach den Artikeln  36, 37, 38 und 39 umschriebenen Straftaten nicht vom Erfordernis der Tatortstrafbarkeit abhängig gemacht werden darf, sich auch auf Artikel 44 Absatz 2 bezieht. Diese wird aber hinsichtlich der Zwangsheirat (§ 237 StGB, der Artikel 37 umsetzt) in § 5 Nummer 6 Buchstabe c StGB und hinsichtlich der Verstümmelung weiblicher Genitalien (§ 226a StGB, der Artikel 38 umsetzt) in § 5 Nummer 9a Buchstabe b StGB umgesetzt. Die in Artikel 44 Absatz 4 für die Fälle des Artikels 44 Absatz 1 Buchstabe d und e zusätzlich enthaltene Vorgabe, dass die Gerichtsbarkeit nicht von einer Anzeige des Opfers oder des Tatortstaates abhängen darf, spielt aus deutscher Sicht keine Rolle, da es nach geltendem Recht eine solche materiell-rechtliche Einschränkung nicht gibt (dazu, dass die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auch nicht von einem förmlichen Strafantrag des Opfers im Tatortstaat oder generell der Verfolgbarkeit im Tatortstaat abhängt, vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011, 4 StR 112/11). Artikel 44 Absatz 5 verpflichtet jede Vertragspartei dazu, ihre Gerichtsbarkeit zu begründen, wenn der Verdächtige sich in ihrem Hoheitsgebiet befindet und aufgrund seiner Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 81 – Drucksache 18/12037 80 Staatsangehörigkeit nicht an eine andere Vertragspartei ausgeliefert werden kann. Obwohl der Wortlaut von Artikel 44 Absatz 5 generell davon spricht, dass die Auslieferung allein wegen der Nationalität des Täters ausscheidet, geht es nach den Ausführungen im Erläuternden Bericht zum Übereinkommen (Rn. 229) konkret um die Fälle, in denen sich der Staat weigert, eigene Staatsangehörige auszuliefern. Damit werden die hier denkbaren Fälle (Täter oder Täterin ist Deutscher beziehungsweise Deutsche) bereits durch die Umsetzung der Vorgaben von Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe d erfasst. Artikel 44 Absatz 6 löst für Strafverfolgungsbehörden der Vertragsparteien Konsultationspflichten aus, falls die Gerichtsbarkeit von mehr als einer Vertragspartei geltend gemacht wird und diese ausgeübt werden soll. Dies entspricht der bestehenden deutschen Rechtslage. Das Legalitätsprinzip verpflichtet deutsche Strafverfolgungsbehörden bereits, den Sachverhalt vollständig zu erforschen. Dies schließt gegebenenfalls auch Erörterungen mit Behörden anderer Staaten ein, die mit demselben Sachverhalt befasst sind, und kann auf §  59, auch in Verbindung mit § 1 Absatz 3, des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) gestützt werden. Die Konsultationen können dahingehen, dass eine Vertragspartei von der Durchführung eines eigenen Strafverfahrens ganz oder teilweise absieht. Neben den sonstigen Einstellungsmöglichkeiten der §§ 153 ff. StPO erlaubt §  153c  StPO ausdrücklich, von der weiteren Verfolgung von Auslandstaten abzusehen. Absatz 6 schreibt jedoch, wie auch der Rahmenbeschluss 2009/948/JI des Rates vom 30.  November  2009 zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren (ABl. L 328 vom 15.12.2009, S. 42) für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nur Erörterungen zum Zwecke der Koordinierung etwaiger paralleler Strafverfahren vor. Die Vorschrift schließt das Ergebnis nicht aus, dass doch mehrere oder alle Vertragsparteien eigene Strafverfahren durchführen. Eine Pflicht zur Einigung über die Gerichtsbarkeit, welche zur Anwendung kommen soll, besteht nicht. Dies erkennt auch Artikel 44 Absatz 7 an. Weder die allgemeinen Regeln des Völkerrechts noch andere Regelungen auf Ebene des Europarats stehen einer Mehrfachverfolgung in verschiedenen Rechtsordnungen entgegen. Grenzen ergeben sich nach rechtskräftiger Entscheidung im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union beziehungsweise Schengen-assoziierten Staaten aus Artikel 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens und Artikel 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Zu Artikel 45 – Sanktionen und Maßnahmen Gemäß Artikel 45 Absatz 1 treffen die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen bedroht werden. Diese Sanktionen umfassen gegebenenfalls freiheitsentziehende Maßnahmen, die zur Auslieferung führen können. Es ist den Vertragsparteien überlassen zu entscheiden, welche nach dem Übereinkommen umschriebenen Straftaten mit einer Freiheitsstrafe bedroht werden. Das deutsche Recht wird diesen Anforderungen hin - reichend gerecht. Wie zu den Artikeln  33 bis 41 aus - geführt, sind die in dem Übereinkommen umschriebenen Taten nach dem deutschen StGB als Körperverletzung (§§ 223 ff. StGB), Nachstellung (§ 238 StGB), Nötigung (§ 240  StGB), Bedrohung (§  241  StGB), Beleidigung (§ 185 StGB), sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung (§ 177 StGB), Zwangsheirat (§ 237 StGB), Verstümmelung weiblicher Genitalien (§ 226a StGB) und Schwangerschaftsabbruch (§ 218 StGB) sowie als Verstoß gegen eine Schutzanordnung nach dem GewSchG oder eine Verpflichtung aus einem gerichtlich bestätigten Vergleich (§ 4 GewSchG) strafbar. Sämtliche dieser Straftatbestände weisen eine Strafandrohung auf, die der Schwere des Delikts angemessen ist und hinreichend abschreckend wirkt. Im Einzelnen gilt folgende Strafandrohung: • sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung (§ 177 Absatz 1 und 2 StGB): Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren, • sexueller Übergriff im besonders schweren Fall (§ 177 Absatz 6): Freiheitsstrafe von zwei bis fünfzehn Jahren, • sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen (§  174 StGB): Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, • sexueller Missbrauch von Kindern mit Körperkontakt (§ 176 Absatz 1 und 2 StGB): Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, • sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt (§ 176 Absatz 4 und 5 StGB): Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, • sexueller Missbrauch von Kindern mit Körperkontakt im besonders schweren Fall (§ 176 Absatz 3 StGB): Freiheitsstrafe von einem Jahr bis fünfzehn Jahren, • schwerer sexueller Missbrauch von Kindern (§ 176a Absatz 1 StGB): Freiheitsstrafe von einem bis fünfzehn Jahren beziehungsweise Freiheitsstrafe von zwei bis fünfzehn Jahren (§ 176a Absatz 2 und 3 StGB) beziehungsweise Freiheitsstrafe von fünf bis fünfzehn Jahren (§ 176 Absatz 5 StGB), • sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge (§ 176b StGB): lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe von zehn bis fünfzehn Jahren, • sexuelle Belästigung (§ 184i StGB): Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe, • vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 StGB): Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, • gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB): Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, • Misshandlung von Schutzbefohlenen (§  225  StGB): Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, • schwere Körperverletzung (§ 226 StGB): Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, • Verstümmelung weiblicher Genitalien (§ 226a StGB): Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren, • Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB): Freiheitsstrafe von drei bis fünfzehn Jahren, • Nötigung (§ 240 StGB): Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, in besonders schweren Fällen Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, Drucksache 18/12037 – 82 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 81 • Bedrohung (§ 241 StGB): Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe, • Zwangsheirat (§ 237 StGB): Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, • Nachstellung (§ 238 StGB): Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, • § 4 GewSchG: Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe, • Beleidigung (§ 185 StGB): Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe, • Schwangerschaftsabbruch (§ 218 Absatz 1 StGB): Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, • Schwangerschaftsabbruch im besonders schweren Fall (§ 218 Absatz 2 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 StGB): Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Mit diesen Strafandrohungen sind auch Sanktionen gewährleistet, die gegebenenfalls zur Auslieferung eines mutmaßlichen Täters zur Strafvollstreckung in einem anderen, ersuchenden Staat führen können. Gemäß Artikel 2 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens (SEV Nummer 24) führen solche Taten zu einer Auslieferung, die – nach den Gesetzen der ersuchenden und der ersuchten Vertragspartei – mit einer freiheitsentziehenden Strafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung von einer Höchstdauer von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Strafe bedroht sind. Eine solche Strafandrohung ist bei all den vorgenannten Straftaten gegeben. Mithin sind die Taten nach deutscher Rechtslage auslieferungsfähig (vgl. § 1 Absatz 3, § 3 Absatz 2 und 3 IRG). Schließlich kann neben den genannten angedrohten Strafen bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch noch die Anordnung von bestimmten Maßregeln der Besserung und Sicherung in Betracht kommen, wie etwa die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) oder in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB), die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) oder das Berufsverbot (§ 70 StGB). In Artikel 45 Absatz 2 ist vorgesehen, dass die Vertragsparteien weitere Maßnahmen in Bezug auf Täter und Täterinnen treffen können wie beispielsweise die Überwachung und Betreuung verurteilter Personen oder den Entzug der elterlichen Rechte, wenn das Wohl des Kindes, das die Sicherheit des Opfers umfassen kann, nicht auf andere Weise garantiert werden kann. Auch diese Maßnahmen ermöglicht das deutsche Recht. Nach Artikel 6 Absatz 2 GG sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Es ist also in erster Linie die Aufgabe der Eltern, für das Wohlergehen und den Schutz ihrer Kinder zu sorgen. Wenn die Eltern ihrer Aufgabe aber nicht nachkommen, dann tragen auch Staat und Gesellschaft Verantwortung für ein Kind. Nach den §§ 1666, 1666a BGB hat das Familiengericht, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind. Eine mögliche Maßnahme ist hierbei der teilweise oder vollständige Entzug der elterlichen Sorge. Nach dem AGG stehen den Betroffenen bei unzulässigen Benachteiligungen im Arbeitsrecht und in bestimmten Bereichen des Zivilrechts insbesondere Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz zu. Zu Artikel 46 – Strafschärfungsgründe Artikel 46 hält die Vertragsparteien an, dafür Sorge zu tragen, dass bestimmte Umstände (in den Unterabsätzen a bis i aufgeführt) als strafschärfend angesehen werden können, soweit sie nicht bereits Tatbestandsmerkmale darstellen. Mit der Verwendung der Begrifflichkeit „berücksichtigt werden können“ sollen die Vertragsparteien angehalten werden, den Rahmen dafür zu schaffen, dass Richter und Richterinnen die genannten Strafschärfungsgründe abwägen können, ohne aber zu deren Anwendung verpflichtet zu sein. Des Weiteren enthält Artikel 46 die Wendung „im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts“, womit unterstrichen werden soll, dass die Vertragsparteien einige ihrer eigenen rechtlichen Konzepte beibehalten können (vgl. Erläuternder Bericht Rn. 235). Im Einzelnen gilt Folgendes: a) Buchstabe a (Intimbeziehung) Im Erläuternden Bericht wird betont, dass es bei Artikel 46 Buchstabe a um Szenarien geht, bei der die Position als Vertrauensperson, die im Allgemeinen mit einer solchen Beziehung einhergeht, sowie der besondere psychische Schaden, der aus dem Vertrauensbruch entstehen kann, als das verbindende Element anzusehen ist (vgl. Erläuternder Bericht Rn.  236). Dies ist nach der Rechtsprechung des BGH ein Umstand, der im Rahmen des § 46 Absatz 2 StGB strafschärfend berücksichtigt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 19.  Dezember 2006, 3 StR 464/06). b) Buchstabe b (wiederholte Tatbegehung) Das deutsche Recht trägt den Vorgaben des Artikels 46 Buchstabe b bereits hinreichend Rechnung. Eine wiederholte Tatbegehung kann auf eine höhere kriminelle Energie schließen lassen und deshalb im Rahmen der Strafzumessung nach §  46 Absatz  2  StGB strafschärfend bewertet werden (BGH, Beschluss vom 18.  Dezember 1990, 4 StR 548/90). Darüber hinaus enthält §  176a Absatz  1  StGB einen Qualifikationstatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, wenn der Täter eines sexuellen Missbrauchs nach § 176 Absatz 1 und 2 StGB innerhalb der letzten fünf Jahre wegen einer solchen Straftat rechtskräftig verurteilt worden war. c) Buchstabe  c  (besonders  verletzliche  Person  als Opfer) Artikel  46 Buchstabe  c sieht vor, dass strafschärfend berücksichtigt werden kann, wenn sich die Tat gegen besonders verletzliche Personen richtet. Artikel 46 Buchstabe c wird von § 46 Absatz 2 StGB umgesetzt, da die Persönlichkeit und die konkreten Lebensumstände des Opfers zu berücksichtigen sind (vgl. Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 46 Rn. 59; OLG Karlsruhe, Die Justiz 1972, 287 f.). Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 83 – Drucksache 18/12037 82 d) Buchstabe  d  (Kind  ist  Opfer  beziehungsweise Straftat wurde in dessen Gegenwart begangen) Handelt es sich bei dem Kind um das eigentliche Opfer der Straftat, gelten die Ausführungen zu Artikel 46 Buchstabe c. Ansonsten gilt, dass § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB es ermöglicht, die verschuldeten Auswirkungen der Tat zu berücksichtigen, wozu etwa der Umstand zählen kann, „dass die Kinder ihre tote Mutter im Blut liegen sehen mussten“ (vgl. BGH, Beschluss vom 3.  Juni  1992, 3 StR 154/92, allgemein zur Berücksichtigung von Auswirkungen der Tat auf Dritte, vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002, 3 StR 190/02, sowie Fischer, a. a. O., § 46 Rn. 34b). Wird zudem ein Kind (Person unter 18 Jahren) von einer Person, deren Fürsorge und Obhut das Kind untersteht, gequält oder roh misshandelt oder durch böswillige Vernachlässigung an seiner Gesundheit geschädigt, so ist dies als Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 Absatz  1  StGB strafbar. §  225 Absatz  1  StGB enthält gegenüber der einfachen Körperverletzung (§ 223 StGB) eine erhöhte Strafandrohung. Sexuelle Missbrauchshandlungen an Kindern sowie an Schutzbefohlenen unter 16 beziehungsweise 18 Jahren werden besonders in den Vorschriften der §§ 174, 176 ff. StGB unter Strafe gestellt. e) Buchstabe e (Tatbegehung durch zwei oder mehrere Personen) Gemäß § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB („die Art der Ausführung“) kann sich die Beteiligung mehrerer Personen an der Tat strafschärfend auswirken (LK-Theune, StGB, 12. Auflage (2006), § 46 Rn. 141). Darüber hinaus ist die gemeinschaftlich mit einem anderen Beteiligten begangene Körperverletzung als Gefähr - liche Körperverletzung gemäß §  224 Absatz  1 Nummer 4 StGB strafbar und enthält gegenüber der einfachen Körperverletzung (§ 223 StGB) eine erhöhte Strafandrohung. Zudem ist der von mehreren gemeinschaftlich begangene sexuelle Übergriff ein besonders schwerer Fall desselben gemäß § 177 Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 StGB, der gegenüber dem einfachen sexuellen Übergriff eine erhöhte Strafandrohung aufweist. Ebenso ist der von mehreren gemeinschaftlich begangene sexuelle Missbrauch eines Kindes als ein Fall des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176a Absatz 2 Nummer 2 StGB mit erhöhter Strafandrohung geregelt. f) Buchstabe f (Tatbegehung nach oder mit extremer Gewalt) Auch diese Vorgabe wird vom deutschen Recht bereits umgesetzt. § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB ermöglicht es, die Art der Tatausführung und damit beispielsweise einen extremen Grad an Gewaltanwendung strafschärfend zu berücksichtigen. Teilweise werden derartige Begehungsformen auch bereits als Qualifikationstatbestände erfasst. So enthalten § 177 Absatz  8 Nummer  2 Buchstabe  a  StGB sowie § 176a Absatz  5  StGB jeweils einen Qualifikationstat - bestand mit einer Strafandrohung von Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer bei dem sexuellen Übergriff oder der sexuellen Nötigung beziehungsweise das Kind bei der sexuellen Missbrauchshandlung körperlich schwer misshandelt. §  225 Absatz 1 StGB als Qualifikationstatbestand gegenüber der einfachen Körperverletzung kann bei der Anwendung von extremer Gewalt gegenüber Schutzbefohlenen in der Handlungsalternative des Quälens oder der rohen Misshandlung erfüllt sein. g) Buchstabe g (Einsatz von Waffen) § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB („die Art der Ausführung“) ermöglicht es bereits, den Einsatz von oder die Drohung mit Waffen strafschärfend zu berücksichtigen (Fischer, a. a. O., § 46 Rn. 32). In § 224 Absatz 1 Nummer 2 StGB ist zudem die Körperverletzung mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs als gefährliche Körperverletzung mit erhöhter Strafandrohung ausgestaltet. Ebenso enthält § 177 Absatz  7 Nummer  1  StGB für den sexuellen Übergriff unter Mitführung einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs und § 177 Absatz 8 Nummer 1 StGB für den sexuellen Übergriff unter Verwendung einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs jeweils einen Qualifikationstatbestand mit erhöhter Strafan - drohung. h) Buchstabe  h  (schwere  körperliche  oder  psychische Folgen für das Opfer) Auch dies wird vom deutschen Recht umgesetzt. Nach § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB sind die verschuldeten Auswirkungen der Tat zu berücksichtigen. Darüber hinaus sieht § 226 StGB den Qualifikationstatbestand der schweren Körperverletzung mit einer erhöhten Strafandrohung für die Körperverletzung vor, die den Verlust des Sehvermögens auf mindestens einem Auge, den Verlust oder die dauernde Gebrauchsunfähigkeit eines wichtigen Gliedes des Körpers, die dauernde Entstellung in erheblicher Weise oder das Verfallen in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung zur Folge hat. § 226 Absatz 1 StGB erfasst dabei die fahrlässige und Absatz  2 die absichtliche oder wissentliche Verur sachung der genannten schweren Folgen der Körperver letzung. § 225 Absatz 3 StGB und § 176a Absatz 2 Nummer 3 StGB enthalten außerdem jeweils einen Qualifikations - tatbestand für den Fall, dass der Täter die schutzbefoh - lene Person beziehungsweise das Kind durch die Tat unter anderem vorsätzlich in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt. Zudem enthält § 177 Absatz 7 Nummer 3 StGB für den sexuellen Übergriff und § 238 Absatz 2 StGB für die Nachstellung jeweils einen Qualifikationstatbestand, wenn der Täter das Opfer durch die Tat vorsätzlich in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt. § 218 Absatz 2 Nummer 2 StGB enthält für die leichtfertige Verursachung der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung der Schwangeren durch den Schwangerschaftsabbruch ebenfalls einen Qualifikationstatbestand mit erhöhter Strafandrohung. Da dem Eintritt einer schweren Gesundheitsschädigung jeweils die konkrete Gefahr einer schweren Gesundheits - schädigung vorausgegangen sein muss, wird mithin auch die ein getretene schwere Gesundheitsschädigung beziehungsweise die erhebliche Schädigung der körper lichen oder seelischen Entwicklung bei § 225 Absatz 3 StGB von den genannten Qualifikationstatbeständen erfasst. Drucksache 18/12037 – 84 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 83 i) Buchstabe i (einschlägige Vorstrafen) § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB ermöglicht die strafschärfende Berücksichtigung des (insbesondere kriminellen) Vor - lebens des Täters und damit auch etwaiger einschlägiger Vorstrafen. Im Übrigen wird bezüglich des Qualifikationstatbestandes des § 176a Absatz 1 StGB auf die Ausführungen zu Artikel 46 Buchstabe b verwiesen. Zu  Artikel  47  –  Von  einer  anderen  Vertragspartei  erlassene Strafurteile Nach diesem Artikel treffen die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um die Möglichkeit vorzusehen, bei der Festsetzung des Strafmaßes die von einer anderen Vertragspartei erlassenen rechtskräftigen Strafurteile wegen nach diesem Übereinkommen umschriebener Straftaten zu berücksichtigen. Deutsches Recht setzt diese Vorgabe um. § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB ermöglicht es, das Vorleben des Täters bei der Strafzumessung zu berücksichtigen: Dabei ist allgemein anerkannt, dass in die Abwägung auch Auslandsverurteilungen einfließen können (vgl. die Nachweise in Bundestagsdrucksache 16/13673, S. 6). In Bezug auf die Bestrafung des Wiederholungstäters nach §  176a Absatz  1  StGB bezieht §  176a Absatz  6 Satz  2  StGB für die Beurteilung des Vorliegens einer Wiederholungstat ausdrücklich Taten ein, die im Ausland abgeurteilt wurden, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat nach § 176 Absatz 1 oder 2 StGB darstellen. Zu  Artikel  48  –  Verbot  verpflichtender  alternativer Streitbeilegungsverfahren oder Strafurteile Artikel 48 sieht in seinem Absatz 1 ein Verbot verpflichtender alternativer Streitbeilegungsverfahren vor. Danach treffen die Vertragsparteien die erforderlichen gesetz - geberischen oder sonstigen Maßnahmen, um verpflichtende alternative Streitbeilegungsverfahren, einschließlich Mediation und Schlichtung, wegen aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt zu verbieten. Die Bestimmung soll sicherstellen, dass Opfer Zugang zu einem kontradiktorischen Verfahren unter Leitung eines unparteiischen Richters erhalten, da Opfer von Gewalttaten Schlichtungs- oder Mediationsverfahren niemals auf gleichberechtigter Basis mit dem Täter führen könnten. Eine Pflicht, ein solches alternatives Streitbeilegungsverfahren zu nutzen, müsse daher ausgeschlossen werden. Dem in diesem Artikel ausgesprochenen Gedanken wird nach deutscher Rechtslage Rechnung getragen. Nach der Regelung in § 155a StPO sollen das Gericht und die Staatsanwaltschaft in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeiten prüfen, einen Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem zu erreichen, in geeigneten Fällen sollen sie auf einen Ausgleich hinwirken. Gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten darf die Eignung aber nicht angenommen werden. Vorherige Schlichtungsversuche sind für Ansprüche wegen aller in den Geltungsbereich des Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt ebenfalls nicht vorgeschrieben. Für das Zivilverfahren sieht die allgemeine Vorschrift in § 278 ZPO keine Pflicht zu einem Schlichtungsverfahren vor, sondern hält das Gericht lediglich dazu an, in jeder Phase des Verfahrens auf eine gütliche Einigung bedacht zu sein. Eine entsprechende Regelung enthält § 36 Absatz 1 Satz 2 FamFG für Familiensachen und Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Gewaltschutzsachen sind davon jedoch ausdrücklich ausgenommen. Soweit die Länder von der Ermächtigung in §  15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (EGZPO) für ein vorangehendes obligatorisches Schlichtungsverfahren Gebrauch gemacht haben, kann dies Opfer von Gewalt nicht in eine Schlichtung zwingen. Denn Ansprüche wegen Gewalttaten können nur unter den Anwendungsbereich des § 15a Absatz 1 Nummer 1 EGZPO fallen, wenn das Opfer höchstens einen Betrag von 750 Euro vom Täter verlangt. Diese Höchstgrenze wird in der Praxis in aller Regel überschritten. In den Ausnahmefällen, in denen das Opfer nicht mehr als 750 Euro Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangt, kann es den Zwang zur vorangehenden Schlichtung gemäß § 15a Absatz 2 Nummer 5 EGZPO dadurch umgehen, dass es den Anspruch zunächst im Mahnverfahren geltend macht. Nach Artikel 48 Absatz 2 treffen die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass im Fall der Anordnung der Zahlung einer Geldstrafe die Fähigkeit des Täters, seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Opfer nachzukommen, gebührend berücksichtigt wird. Dies wird bereits vom deutschen Recht umgesetzt. Nach § 42 Satz 3 StGB ist die Gewährung von Zahlungserleichterungen vorgesehen, wenn ansonsten vom Täter zu erbringende (geldwerte) Wiedergutmachungsleistungen erheblich gefährdet wären. Zu Kapitel VI Ermittlungen, Strafverfolgung, Verfahrensrecht und Schutzmaßnahmen Zu Artikel 49 – Allgemeine Verpflichtungen Nach Artikel 49 Absatz 1 treffen die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Ermittlungen und Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit allen in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt ohne ungerechtfertigte Verzögerung durchgeführt werden, wobei die Rechte des Opfers in allen Abschnitten des Strafverfahrens zu berücksichtigen sind. Dies ist in Deutschland bereits umgesetzt. In der Bundesrepublik Deutschland besteht eine allgemeine Beschleunigungspflicht im Strafverfahren. Diese beruht auf zahlreichen Rechtsgrundlagen, die nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten stehen (zum Beispiel Artikel 6 Absatz 1 EMRK, Artikel 5 Absatz 3 Satz 2 EMRK und Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 GG). Der Umfang des Beschleunigungsgrundsatzes ist in Nummer  5 RiStBV näher dargelegt. Die Rechte des Opfers sind dabei stets zu berücksichtigen. Im Ermittlungsverfahren achtet der Staatsanwalt nach Nummer 4c RiStBV darauf, dass die für den Verletzten aus dem Strafverfahren entstehenden Belastungen möglichst gering gehalten und seine Belange im Strafverfahren berücksichtig werden. Darüber hinaus wird der Schutz des Verletzten auch durch §  24 Absatz  1 Satz 1 Nummer 3 sowie Satz 2 GVG gewährt. Nach diesem ist eine in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallende Gewalttat direkt beim Landgericht anzuklagen und demnach das gerichtliche Verfahren auf eine Tatsacheninstanz zu beschränken, wenn dies wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit des Verletzten, insbeDeutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 85 – Drucksache 18/12037 84 sondere den mit seiner Vernehmung verbundenen Belastungen, geboten ist. Bei unangemessener Dauer eines Strafverfahrens hat die oder der Verletzte, die oder der einen Strafantrag gestellt hat, die Möglichkeit, eine Verzögerungsrüge zu erheben. Führt diese nicht zur gewünschten Beschleunigung des Strafverfahrens, kommt nach Ablauf von sechs Monaten die Erhebung einer Entschädigungsklage in Betracht (vgl. die §§ 198, 199 GVG). Die in Artikel 49 Absatz 2 enthaltene Verpflichtung zur effizienten Durchführung von Ermittlungen und Strafverfahren wird durch das in §§ 152, 160 StPO verankerte Legalitäts- und Offizialprinzip bereits umgesetzt. Die Strafverfolgungsbehörden sind verpflichtet, den Sachverhalt umfassend aufzuklären und sämtlichen sachdienlichen Hinweisen nachzugehen. Zu Artikel 50 – Soforthilfe, Prävention und Schutz Nach Artikel 50 haben die Vertragsparteien sicherzustellen, dass die Strafverfolgungsbehörden schnell und angemessen auf die in den Geltungsbereich des Übereinkommens fallenden Gewalttaten reagieren, indem sie den Opfern sicheren Schutz bieten. Der Schutz der Opfer ist von Beginn des Strafverfahrens an im Blick zu haben. Für besonders schutzbedürftige Opfer wurde dies in Umsetzung der Opferschutzrichtlinie (siehe Ausführungen unter den Artikeln 18 und 22) durch das 3.  Opferrechtsreformgesetz (§  48 Absatz  3  StPO) manifestiert. Mit dieser Regelung wurde eine zentrale Einstiegsnorm geschaffen für die Feststellung einer besonderen Schutzbedürftigkeit und der daraus folgenden Notwendigkeit besonderer Schutzmaßnahmen zugunsten des Verletzten. Die Prüfung der besonderen Schutzbedürftigkeit soll bereits beim ersten hoheitlichen Auftreten der Strafverfolgungsbehörden erfolgen. Gemäß § 58a Absatz 1, § 161a Absatz 1 Satz 2, § 163 Absatz 3 Satz 1 StPO ist zudem die Aufzeichnung der Vernehmung eines besonders schutzbedürftigen Zeugen zulässig, um diesem eine belastende Mehrfachaussage vor den Ermittlungsbehörden zu ersparen. § 68b StPO sieht vor, dass sich ein Zeuge in jeder Lage des Verfahrens eines anwaltlichen Beistands zur Wahrung seiner Rechte bedienen kann. Auch körperliche Untersuchungen von Zeugen zum Zwecke der Beweissicherung sind nur dann zulässig, wenn sie zur Erforschung der Wahrheit notwendig sind (§ 81c StPO). Dies gilt jedoch nicht, wenn sie dem betroffenen Zeugen bei Würdigung aller Umstände nicht zumutbar sind. Soll eine körperliche Untersuchung erfolgen, ist diese, soweit sie geeignet ist das Schamgefühl zu verletzen, von einer Person gleichen Geschlechts oder einem Arzt oder einer Ärztin durch - zuführen. Bei berechtigtem Interesse soll dem Wunsch der zu untersuchenden Person, die Untersuchung einer Person oder einem Arzt eines bestimmten Geschlechts zu übertragen, entsprochen werden. Zu Artikel 51 – Gefährdungsanalyse und Gefahren - management Gemäß Artikel 51 Absatz 1 haben die Vertragsparteien mittels gesetzgeberischer oder sonstiger Maßnahmen sicherzustellen, dass die Gefahr für Leib und Leben und der Schwere der Situation sowie die Gefahr von wiederholter Gewalt von allen einschlägigen Behörden analysiert wird, um diese Gefahr unter Kontrolle zu bringen. Erforderlichenfalls ist für koordinierte Sicherheit und Unterstützung zu sorgen. In allen Ländern gibt es bereits spezielle Regelungen beziehungsweise Handlungsanleitungen zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt und darüber hinaus zur Beurteilung der Gefährdungslage. Hierfür werden unterschiedliche Instrumente herangezogen, die sich zum einen an den allgemeingültigen Polizeidienstvorschriften, zum anderen darüber hinaus an Rahmenvorgaben mit engmaschigen Fragenkatalogen und Checklisten orientieren. Eine erste Beurteilung der Gefährdungslage erfolgt zwangsläufig durch Polizeibeamte oder Polizeibeamtinnen im Rahmen des ersten polizeilichen Einschreitens. Diese ist ebenso wie die Dokumentation Grundlage des polizeilichen Einschreitens und in der Folge weiterer zielgerichteter Hilfestellungen für das Opfer. Eine Einbindung von polizeiexternen Behörden findet in allen Ländern statt. Beispielhaft aufgezählt sind dies: Justiz, Jugendamt, Sozialamt, Ausländerbehörde, Ordnungsamt, psychosoziale Beratungsstellen, Trauma-Ambulanz, Waffenbehörde, Kinderschutzbund, Bewährungshilfe, Jobcenter, Opferberatung, Einrichtungen der Täterarbeit. Mit der gut funktionierenden Zusammenarbeit mit den bestehenden Unterstützungssystemen ist eine wirksame Maßnahme geschaffen, um Frauen und Kinder vor weiteren Gewaltübergriffen im häuslichen Bereich zu schützen. Diese Maßnahmen werden durch die in Nummer 35 der Anordnungen über die Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) statuierte Mitteilungspflicht der Gerichte und Staatsanwaltschaften zum Schutz von Minderjährigen an die zuständigen öffentlichen Stellen ergänzt, wenn in einem Strafverfahren Tatsachen bekannt werden, deren Kenntnis zur Abwehr einer erheblichen Gefährdung von Minderjährigen erforderlich ist. Artikel 51 Absatz 2 sieht vor, dass bei der nach Artikel 51 Absatz 1 vorzunehmenden Gefahrenanalyse und bei der Anwendung von Schutzmaßnahmen hinreichend berücksichtigt wird, ob der Täter beziehungsweise die Täterin Feuerwaffen besitzt oder Zugang zu ihnen hat. Das deutsche Waffenrecht regelt bereits den privaten Zugang zu Waffen sehr restriktiv. Auch können die Strafverfolgungsbehörden über die Melderegister die Information abrufen, ob eine Person legal Schusswaffen besitzt. Seit der Betriebsaufnahme des Nationalen Waffenregisters sind Informationen zum Schusswaffenbesitz für die Polizei und andere berechtigte Behörden im Rahmen der Strafverfolgung auch zentral verfügbar. Wenn Waffen in einem Strafverfahren wegen häuslicher Gewalt als Beweismittel oder Einziehungs- oder Verfallsgegenstände in Betracht kommen, können diese gemäß §§ 94 ff. StPO beziehungsweise §§ 111b ff. StPO sichergestellt werden. Damit die Waffenbehörde aus Anlass einer häuslichen Gewalttat in Bezug auf dabei aufgefundene Waffen ihrerseits tätig werden kann, sehen Nummer 36 und Nummer 36a MiStra Mitteilungspflichten an die Waffenbehörde vor. Zu Artikel 52 – Eilschutzanordnungen Mit dieser Bestimmung wird die Verpflichtung eingeführt, die zuständigen Behörden in die Lage zu versetzen, anzuordnen, dass der Täter beziehungsweise die Täterin häuslicher Gewalt die Wohnstätte des Opfers verlässt, und besagte Person davon abzuhalten, dorthin zurückzukehren und das Opfer zu kontaktieren. Drucksache 18/12037 – 86 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 85 Die gesetzlichen Bestimmungen in Deutschland entsprechen diesem Erfordernis. Zum einen kann gemäß § 1 Absatz 1 Satz 1 GewSchG jede Person, die Opfer einer vorsätzlichen und widerrechtlichen Körper-, Gesundheits- oder Freiheitsverletzung geworden ist, gerichtliche Schutzanordnungen beantragen. Solche Anordnungen sind auch schon dann möglich, wenn die genannten Rechtsgutsverletzungen oder eine Verletzung des Lebens widerrechtlich angedroht werden (§ 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 GewSchG). Darüber hinaus können gerichtliche Schutzanordnungen auch bei Hausfriedensbrüchen und in Fällen der Nachstellung beantragt werden (§ 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 GewSchG). Auf Antrag der geschädigten Person haben die Gerichte gemäß § 1 Absatz 1 Satz 1 GewSchG die zum Schutze des Opfers notwendigen Anordnungen zu treffen. So kann dem Täter insbesondere verboten werden, die Wohnung des Opfers zu betreten, sich in einem vom Gericht zu bestimmenden Umkreis dieser Wohnung aufzuhalten oder bestimmte andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält (vgl. § 1 Absatz 1 Satz 3 GewSchG). Weiterhin kann es dem Täter untersagt werden, Zusammentreffen mit dem Opfer herbeizuführen, beziehungsweise ihm kann auferlegt werden, bei zufälligen Zusammentreffen einen bestimmten Abstand zu der geschädigten Person zu halten. Schließlich umfassen die möglichen gerichtlichen Maßnahmen auch das Verbot, mit dem Opfer Verbindung aufzunehmen. Hierunter fällt nicht nur die persönliche Verbindungsaufnahme, sondern auch die Kontaktaufnahme unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln wie Brief, Telefon oder Internet. § 2 Absatz 1 GewSchG räumt einer verletzten Person zudem einen gegen den Täter gerichteten Anspruch auf Überlassung der gemeinsam genutzten Wohnung zur alleinigen Benutzung ein, wenn zum Zeitpunkt der Tat nach § 1 Absatz 1 Satz 1 GewSchG ein auf Dauer angelegter gemeinsamer Haushalt geführt wurde. Einen solchen Überlassungsanspruch kann auch eine bedrohte Person unter der zusätzlichen Voraussetzung geltend machen, dass die Wohnungszuweisung erforderlich ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden (§  2 Absatz  6 GewSchG). Steht die verletzte oder bedrohte Person im Zeitpunkt einer Tat nach §  1 Absatz  1 oder Absatz  2 Satz  1 GewSchG unter elterlicher Sorge, so treten im Verhältnis zu den Eltern an die Stelle von §§ 1 und 2 GewSchG die für das Sorgerechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften (§ 3 Absatz 1 GewSchG). Das gerichtliche Verfahren in Gewaltschutzsachen richtet sich nach den Vorschriften des FamFG. Zuständig ist das Familiengericht. Das Gericht hat die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen. Zudem kann eine gerichtliche Anordnung unabhängig von dem Antrag an die konkrete Gefährdungssituation angepasst werden. Zum Schutz des Opfers ist die Verhandlung grundsätzlich nicht öffentlich und das Opfer kann vom Täter getrennt angehört werden, um ein Zusammentreffen beider im Termin zu vermeiden. Wenn ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden des Gerichts besteht, kann das Opfer vorläufigen Rechtschutz beantragen. Das Gericht kann dann durch eine einstweilige Anordnung gemäß § 214 FamFG eine vorläufige Regelung nach § 1 oder § 2 GewSchG treffen. Es kann in dringenden Fällen auch ohne mündliche Er - örterung und ohne Anhörung des Täters vorläufige Schutzmaßnahmen anordnen. Gegen eine einstweilige Anordnung ohne mündliche Erörterung gibt es kein Rechtsmittel (§ 57 FamFG). In diesen Fall kann der Täter nur beantragen, dass aufgrund mündlicher Verhandlung erneut entschieden wird. Das Gericht teilt nach § 216a FamFG Schutzanordnungen sowie auf Grundlage von § 214a FamFG gerichtlich bestätigte Vergleiche in Gewaltschutzsachen sowie deren Änderung und Aufhebung an die zuständige Polizeibehörde mit. Sind andere öffentliche Stellen, zum Beispiel Schulen, Kindergärten und Jugendhilfeeinrichtungen, von der Durchführung der Anordnung betroffen, hat das Gericht auch ihnen die Entscheidung mitzuteilen. Um die Opfer häuslicher Gewalt effektiv schützen zu können und die sofortige staatliche Intervention in Fällen akuter Gewaltanwendung sicherzustellen, wurde in den Polizeigesetzen der Länder die Möglichkeit der polizeilichen Wohnungsverweisung ausdrücklich geregelt. Danach kann die Polizei den Täter der gemeinsam genutzten Wohnung verweisen und ihm die Rückkehr in die Wohnung sowie den näher zu bezeichnenden angrenzenden Bereich für eine gewisse Dauer untersagen. Dieser Zeitraum ist ausreichend, um den zuvor skizzierten gerichtlichen Rechtsschutz erlangen zu können. Zu Artikel 53 – Kontakt- und Näherungsverbote sowie Schutzanordnungen Diese Bestimmung umfasst die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass im innerstaatlichen Recht ermöglicht wird, Kontakt- und Näherungsverbote und/oder Schutzanordnungen zugunsten der Opfer aller in den Anwendungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Arten von Gewalt umzusetzen. Die in Deutschland geltenden gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, wie auch bereits zu Artikel 52 dargelegt, diesem Erfordernis. Artikel 53 Absatz 3 fordert, dass die Befolgung der Kontakt- und Näherungsverbote und der Schutzanordnungen durch wirksame, verhältnismäßige und abschreckende rechtliche Sanktionen bei Verstößen sichergestellt wird. Dies wird durch das geltende Recht ebenfalls gewährleistet. Bei Verstoß gegen eine Schutzanordnung kann das Opfer bei jeder Zuwiderhandlung die Vollstreckung durch einen Gerichtsvollzieher herbeiführen, der bei Widerstand des Täters gegen diesen unmittelbaren Zwang – auch mit Hilfe der Polizei – anwenden kann (§ 96 Absatz 1 FamFG). Daneben ist die Vollstreckung auch durch die Anwendung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft möglich (§ 96 Absatz 1 Satz 3 FamFG). Schließlich ist der Verstoß gegen eine gerichtliche Schutzanordnung oder eine Verpflichtung aus einem gerichtlich bestätigten Vergleich in Gewaltschutzsachen nach § 4 GewSchG strafbar und kann mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden. Wie bereits zu Artikel  52 ausgeführt, teilt das Gericht gerichtliche Schutzanordnungen sowie einen gerichtlich bestätigten Vergleich in Gewaltschutzsachen an die zuständige Polizeibehörde mit, um den Schutz des Opfers vor Ort zu gewährleisten. Sind andere öffentliche Stellen, zum Beispiel Schulen, Kindergärten und Jugendhilfeeinrichtungen, von der Durchführung der Anordnung betrofDeutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 87 – Drucksache 18/12037 86 fen, hat das Gericht auch ihnen die Entscheidung mitzuteilen. Das GewSchG gilt zwar nicht für Kinder im Verhältnis zu ihren sorgeberechtigten Eltern. Insoweit gehen die für das Sorgerechtsverhältnis geltenden Vorschriften vor (§ 3 Absatz  1 GewSchG). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Gewaltschutz in diesen Fällen unter Berücksichtigung des Eltern-Kind-Verhältnisses zu regeln ist. Kinder sind durch die speziellen Vorschriften im Kindschaftsrecht jedoch besonders geschützt. Nach diesen Bestimmungen wird in vielen Fällen das Umgangsrecht stark eingeschränkt, ausgesetzt oder ausgeschlossen sein. Hinzu kommt der Schutz nach den §§  1666, 1666a BGB. Das Gericht hat danach alle Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr für das Kind erforderlich sind. Falls nötig, kann zum Beispiel einem Elternteil vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Nutzung der Familienwohnung untersagt werden (vgl. § 1666a Absatz 1 Satz 2 BGB). Das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls hat in § 1666 BGB ausdrücklich klargestellt, dass das Familiengericht die für den Gewaltschutz typischen Aufenthalts- und Kontaktverbote treffen kann. Schutzanordnungen zugunsten des Kindes gegenüber dem nicht-sorgeberechtigten Elternteil können sowohl nach GewSchG (wie gegenüber jeder anderen Person, die das Kind widerrechtlich verletzt) als auch nach § 1666 Absatz 4 BGB ergehen. Wenn das Kind ganz oder teilweise nicht unter elterlicher Sorge steht und deshalb für das Kind ein Vormund oder Pfleger bestellt ist, so gelten im Verhältnis des Kindes zu dem Vormund oder Pfleger ebenfalls Regelungen über gerichtliche Maßnahmen bei Kindeswohlgefährdung (§ 1837 Absatz 4, §§ 1666, 1666a, 1696 BGB). Das Fami - liengericht hat den Einzelvormund oder -pfleger zu entlassen, wenn die Fortführung des Amtes, insbesondere wegen dessen pflichtwidrigen Verhaltens, das Interesse des Kindes gefährden würde (§ 1886 BGB gegebenenfalls in Verbindung mit § 1915 BGB). Zu Artikel 54 – Ermittlungen und Beweise Die Vorschrift soll die Zulässigkeit von Beweisen über das sexuelle Vorleben und Verhalten des Opfers im Zivil- oder Strafverfahren auf das Notwendige beschränken, um eine „sekundäre Viktimisierung“ und Traumatisierung des Opfers im Gerichtsverfahren zu verhindern. Die Verfasserinnen und Verfasser des Übereinkommens waren sich bei Schaffung des Vertragstextes bewusst, dass in einigen Mitgliedstaaten die Entscheidung über die Zulassung von Beweisen weitgehend dem Richter überlassen ist, während in anderen Mitgliedstaaten dazu strenge Vorgaben des Verfahrensrechts existieren. Es besteht kein Umsetzungsbedarf. Im Zivilprozess setzt die Erhebung von Beweisen voraus, dass die unter Beweis gestellten Tatsachen entscheidungserheblich und beweisbedürftig sind. Überdies muss das angebotene Beweismittel geeignet sein, die Beweisbehauptung zu tragen. Ist dies nicht der Fall, unterbleibt von vornherein die Beweisaufnahme. Bei Umständen des sexuellen Vorlebens und Verhaltens des Opfers wird es sich regelmäßig um Indizien handeln, die die Glaubwürdigkeit des Opfers oder die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen erschüttern sollen. In diesem Zusammenhang prüft die Rechtsprechung, ob die unter Beweis gestellte Tatsache (das Vorleben oder das Verhalten des Opfers) einen ausreichend sicheren Schluss auf die entscheidungserhebliche Tatsache (die Anspruchsvoraussetzung) zulässt und deshalb im Rahmen der Beweisaufnahme zu klären ist. Hierdurch ist sichergestellt, dass Beweiserhebungen zum sexuellen Vorleben und Verhalten des Opfers auf das notwendige Maß begrenzt sind. Steht die Zulässigkeit einzelner Fragen an (Opfer-)Zeugen im Raum, entscheidet das Zivilgericht überdies gemäß § 397 Absatz 3 ZPO über ihre Zulässigkeit unter Berücksichtigung der aufgezeigten Umstände. Im Strafverfahren dürfen nach § 68a StPO Fragen nach Tatsachen, die dem Zeugen oder einer Person, die sein Angehöriger ist, zur Unehre gereichen können oder deren persönlichen Lebensbereich betreffen, nur gestellt werden, wenn es unerlässlich ist. Fragen nach Umständen, die die Glaubwürdigkeit des Zeugen betreffen, sind zu stellen, soweit dies erforderlich ist. Zu Artikel 55 – Verfahren auf Antrag und von Amts  wegen Gemäß Artikel 55 Absatz 1 haben die Vertragsparteien sicherzustellen, dass die Ermittlungen wegen oder die Strafverfolgung von nach den Artikeln  35, 36, 37, 38 und 39 umschriebenen Straftaten, wenn sie ganz oder teilweise in ihrem Hoheitsgebiet begangen wurden, nicht vollständig von einer Meldung oder Anzeige des Opfers abhängig gemacht werden und das Verfahren fortgesetzt werden kann, auch wenn das Opfer seine Aussage oder Anzeige zurückzieht. Das deutsche Recht entspricht bereits diesen Anforderungen: Das Strafrecht unterscheidet bei Straftatbeständen nach Verbrechen, die stets, und Vergehen, die in der Regel von Amts wegen zu verfolgen sind und bei denen es keines Strafantrages bedarf. Derartige Delikte werden als Offizialdelikte bezeichnet. Bei bestimmten Vergehen ist dagegen zur Strafverfolgung ein Strafantrag erforderlich, sogenannte Antragsdelikte. Bei diesen ist zu unterscheiden zwischen absoluten und relativen Antragsdelikten; letztere sind nicht stets antragsbedürftig, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen wie zum Beispiel die Angehörigeneigenschaft des Opfers gegenüber dem Täter. Darüber hinaus lässt das Gesetz bei einer Reihe von Antragsdelikten das Strafantragserfordernis entfallen, wenn die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Das von Artikel 35 umschriebene vorsätzliche Verhalten unterfällt den Straftatbeständen der §§ 223 bis 227 StGB. Dabei ist lediglich für die einfache vorsätzliche Körperverletzung in § 230 Absatz 1 Satz 1 StGB vorgesehen, dass diese grundsätzlich nur auf Antrag verfolgt wird. Gemäß § 230 Absatz 1 Satz 1, zweiter  Halbsatz StGB bedarf es jedoch keines Strafantrages, wenn die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Nummer 234 RiStBV sieht dabei vor, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung von Körperverletzungen unter anderem dann anzunehmen ist, wenn dem Opfer wegen seiner persönlichen Beziehung zum Täter die Stellung eines Strafantrages nicht zugemutet werden kann und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist. Die Strafverfolgungsbehörde kann auch noch während eines Drucksache 18/12037 – 88 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 87 laufenden Strafverfahrens – zum Beispiel nach Zurücknahme des Strafantrages oder wenn nach Anklageerhebung möglicherweise nur noch eine Verurteilung wegen Körperverletzung in Betracht kommt – erklären, dass sie ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Der von Artikel 36 umschriebene sexuelle Übergriff und die Vergewaltigung unterfallen § 177 StGB. Es handelt sich um Offizialdelikte. Ein Strafantragserfordernis besteht nicht; die Delikte werden von Amts wegen verfolgt. Die von Artikel  37  StGB erfasste Zwangsheirat ist in § 237 StGB geregelt. Es handelt sich ebenfalls um ein Offizialdelikt. Ein Strafantragserfordernis besteht nicht; das Delikt wird von Amts wegen verfolgt. Wie bereits dargelegt, erfüllt die Verstümmelung weib - licher Genitalien, die Artikel 38 umschreibt, immer den Straftatbestand des § 226a StGB („Verstümmelung der weiblichen Genitalien“), in aller Regel auch den der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Absatz 1 StGB. Unter bestimmten Umständen kann auch der Tatbestand der schweren Körperverletzung nach § 226 StGB und der Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 StGB erfüllt sein. Es handelt sich um Offizialdelikte. Ein Strafantragserfordernis besteht nicht; die Delikte werden von Amts wegen verfolgt. Wie ebenfalls bereits zu Artikel 39 ausgeführt, unterfällt die darin umschriebene Zwangsabtreibung dem Straftatbestand des § 218 StGB und die Zwangssterilisation dem der schweren Körperverletzung gemäß § 226 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 StGB. Bei beiden Straftatbeständen handelt es sich um ein Offizialdelikt, das von Amts wegen verfolgt wird. Ein Strafantragserfordernis besteht nicht. Nach Artikel 55 Absatz 2 treffen die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts sicherzustellen, dass staatliche und nichtstaatliche Organisationen sowie Beraterinnen und Berater bei häuslicher Gewalt die Möglichkeit erhalten, den Opfern in den Ermittlungen und Gerichtsverfahren wegen der nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten beizustehen und/oder sie zu unterstützen, wenn diese darum ersuchen. Diese Maßnahmen sind nach geltendem Recht bereits getroffen. Nach § 406j Nummer 5 StPO sind Opfer von Straftaten darauf hinzuweisen, dass sie Unterstützung und Hilfe durch Opferhilfeeinrichtungen erhalten können. Nach § 406f Absatz 2 StPO ist bei einer Vernehmung von Verletzten auf deren Antrag einer zur Vernehmung erschienenen Person ihres Vertrauens dieser Person grundsätzlich die Anwesenheit bei der Vernehmung zu gestatten. Solche Vertrauenspersonen können auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Opferhilfeeinrichtungen sein. Das Zivilverfahrensrecht bietet in § 90 ZPO die Möglichkeit, das Opfer in einer zivilgerichtlichen Verhandlung in Begleitung eines Beistands erscheinen. Beistand kann sein, wer im Parteiprozess als Bevollmächtigter auftreten darf, folglich der in § 79 Absatz 2 ZPO genannte Personenkreis. Gemäß § 90 Absatz 1 Satz 3 ZPO kann das Gericht auch andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Zu Artikel 56 – Schutzmaßnahmen Nach Artikel 56 Absatz 1 treffen die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um die Rechte und Interessen der Opfer, insbesondere ihre besonderen Bedürfnisse als Zeuginnen und Zeugen, in allen Abschnitten der Ermittlungen und Gerichtsverfahren zu schützen. Insbesondere nennt der Artikel dabei die nachstehend aufgeführten Maßnahmen. Im Einzelnen gilt Folgendes: a) Buchstabe a Artikel 56 Absatz 1 Buchstabe a sieht vor, dass die Vertragsparteien für den Schutz der Opfer sowie den Schutz ihrer Familien und der Zeuginnen und Zeugen vor Einschüchterung, Vergeltung und davor, erneut Opfer zu werden, Sorge tragen. Dies ist gewährleistet. So sieht die StPO eine Reihe von Maßnahmen vor, um Opfer und Zeugen bereits während des Ermittlungsverfahrens zu schützen. Dazu gehören insbesondere die Möglichkeiten eines Schutzes der Personalien von Opfern und Zeugen beziehungsweise Zeuginnen nach § 68 StPO, die von einer nur eingeschränkten Angabe zur Anschrift der betroffenen Person bis zur Möglichkeit reichen, die Identität nur den Strafverfolgungsbehörden mitzuteilen. Außerdem besteht die Möglichkeit der Vernehmung des Opfers beziehungsweise Zeugen respektive der Zeugin durch den Richter in der Form, dass diese Vernehmung räumlich getrennt vom Beschuldigten und seinem Verteidiger durchgeführt und an diese im Wege einer Videoleitung übertragen wird (§ 168e StPO). Auch die Möglichkeit der Anordnung von Untersuchungshaft (§§  112, 112a  StPO) in Fällen der Schwerkriminalität und der Wiederholungs- sowie Verdunkelungsgefahr dient dem Schutz von Opfer und Zeugen. Der Sicherheit der Opfer und deren Schutz vor Einschüchterung tragen ebenfalls vielfältige Vorschriften während der gerichtlichen Hauptverhandlung Rechnung. Im gerichtlichen Hauptverfahren besteht die bereits für das Ermittlungsverfahren geschilderte Möglichkeit des Schutzes der Personalien beziehungsweise gegebenenfalls auch der Identität nach § 68 StPO. Zudem bietet § 171b Absatz 2 des GVG die Möglichkeit für Opfer, den Ausschluss der Öffentlichkeit zu beantragen, wenn in der Verhandlung Umstände erörtert werden, die ihre schutzwürdigen Belange berühren. Auch nach § 172 GVG kann die Öffentlichkeit aus Gründen des Zeugenschutzes von der Verhandlung ausgeschlossen werden. Ohne weitere Voraussetzungen ist der Ausschluss der Öffentlichkeit nach dieser Vorschrift möglich bei einer Vernehmung von Personen unter 18 Jahren. Bei ansonsten drohenden Gefährdungen für den Zeugen oder die Zeugin kann nach Maßgabe des § 247 StPO der Angeklagte während der Vernehmung des Zeugen von der Verhandlung ausgeschlossen werden. Dies gilt bei der Vernehmung von Opfern und Zeugen oder Zeuginnen unter 18 Jahren unter erleichterten Voraussetzungen. Bei ansonsten bestehenden dringenden Gefahren schwerwiegender Nachteile für das Wohl des Zeugen oder der Zeugin besteht auch die Möglichkeit einer Vernehmung des Zeugen per Videostandleitung nach § 247a StPO. Die Vernehmung von Zeugen unter 18 Jahren darf darüber hinaus allein von dem Vorsitzenden des Gerichtes durchgeführt werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 89 – Drucksache 18/12037 88 Nach Maßgabe von § 68b Absatz 2 StPO haben schutzbedürftige Zeugen und Zeuginnen in allen Stadien des Strafverfahrens das Recht auf Beiordnung eines anwaltlichen Beistandes während ihrer Vernehmung, wenn besondere Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der Zeuge seine Befugnisse bei seiner Vernehmung nicht selbst wahrnehmen kann. Solche Umstände können gegebenenfalls vorliegen, wenn ein Opfer von häuslicher Gewalt vernommen wird. (Opfer-)Zeugenschutz wird in Deutschland insbesondere auch nach Maßgabe des Zeugenschutzharmonisierungsgesetzes (ZSHG) gewährleistet. Danach kann eine Person, ohne deren Angaben in einem Strafverfahren die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Beschuldigten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre, mit ihrem Einverständnis nach Maßgabe des ZSHG geschützt werden, wenn sie auf Grund ihrer Aussagebereitschaft einer Gefährdung von Leib, Leben, Gesundheit, Freiheit oder wesentlicher Vermögenswerte ausgesetzt ist und sich für Zeugenschutzmaßnahmen eignet. Auch Angehörige können nach Maßgabe des ZSHG geschützt werden. Im Übrigen werden Schutzmaßnahmen nach allgemeinem Gefahrenabwehrrecht getroffen. Nach dem ZSHG trifft die nach Bundes- oder Landesrecht zuständige Stelle (Zeugenschutzdienststelle) ihre Entscheidungen zum Schutz der zu schützenden Person nach pflichtgemäßem Ermessen. Schutz gewährende Maßnahmen können etwa physischer Schutz, Hilfe beim Wechsel des Aufenthaltsortes, der Aufbau oder die Aufrechterhaltung einer vorübergehend geänderten Identität (Tarnidentität) sowie Unterstützung bei der Arbeitssuche sein. Zeugenschutzmaßnahmen nach Maßgabe der vorgenannten rechtlichen Rahmenbedingungen können während und/oder nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen wie auch während und/oder nach Abschluss eines gerichtlichen Verfahrens getroffen werden. In strafrechtlicher Hinsicht wird den (Opfer-)Zeugen beziehungsweise -Zeuginnen Schutz vor möglicher Einschüchterung dadurch gewährt, dass die Beeinflussung von deren Aussage im Rahmen des Nötigungstatbestandes (§ 240 StGB) sowie der Straftatbestände der falschen uneidlichen Aussage (§  153  StGB) und des Meineids (§ 154 StGB) sanktioniert sind. Wird der Zeuge oder die Zeugin durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder Gewalt zu einer bestimmten Aussage oder zur Verweigerung der Aussage genötigt, ist dies gemäß § 240 Absatz 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bedroht. Auch der Versuch einer solchen Einflussnahme ist gemäß §  240 Absatz  3  StGB strafbar. Ebenso macht sich der beziehungsweise die die Zeugen beziehungsweise Zeuginnen beeinflussende Täter beziehungsweise Täterin bei einer falschen Aussage des Zeugen beziehungsweise der Zeugin, die auf seine Initiative zurückgeht, der Anstiftung beziehungsweise Beihilfe zur falschen uneidlichen Aussage (§ 153 Absatz 1 in Verbindung mit § 26 beziehungsweise § 27 Absatz 1 StGB) oder zum Meineid (§ 154 Absatz 1 in Verbindung mit § 26 beziehungsweise § 27 Absatz 1 StGB) strafbar. Sogar bereits der Versuch der Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage (§ 159 StGB) oder zum Meineid (§ 154 Absatz 1 in Verbindung mit § 30 Absatz 1 StGB) ist strafbewehrt. Opfern sowie ihren Familien sowie Zeuginnen und Zeugen, denen während der Ermittlungen oder des Gerichtsverfahrens Gewalt droht, stehen die zu Artikel 52 und 53 geschilderten Schutzmöglichkeiten nach dem GewSchG unter den dort genannten Voraussetzungen ebenfalls zu. b) Buchstabe b Die Vertragsparteien sollen sicherstellen, dass die Opfer, zumindest in den Fällen, in denen die Opfer und ihre Familien in Gefahr sein könnten, über eine Flucht oder vorübergehende oder endgültige Freilassung des Täters beziehungsweise der Täterin unterrichtet werden. Maßnahmen zur Unterrichtung des Gewaltopfers in den Fällen, in denen es selbst oder seine Familie wegen einer Flucht oder Entlassung des Täters beziehungsweise der Täterin in Gefahr sein könnten, sind in Deutschland nach allgemeinem Gefahrenabwehrrecht möglich. Die Polizeigesetze der Länder sehen bereits jetzt spezielle Ermächtigungsgrundlagen zur Übermittlung personenbezogener Daten an Personen außerhalb des öffentlichen Bereichs zum Zwecke der Gefahrenabwehr vor. Beispielsweise kann die Polizei nach § 44 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 des Polizeigesetzes Baden-Württemberg zur Wahrung schutzwürdiger Interessen Einzelner personenbezogene Daten übermitteln, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Übermittlung hat. Bei der Flucht eines Verurteilten beispielsweise wird in der Regel ein solches, die Übermittlung ausschließendes, schutzbedürftiges Interesse nicht bestehen. Daneben ist auch durch Regelungen in der StPO gewährleistet, dass Opfer von Straftaten auf Wunsch über die Freilassung des Täters unterrichtet werden. Nach § 406d Absatz 2 Nummer 3 StPO ist dem Verletzten mitzuteilen, ob sich der Beschuldigte oder Verurteilte einer freiheitsentziehenden Maßnahme durch Flucht entzogen hat. Nach § 406d Absatz 2 Nummer 4 StPO ist dem Verletzten mitzuteilen, wenn dem Verurteilten zum wiederholten Mal Urlaub oder Vollzugslockerungen gewährt werden. Im Übrigen steht Opfern von Straftaten nach § 406e Absatz 1 bis 4 StPO über einen Rechtsanwalt ein Recht zur Akteneinsicht zu; sie selbst haben nach § 406e Absatz 5 StPO das Recht, Auskünfte und Abschriften aus den Akten zu erlangen und können über diesen Weg daher auch über eine etwaige Freilassung oder Flucht des Täters oder der Täterin informiert werden. c) Buchstabe c Die Vertragsparteien sollen sicherstellen, dass die Opfer nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts über ihre Rechte und die ihnen zur Verfügung stehenden Dienste und über die aufgrund ihrer Anzeige veranlassten Maßnahmen, die Anklagepunkte, den allgemeinen Stand der Ermittlungen oder des Verfahrens und ihre Rolle sowie die in ihrem Fall ergangene Entscheidung unterrichtet werden. Diese Anforderungen sind durch die Regelungen der §§ 171, 406d Absatz 1, § 406i StPO abgedeckt. In den §§ 406i bis 406k StPO sind die Informationsrechte des Verletzten ausführlich geregelt. § 406i StPO regelt die Informationspflicht über die Rechte des Verletzten im Strafverfahren. So ist der Verletzte möglichst frühzeitig, regelmäßig schriftlich und soweit möglich in einer ihm verständlichen Sprache über seine Rechte nach den §§ 406d bis 406h StPO zu unterrichten. Nach § 406i StPO ist die verletzte Person unter anderem auch über die Voraussetzungen zu informieren, unter denen sie sich Drucksache 18/12037 – 90 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 89 dem Verfahren als Nebenkläger beziehungsweise Nebenklägerin anschließen kann, sie einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin auf Staatskosten beigeordnet bekommen kann oder in welcher Weise sie einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch gegen den Täter im Strafverfahren geltend machen kann. In § 406j StPO sind die Rechte der Verletzten über ihre Befugnisse außerhalb des Strafverfahrens geregelt. So sind Verletzte etwa auf die Möglichkeit, nach Maßgabe des OEG Versorgungsansprüche geltend machen zu können oder nach Maßgabe des GewSchG den Erlass von Anordnungen gegen den Beschuldigten beantragen zu können, hinzuweisen. Auch sind Verletzte über die Möglichkeit zu informieren, dass sie Unterstützung und Hilfe durch Opferhilfeeinrichtungen erhalten können. In § 406k  StPO sind weitere Informationen geregelt. So sollen die Informationen nach den §§ 406i und 406j StPO Informationen darüber enthalten, an welche Stellen sich die Verletzten wenden können und wer die beschriebenen Angebote erbringt. Die Unterrichtung der Opfer von häuslicher Gewalt über ihre Rechte im Strafverfahren ist daher gesetzlich insbesondere durch die Informationsrechte der Verletzten im Strafverfahren nach den §§ 406d, 406i StPO gewährleistet. § 406d StPO regelt, welche Informationen die verletzte Person über den Stand des Verfahrens erhalten kann. So kann sie, auf Antrag und soweit es sie betrifft, nach Absatz 1 Informationen über die Einstellung des Verfahrens, den Ort und den Zeitpunkt der Hauptverhandlung sowie die gegen den Angeschuldigten erhobenen Beschuldigungen und den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens erhalten. Nach Absatz 2 ist dem beziehungsweise der Verletzten auf Antrag mitzuteilen, ob Kontakt- oder Näherungsverbote erteilt wurden. Auch ist der oder die Verletzte auf Antrag nach Absatz 2 darüber zu informieren, ob freiheitsentziehende Maßnahmen gegenüber dem Beschuldigten oder Verurteilten angeordnet oder beendet wurden. Auch über Urlaub und Vollzugslockerungen sowie eine Flucht des Beschuldigten oder Verurteilten ist der oder die Verletzte auf Antrag zu informieren (§ 406d Absatz 3 und 4 StPO). Auf diese Befugnisse ist die verletzte Person nach § 406i Absatz 1 StPO hinzuweisen. Nach § 172 StPO hat die Staatsanwaltschaft die verletzte Person, die einen Strafantrag gestellt hat, über die Einstellung des Verfahrens zu informieren und ihr in einem Bescheid die Gründe dafür darzulegen. In dem Bescheid ist der oder die Verletzte auch über die Möglichkeit der Anfechtung dieses Bescheids und die dafür vorgesehene Frist zu informieren. Darüber hinaus besteht das Recht auf Information aus den Verfahrensakten nach § 406e StPO. Dies kann im Wege der Akteneinsicht über einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin geschehen, aber auch durch die Erteilung von Auskünften und Abschriften direkt an das Opfer. Auch auf diese Befugnisse ist die verletzte Person nach § 406i Absatz 1 StPO hinzuweisen. d) Buchstabe d Die Vertragsparteien sollen den Opfern in Übereinstimmung mit den Verfahrensvorschriften des innerstaatlichen Rechts die Möglichkeit geben, gehört zu werden, Beweismittel vorzulegen und ihre Ansichten, Bedürfnisse und Sorgen unmittelbar oder über eine Vermittlerin beziehungsweise einen Vermittler vorzutragen und prüfen zu lassen. Nach deutschem Recht sind Opfer von häuslicher Gewalt in der Regel nebenklagebefugt, da insbesondere die für den Bereich der häuslichen Gewalt typischen, in den §§ 223 bis 226 StGB genannten Körperverletzungsdelikte nach § 395 Absatz 1 Nummer 3 StPO im Katalog der sogenannten „Nebenklagedelikte“ enthalten sind. Verletzte, die Opfer eines nebenklagefähigen Delikts geworden sind, können sich dem Verfahren als Nebenkläger beziehungsweise Nebenklägerin anschließen. Das Institut der Nebenklage (Anschluss des Verletzten an die von der Staatsanwaltschaft erhobene öffentliche Klage) beinhaltet unter anderem das Recht, eigene Beweisanträge oder sonstige Anträge zu stellen (wie zum Beispiel Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit, oder auf Ausschluss des Angeklagten bei Vernehmung eines Opferzeugen); das Recht, Fragen an Zeugen, Sachverständige oder auch den Angeklagten zu stellen oder das Recht zur Beanstandung von Anordnungen des Vorsitzenden oder von Fragen der Prozessbeteiligten (vgl. § 397 Absatz 1 StPO). Nebenkläger und Nebenklägerinnen können sich des Beistands eines Rechtsanwalts oder einer Rechtsanwältin bedienen oder sich durch einen solchen beziehungsweise eine solche vertreten lassen (§ 397 Absatz 2 StPO). Dieses Recht steht nach § 406f Absatz 1 StPO auch allen übrigen Opfern von Straftaten zu. Daneben ist es jedem Opfer einer Straftat unabhängig davon, ob es rechtlich vertreten ist oder einen Beistand hat, möglich, sich jederzeit schriftlich an das Gericht zu wenden, um Beweismittel vorzulegen oder seine Sicht der Dinge zu schildern. Aufgrund des für das Strafverfahren geltenden Legalitätsund Offizialprinzips sind die Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, den Sachverhalt umfassend aufzuklären und sämtlichen sachdienlichen Eingaben, Hinweisen, Beweisanträgen auch des Geschädigten nachzugehen. Das Unmittelbarkeitsprinzip gebietet es zudem, Zeugen und Zeuginnen, insbesondere die Geschädigten, persönlich zu vernehmen. Damit ist gewährleistet, dass alle Opfer von Straftaten, unabhängig von der Art des Delikts, über rechtliches Gehör verfügen. e) Buchstabe e Den Opfern sollen geeignete Hilfsdienste zur Verfügung gestellt werden, damit ihre Rechte und Interessen in gebührender Weise vorgetragen und berücksichtigt werden. Dem wird schon jetzt Rechnung getragen. Die gesellschaftlich wichtige Aufgabe der Opferhilfe nehmen im Rahmen der föderalen Organisation der Bundesrepublik Deutschland die Länder in eigener Zuständigkeit wahr. Sie engagieren sich durch zahlreiche Maßnahmen, um die Situation von Kriminalitätsopfern zu verbessern und ihnen geeignete Hilfe anbieten zu können. Diese geschieht beispielsweise durch besondere Schulungen für Polizeibeamte und -beamtinnen und Bestellung von Opferschutzbeauftragen bei den Polizeidienststellen, durch die Einrichtung von Zeugenbetreuungsstellen, Unterbringungsmöglichkeiten für misshandelte Frauen, Kinder und Jugendliche, Bereitstellung von Informationsmaterial für Kriminalitätsopfer und finanzielle Unterstützung. In mehreren Ländern sind besondere Landesstiftungen der Opferhilfe eingerichtet worden. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl unabhängiger bundesweit, regional und lokal agierender Opferhilfeeinrichtungen, die sich beruflich oder ehrenamtlich der Betreuung und Beratung von Opfern von Straftaten widmen. Zahlreiche Hilfseinrichtungen haben sich auf die Betreuung von Frauen und Kindern Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 91 – Drucksache 18/12037 90 spezialisiert, die Opfer von Sexual- oder Gewalttaten geworden sind. Die Opferhilfeeinrichtungen verfügen in der Regel über eine vielfältiges, in der Regel interdisziplinär vernetztes Hilfsangebot. Die Unterstützungsangebote lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Gespräche über Probleme und Ängste infolge einer erlittenen Straftat, • psychosoziale Betreuung: Unterstützung bei der Verarbeitung traumatischer Erfahrungen, • Informationen über Rechte als Opfer, Stellung im Strafverfahren als Geschädigter und als Zeuge, Ablauf des Strafverfahrens, • Information über rechtliche, soziale, psychologische und finanzielle Hilfsmöglichkeiten wie Schadensersatzleistungen, Beratungshilfen, Strafanzeige, Nebenklage usw., • Hilfe bei der Kontaktaufnahme zu Rechtsanwälten, Therapeuten, Jugendämtern, Sozialämtern, Versorgungsämtern usw., • persönliche Begleitung zur Polizei, zu Ämtern und Behörden, zu ärztlichen Untersuchungen, Rechtsanwalt sowie zu Gerichtsverhandlungen, • praktische Hilfe beim Ausfüllen von Formularen oder Anfertigen von Schreiben. Die meisten dieser Unterstützungsangebote können Opfer von Straftaten über einen langen Zeitraum in Anspruch nehmen, auch nach Abschluss des Strafverfahrens. Die nicht-staatlichen Einrichtungen der Opferhilfe werden zum großen Teil durch staatliche Zuwendungen der Länder mit finanziert, unter anderem auch durch Zuweisungen von Geldauflagen im Rahmen von Strafverfahren. f) Buchstabe f Nach dieser Vorschrift sollen die Privatsphäre der Opfer der genannten Straftaten und ihr Bildnis geschützt werden. Zum Schutz der Privatsphäre ermöglicht § 171b GVG den Ausschluss der Öffentlichkeit im gerichtlichen Verfahren. Nach § 171b Absatz 1 GVG kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, soweit die Erörterung dieser persönlichen Umstände schutzwürdige Interessen eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines Verletzten entgegenstehen würde und nicht das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Die Öffentlichkeit darf nach §  171b Absatz  4  GVG jedoch nicht ausgeschlossen werden, soweit die betroffene Person dem Ausschluss widerspricht. Nach §  171b Absatz 2 GVG soll die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, soweit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder gegen das Leben, wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen oder wegen einzelner Straftaten gegen die persönliche Freiheit ein Zeuge unter 18 Jahren vernommen wird. Auch in diesen Fällen darf nach § 171b Absatz 4 GVG die Öffentlichkeit dann nicht ausgeschlossen werden, soweit die betroffene Person dem Ausschluss widerspricht. Nach § 171b Absatz 3 GVG ist die Öffentlichkeit auszuschließen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Auch nach § 172 GVG kann die Öffentlichkeit aus Gründen des Zeugenschutzes von der Verhandlung ausgeschlossen werden. Ohne weitere Voraussetzungen ist der Ausschluss der Öffentlichkeit nach dieser Vorschrift möglich bei einer Vernehmung von Personen unter 18 Jahren. Nach §  170 Absatz  1  GVG sind auch Verhandlungen, Erörterungen und Anhörungen in Gewaltschutzverfahren grundsätzlich nicht öffentlich. Das Gericht kann die Öffentlichkeit zulassen, jedoch nicht gegen den Willen eines Beteiligten. Nach Nummer 23 und 129 RiStBV sind bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit über ein Strafverfahren, die Persönlichkeitsrechte des Verletzten zu beachten. Zudem soll eine Bloßstellung dieser Personen vermieden werden. In Nummer 23 RiStBV ist festgehalten, dass dem allgemeinen Informationsinteresse der Öffentlichkeit in der Regel ohne Namensnennung entsprochen werden kann. Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der Veröffentlichung sind während der Hauptverhandlung einschließlich der Urteilsverkündung nach § 169 Satz 2 GVG unzulässig. Auch das Fotografieren ist während der Hauptverhandlung in aller Regel aufgrund von nach §  176  GVG ergehenden sitzungspolizeilicher Anordnungen des oder der Vorsitzenden des Gerichts verboten. In Nummer 129 RiStBV wird betont, dass bei Entscheidungen des oder der Gerichtsvorsitzenden darüber, ob und inwieweit außerhalb der Hauptverhandlung Ton-, Film- und Bildaufnahmen gemacht werden dürfen, das Persönlichkeitsrecht der beteiligten Personen berücksichtigt werden muss. Die Privatsphäre von Opfern und ihr Bildnis unterfallen daneben dem zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechtsschutz. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Absatz 1 BGB anerkannt; es gründet sich auf die in Artikel 1 Absatz 1 GG geschützte Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, das von Artikel 2 Absatz 1 GG geschützt wird (vgl. BVerfG, NJW 1973, S. 1226, 1230 – Lebach). Das durch das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KUG) geschützte Recht am eigenen Bild ist in diesem Kontext als besondere (spezialgesetzliche) Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu verstehen. Insbesondere Bildnisse dürfen grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden (vgl. § 22 KUG). Darüber hinaus, nämlich soweit es ausnahmsweise keiner Einwilligung bedarf (vgl. insoweit § 23 KUG), ist eine Veröffentlichung jedenfalls dann unzulässig, wenn das berechtigte Interesse des Abgebildeten entgegensteht. Die Zulässigkeit von Eingriffen in die Privatsphäre im Übrigen (insbesondere Wortberichterstattung über Straftaten) ist ebenfalls grundsätzlich anhand einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung im konkreten Einzelfall zu bewerten. g) Buchstabe g Die Vertragsparteien sollen sicherstellen, dass ein Kontakt zwischen Opfern und Tätern beziehungsweise Täterinnen in den Räumlichkeiten der Gerichte und der Strafverfolgungsbehörden soweit möglich vermieden wird. Diesem Anliegen wird durch die Verfahrensordnung mehrfach Rechnung getragen. So erfolgt die Ladung von Zeugen Drucksache 18/12037 – 92 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 91 nach § 48 Absatz 2 StPO unter Hinweis auf verfahrensrechtliche Bestimmungen, die dem Interesse des Zeugen dienen sowie auf vorhandene Möglichkeiten der Zeugenbetreuung. In den Gerichten sind zum großen Teil Zeugenzimmer eingerichtet worden, in denen die Zeugen ohne Kontakt mit dem Angeklagten warten können. Weiterhin kann bei drohenden Gefährdungen für den Zeugen oder die Zeugin nach Maßgabe des § 247 StPO der Angeklagte während der Vernehmung des Zeugen von der Verhandlung ausgeschlossen werden. Dies gilt bei der Vernehmung von Opfern und Zeugen oder Zeuginnen unter 18 Jahren unter erleichterten Voraussetzungen. Bei ansonsten bestehenden dringenden Gefahren schwerwiegender Nachteile für das Wohl des Zeugen oder der Zeugin besteht auch die Möglichkeit einer Vernehmung des Zeugen per Videostandleitung nach § 247a StPO. Die Vernehmung von Zeugen unter 18 Jahren darf darüber hinaus allein von dem Vorsitzenden des Gerichtes durchgeführt werden. Zudem sehen die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) in Nummer 130a vor, dass die Staatsanwaltschaft zu prüfen hat, ob es geboten ist, dass sich Zeugen während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhalten oder ob eine Ersetzung der Vernehmung von Zeugen durch die Vorführung einer Bild-TonAufzeichnung ihrer früheren Vernehmung in Betracht kommt. Bei richterlichen Vernehmungen, bei denen zur Wahrung der Beschuldigtenrechte eine Möglichkeit der Mitwirkung durch den Angeklagten bestehen muss, wirkt die Staatsanwaltschaft nach Nummer  19a darauf hin, dass dem beziehungsweise der Verletzten bei der Vernehmung mit besonderer Einfühlung und Rücksicht zu begegnen ist. Die Staatsanwaltschaft achtet darauf, dass die Verletzten durch Fragen und Erklärungen des Beschuldigten und seines Verteidigers nicht größeren Belastungen ausgesetzt werden, als im Interesse der Wahrheitsfindung hingenommen werden muss. Auch im Ermittlungsverfahren besteht die Möglichkeit der Vernehmung des Opfers beziehungsweise Zeugen respektive der Zeugin durch den Richter in der Form, dass diese Vernehmung räumlich getrennt vom Beschuldigten und seinem Verteidiger durchgeführt und an diese im Wege einer Videostandleitung übertragen wird (§ 168e StPO). Auch im Gewaltschutzverfahren bestehen geeignete Vorkehrungen. Nach § 33 Absatz 1 Satz 2 FamFG ist vorgesehen, dass eine gerichtliche Anhörung in Abwesenheit eines Beteiligten durchgeführt wird, falls dies zum Schutz des Opfers erforderlich ist. h) Buchstabe h Den Anforderungen dieses Abschnitts, wonach den Opfern im Strafverfahren unabhängige und fähige Dolmetscherinnen und Dolmetscher zur Verfügung zu stellen sind, wenn die Opfer im Verfahren als Partei auftreten oder Beweismittel vorlegen, ist in Deutschland bereits Rechnung getragen. Nach § 185 Absatz 1 Satz 1 GVG ist in dem Fall, in dem unter Beteiligung von Personen verhandelt wird, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, ein Dolmetscher hinzuzuziehen. Nach §  187 Absatz  2  GVG zieht das Gericht für Personen, die zum Anschluss mit der Nebenklage berechtigt sind, einen Dolmetscher beziehungsweise eine Dolmetscherin oder Übersetzer beziehungsweise Übersetzerin heran, soweit dies zur Ausübung ihrer strafprozessualen Rechte erforderlich ist. Bei Vernehmungen von Zeuginnen oder Zeugen durch Polizei oder Staatsanwaltschaft sind Dolmetscher oder Dolmetscherinnen hinzuzuziehen. Das ergibt sich für die Vernehmungen durch die Polizei aus §  163 Absatz  3  StPO, der in Satz  6 auf §  185 Absatz  1 und 2 GVG verweist und für Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft aus § 161a Absatz 5, der ebenfalls auf §  185 Absatz  1 und 2  GVG verweist. In §  397 Absatz  3  StPO ist geregelt, dass Nebenkläger und Nebenklägerinnen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, auf Antrag schriftliche Unterlagen übersetzt bekommen, soweit dies zur Ausübung ihrer strafprozessualen Rechte erforderlich ist. Nach § 171 Satz 3 StPO erhält der Nebenklageberechtigte beziehungsweise die -berechtigte bei Einstellung des Verfahrens nach § 170 StPO auf Antrag eine Übersetzung des Bescheides, wenn er beziehungsweise sie der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweise zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. i) Buchstabe i Nach diesem Abschnitt sollen die Vertragsparteien es den Opfern ermöglichen, in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht vor Gericht auszusagen, ohne dass sie im Gerichtssaal anwesend sein müssen oder zumindest ohne dass der mutmaßliche Täter beziehungsweise die mutmaßliche Täterin anwesend ist, insbesondere durch den Einsatz geeigneter Kommunikationstechnologien, soweit diese verfügbar sind. Dies ist in Deutschland bereits gewährleistet. Bei drohenden Gefährdungen für den Zeugen oder die Zeugin kann nach Maßgabe des § 247 StPO der Angeklagte während der Vernehmung des Zeugen von der Verhandlung ausgeschlossen werden. Dies gilt bei der Vernehmung von Opfern und Zeugen oder Zeuginnen unter 18 Jahren unter erleichterten Voraussetzungen. Bei ansonsten bestehenden dringenden Gefahren schwerwiegender Nachteile für das Wohl des Zeugen oder der Zeugin besteht auch die Möglichkeit einer Vernehmung des Zeugen per Videostandleitung nach § 247a StPO. § 58a StPO enthält eine Regelung zur Möglichkeit der Videoaufzeichnung von Vernehmungen insbesondere minderjähriger Zeugen im Ermittlungsverfahren. Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine solche Vernehmung nach Maßgabe des § 255a Absatz 2 StPO in der Hauptverhandlung anstelle einer erneuten Vernehmung verwendet werden. Artikel 56 Absatz 2 bestimmt, dass für Kinder, die Opfer oder Zeuginnen beziehungsweise Zeugen von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt geworden sind, gegebenenfalls besondere Schutzmaßnahmen unter Berücksichtigung des Wohles des Kindes getroffen werden. Solche Schutzmaßnahmen sieht das geltende Recht vor. Bei kindlichen Opfern und Zeugen (Personen unter 18  Jahren) sind eine Reihe der genannten Schutzvorschriften (zum Beispiel der Ausschluss des Angeklagten oder der Öffentlichkeit während der Vernehmung des Zeugen) unter erleichterten Voraussetzungen anwendbar. So ist § 58a StPO (Vernehmung kindlicher Opferzeugen im Ermittlungsverfahren per Video) als Sollvorschrift gestaltet, wenn dies zur Wahrung der schutzwürdigen InteDeutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 93 – Drucksache 18/12037 92 ressen geboten ist. Bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, gegen das Leben oder wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen gibt es die Möglichkeit, in der Hauptverhandlung die Vernehmung eines minderjährigen Zeugen durch die Vorführung der auf Video aufgenommenen richterlichen Vernehmung aus dem Ermittlungsverfahren zu ersetzen (§  255a Absatz  2  StPO). Voraussetzung dafür ist, dass der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit hatten, an der Vernehmung im Ermittlungsverfahren mitzuwirken. Der Ausschluss des Angeklagten kann bei der Vernehmung Minderjähriger schon dann erfolgen, „wenn ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist“ (§ 247 Satz 2 StPO). Ferner ist ein Ausschluss der Öffentlichkeit während der Vernehmung des Zeugen unter 18 Jahren nach § 172 Nummer 4 GVG jederzeit möglich. Nach Nummer 135 Absatz 3 RiStBV sollen Kinder und Jugendliche möglichst vor anderen Zeugen vernommen werden und in den Warteräumen beaufsichtigt und, soweit möglich, betreut werden. Die Vernehmung kindlicher Zeugen in der gerichtlichen Hauptverhandlung wird allein durch den Vorsitzenden des Gerichts durchgeführt, es findet also kein Kreuzverhör statt (§ 241a StPO). Zu nennen ist auch die Zuständigkeit einer besonderen Kammer für Jugendschutzsachen beim Landgericht bei Straftaten Erwachsener, durch die ein Kind oder ein Jugendlicher verletzt oder unmittelbar gefährdet wird (§§ 26, 74b GVG). Anklage soll bei diesen Gerichten insbesondere dann erhoben werden, wenn in dem Verfahren Kinder oder Jugendliche als Zeugen benötigt werden. Hierdurch soll eine Kompetenzbündelung bei diesen Gerichten im Hinblick auf den Schutz kind - licher und jugendlicher Zeugen erreicht werden. Zu Artikel 57 – Rechtsberatung Die Vorschrift verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Bereitstellung von Rechtsbeistand und unentgeltlicher Rechtsberatung nach Maßgabe ihres internen Rechts. Damit soll kein automatischer Anspruch auf unentgeltliche Rechtsberatung verliehen werden, sondern es obliegt den Mitgliedstaaten, selbst die Voraussetzungen dafür zu bestimmen. Dabei sollen aber die Vorgaben des EGMR in Auslegung des Artikels 6 Absatz 1 EMRK zu berücksichtigen sein. Danach setzt ein wirksamer Zugang zum Recht einen kostenlosen Rechtsbeistand voraus, wenn die betroffene Person angesichts der Komplexität des Verfahrens und dem emotionalen Charakter der Situation ihre Angelegenheit nicht selbst vor Gericht mit dem gebotenen Grad der Objektivität vertreten kann. Gesetzlicher Umsetzungsbedarf besteht nicht, da die Anforderungen des Artikels 57 im deutschen Recht bereits erfüllt sind. Wenn das Opfer von Gewalt nicht in der Lage ist, die Kosten der Rechtsverfolgung vor den Zivilgerichten selbst aufzubringen, wird ihm unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe gewährt. Der Gesetzgeber hat hierzu die Prozesskostenhilfe in den §§ 114 ff. ZPO geregelt. Diese Regeln finden auch in Verfahren vor den Familiengerichten und in der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechende Anwendung. Unter den Voraussetzungen des § 121 ZPO beziehungsweise gemäß § 78 FamFG kann dem Opfer, dem Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe gewährt wird, auch ein Rechtsanwalt beziehungsweise eine -anwältin beigeordnet werden. Nach einer Beiordnung werden die Anwaltsgebühren, abhängig von der Leistungsfähigkeit des Beteiligten, ganz von der Staatskasse getragen oder dem Beteiligten wird Ratenzahlung bewilligt. Auch im Ausland lebende Personen können unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit Prozesskostenhilfe erhalten, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen und das angerufene deutsche Gericht für die Rechtsstreitigkeit zuständig ist. Außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens erhalten bedürftige Opfer von Gewalt Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten nach den Vorschriften des Gesetzes über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz – BerHG). Sie besteht gemäß § 2 Absatz 1 BerHG in Beratung, und, soweit erforderlich, auch in außergerichtlicher Vertretung. In der StPO ist das Recht der Opfer, sich eines Rechtsbeistands zu bedienen oder sich durch einen solchen vertreten zu lassen, wie zu Artikel 56 Absatz 1 Buchstabe d ausgeführt, durch das geltende Recht bereits gewährleistet. Nebenkläger und Nebenklägerinnen können sich des Beistands eines Rechtsanwalts oder einer -anwältin bedienen oder sich durch einen solchen beziehungsweise eine solche vertreten lassen (§ 397 Absatz 2 StPO). Nach § 406f Absatz 1 StPO steht dieses Recht auch allen übrigen Opfern von Straftaten zu. Gemäß § 406f Absatz 1 Satz 2 StPO ist einem zur Vernehmung erschienenen anwaltlichen Beistand die Anwesenheit gestattet. Zeugen, deren schutzwürdigen Interessen auf andere Weise nicht Rechnung getragen werden kann, haben Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts beziehungsweise einer -anwältin während ihrer Vernehmung (§ 68b StPO). Unter den Voraussetzungen des § 397a StPO haben Verletzte bestimmter schwerer Sexual- und Gewaltstraftaten einen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts beziehungsweise einer -anwältin auf Staatskosten unabhängig von ihren Einkommens- oder Vermögensverhältnissen. Außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens wird auch in Angelegenheiten des Strafrechts anwaltliche Beratung nach dem BerHG gewährt (§ 2 Absatz 2 Satz 2 BerHG). So können sich Geschädigte zum Beispiel darüber beraten lassen, ob sie als Nebenkläger beziehungsweise Nebenklägerinnen an dem Strafverfahren teilnehmen sollen. Bis auf einen Eigenbeitrag von 15 Euro übernimmt dabei die Staatskasse die Kosten der Beratung. Zu Artikel 58 – Verjährungsfrist Artikel 58 verpflichtet die Vertragsstaaten sicherzustellen, dass die Verjährungsfrist für die Einleitung von Strafverfahren wegen der in den Artikeln 36 bis 39 umschriebenen Straftaten ausreichend lang ist und sich über einen der Schwere der Straftat entsprechenden Zeitraum erstreckt, um die tatsächliche Einleitung von Verfahren nach Volljährigkeit des Opfers zu ermöglichen. Dies wird durch das bestehende Verjährungsrecht umgesetzt. § 78b Absatz 1 Nummer 1 StGB bestimmt, dass bei dem in § 177 StGB geregelten sexuellen Übergriff, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung (der Artikel 36 umsetzt), der Zwangsheirat gemäß § 237 StGB (der Artikel 37 umsetzt) und der Verstümmelung weiblicher Genitalien gemäß § 226a StGB (der Artikel 38 umsetzt) die Verjährung bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers ruht. Der Tatbestand der Zwangsheirat wurde zur Umsetzung des vorliegenden Übereinkommens durch Artikel 1 Nummer 4 des 49. Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht Drucksache 18/12037 – 94 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 93 vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10) in den Katalog des § 78b Absatz 1 Nummer 1 StGB aufgenommen (vgl. Bundestagsdrucksache 18/2954, S. 7 in Verbindung mit Bundestagsdrucksache 18/2601, S. 22). Dieser Katalog enthält auch den Straftatbestand der Verstümmelung weiblicher Genitalien gemäß § 226a StGB. Die Zwangssterilisation gemäß §  218 Absatz  2 Satz  2 Nummer 1 StGB (der Artikel 39 Buchstabe a umsetzt) wird in der Regel auch den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Absatz 1 Nummer 2 oder Nummer 4 StGB erfüllen, für den die Verjährungsfrist zehn Jahre beträgt (vgl. die vorstehend genannten Bundestagsdrucksachen; a. a. O.). Die Verjährungsfrist für die schwere Körperverletzung gemäß § 226 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 StGB (der Artikel 39 Buchstabe b umsetzt) beträgt 20 Jahre. Für diese Tatbestände tritt daher Verjährung grundsätzlich erst dann ein, wenn das Opfer bereits das Alter der Volljährigkeit überschritten hat, so dass schon ohne eine Aufnahme der genannten Tatbestände in die Ruhensvorschrift des § 78b Absatz 1 Nummer 1 StGB die Voraussetzungen des Artikels 58 erfüllt sind (vgl. erneut die genannten Bundestagsdrucksachen, a. a. O.). Zu Kapitel VII Migration und Asyl Zu Artikel 59 – Aufenthaltsstatus Mit der in Artikel 59 Absatz 1 aufgeführten Verpflichtung wird den Vertragsparteien auferlegt, die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen zu treffen, um zu gewährleisten, dass Opfer, die Migrantinnen oder Migranten sind, und deren Aufenthaltsstatus von dem ihres Ehegatten beziehungsweise -gattin oder Partner beziehungsweise Partnerin abhängt, bei einer möglichen Auflösung der Ehe oder Partnerschaft eine eigene Aufenthaltsgenehmigung von begrenzter Dauer erhalten. Diese Verpflichtung ist durch § 31 AufenthG bereits erfüllt. Nach § 31 Absatz 1 AufenthG erhalten Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft ein eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht. Die Erfüllung der in §  31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 AufenthG geregelten Min - destehebestandszeit (drei Jahre) ist nach § 31 Absatz 2 AufenthG nicht Erteilungsvoraussetzung, wenn es erforderlich ist, den weiteren Aufenthalt des Ehegatten zur Vermeidung einer besonderen Härte zu ermöglichen. § 31 Absatz 2 Satz 2 stellt klar, dass eine besondere Härte insbesondere dann vorliegt, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist. Für die lebenspartnerschaftliche Gemeinschaft findet §  31  AufenthG gemäß §  27 Absatz 2 AufenthG entsprechende Anwendung. Artikel 59 Absatz 2 beinhaltet die Verpflichtung, durch gesetzgeberische oder sonstige Maßnahmen sicherzustellen, dass bei einem Opfer Ausweisungsverfahren ausgesetzt werden können, die im Zusammenhang mit einem abgeleiteten Aufenthaltsstatus eingeleitet wurden, um dem Opfer zu ermöglichen, einen eigenständigen Aufenthaltstitel zu beantragen. Wie bereits oben ausgeführt, ist nach § 31 Absatz 2 Satz 2 AufenthG dem Ehegatten, der Opfer häuslicher Gewalt ist, ein eigenständiger Aufenthaltstitel unabhängig von der ansonsten erforderlichen dreijährigen Mindestbestandszeit der Ehe zu erteilen. Dem Ehepartner droht nach deutschem Recht daher bei Erfüllung der Voraussetzungen des §  31 Absatz  2 Satz 2 AufenthG keine Abschiebung. Der Regelungsgehalt von Artikel 59 Absatz 2 ist allerdings nicht eindeutig. Dem Erläuternden Bericht (Rn. 306) zufolge verpflichtet die Regelung die Vertragsparteien dazu, den Gewaltopfern, deren gewalttätiger Ehegatte abgeschoben wird, die Möglichkeit zu garantieren, die Aussetzung des sie betreffenden Abschiebeverfahrens zu erwirken und aus humanitären Gründen den Aufenthaltsstatus zu beantragen. Das deutsche Recht differenziert jedoch zwischen einem Aufenthalt aus familiären Gründen und einem Aufenthalt aus humanitären Gründen. Der obengenannte eigenständige Aufenthaltstitel für den Ehepartner, der Opfer häuslicher Gewalt ist, fällt unter die Regelungen zu Aufenthaltstiteln aus familiären Gründen (§§ 27 ff. AufenthG). Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen werden hingegen nach §§ 22 ff. AufenthG erteilt. Die jeweiligen Aufenthaltstitel unterscheiden sich sowohl in den Voraussetzungen als auch in den Rechtsfolgen. Beispielsweise ist für die Erteilung eines eigenständigen Aufenthaltstitels an den Ehepartner nach § 31 Absatz 2 AufenthG dann von der dreijährigen Mindestbestandszeit abzusehen, wenn dies zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist. Eine solche besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn das weitere Festhalten an der Ehe, etwa weil der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist, nicht zumutbar ist (§ 31 Absatz 2 Satz 2 AufenthG). Bei einem Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen nach §§ 22 ff. AufenthG ist eine derartige besondere Härte nicht Voraussetzung. Auch die Rechtsfolgen sind unterschiedlich. So berechtigt ein Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen in der Regel zu einem privilegierten Familiennachzug, während ein Aufenthaltstitel aus familiären Gründen in dieser Hinsicht keine Privilegien vorsieht. Da bereits Artikel 59 Absatz 1 die Verpflichtung enthält, Gewaltopfern in Fällen besonders schwieriger Umstände einen eigenständigen Aufenthaltstitel zu gewähren, könnte Artikel 59 Absatz 2 als darüber hinausgehende Verpflichtung verstanden werden, für jedes Gewaltopfer, dessen Ehegatte abgeschoben wurde, auch dann einen eigenständigen Aufenthaltstitel „aus humanitären Gründen“ (vgl. Rn. 306) zu schaffen, wenn keine besonders schwierigen Umstände im Sinne des Artikels 59 Absatz 1 vorliegen. Die Schaffung eines Aufenthaltstitels auch ohne besondere Härte würde deutlich über das bestehende System humanitärer Aufenthaltsrechte im AufenthG hinausgehen. Artikel 59 Absatz 2 verlangt hingegen nur, dass die Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung nicht abgeschlossen werden dürfen, ohne dass dem Opfer Gelegenheit gegeben wurde, einen eigenständigen Aufenthaltstitel zu beantragen. Artikel 59 Absatz 2 stellt damit eine verfahrensrechtliche Flankierung des Artikels 59 Absatz  1 dar. Dies ist nach den obigen Ausführungen in Deutschland gewährleistet. Da die Unsicherheiten in der Auslegung weder im Laufe der Verhandlungen noch durch den Erläuternden Bericht ausgeräumt werden konnten, hat Deutschland zu Artikel  59 Absatz  2 bei Zeichnung des Übereinkommens einen Nichtanwendungsvorbehalt gemäß Artikel 78 Absatz 2 eingelegt, der aufrechterhalten wird. Nach Artikel 59 Absatz 3 soll ein verlängerbarer Aufenthaltstitel für Gewaltopfer geschaffen werden, wenn ihr Aufenthalt aufgrund ihrer persönlichen Lage oder zur Mitwirkung in einem Ermittlungs- beziehungsweise Strafverfahren erforderlich ist. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 95 – Drucksache 18/12037 94 Gewaltopfer sind bereits nach geltendem Aufenthaltsrecht nicht schutzlos gestellt. Das Aufenthaltsgesetz enthält verschiedene Tatbestände, die die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus humanitären Gründen ermöglichen und auch Opfern von Straftaten unabhängig von der Aus - sagebereitschaft im Strafverfahren zugutekommen können, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Die persönliche Situation des Gewaltopfers ist im Rahmen der Prüfung, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen oder die Erteilung einer Duldung in Betracht kommt, zu berücksichtigen. Im Übrigen erhalten Opfer von Straftaten nach §  60a Absatz 2 Satz 2 AufenthG eine Duldung, wenn ihre Anwesenheit zu Aussagezwecken in einem Ermittlungs- oder Strafverfahren erforderlich ist. Diese Regelung ist zur Sicherung der Strafrechtspflege regelmäßig ausreichend. Schließlich hat Deutschland zu Artikel 59 Absatz 3 bei Zeichnung des Übereinkommens einen Nichtanwendungsvorbehalt gemäß Artikel 78 Absatz 2 eingelegt, der aufrechterhalten wird. Artikel 59 Absatz 4 enthält die Verpflichtung sicherzustellen, dass Opfer einer Zwangsheirat, die zum Zwecke der Verheiratung in ein anderes Land gebracht wurden und dadurch ihren Aufenthaltsstaus verloren haben, diesen wiedererlangen können. Diese Verpflichtung ist durch das am 1. Juli 2011 in Kraft getretene Zwangsheirat-Bekämpfungsgesetz erfüllt. Durch §  37 Absatz  2a  AufenthG haben Opfer von Zwangsheirat, die in einen anderen Staat gebracht wurden, ein verbessertes Wiederkehrrecht erhalten. Wenn sie aus Deutschland verschleppt wurden, um in ihrem Herkunftsland zwangsverheiratet zu werden, können sie seitdem bis zu zehn Jahre nach der Ausreise nach Deutschland zurückkehren und eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, wenn sie aufgrund der Zwangsheirat an einer früheren Rückkehr gehindert waren. Dies gilt auch dann, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht eigenständig sichern können. Zu Artikel 60 – Asylanträge aufgrund des Geschlechts Vorbemerkung zu Artikel 60 und Artikel 61 Der Erläuternde Bericht zum Übereinkommen hält in Rn. 300 fest, dass die Bestimmungen in den Artikeln 60 und 61 des Übereinkommens so erarbeitet wurden, dass sie mit dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK) und Artikel 3 der EMRK in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vereinbar sind. Der Erläuternde Bericht stellt in diesem Zusammenhang auch klar, dass Artikel 60 und 61 nicht über den Anwendungsbereich dieser Rechtsinstrumente hinausgehen, sondern ihnen lediglich eine praktische Dimension verleihen. Die genannten Rechtsinstrumente sind, wie auch die hieran orientierten Rechtsinstrumente des gemeinsamen Europäischen Asylsystems, in Deutschland bereits vollständig umgesetzt. Im Einzelnen: Nach Artikel 60 Absatz 1 und 2 muss Gewalt gegen Frauen aufgrund des Geschlechts als eine Form der Verfolgung anerkannt werden, und die für die Bestimmung des Flüchtlingsstatus aufgeführten Gründe müssen geschlechtersensibel ausgelegt werden. § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes (AsylG) (Flüchtlingseigenschaft), §  4 Absatz 1 AsylG (internationaler subsidiärer Schutz) sowie § 60 Absatz 5 und 7 AufenthG (nationale Abschiebungsverbote) tragen den in Artikel  60 Absatz  1 und 2 des Übereinkommens genannten Verpflichtungen Rechnung. Hinzuweisen ist insbesondere auf § 3 Absatz 1 in Verbindung mit § 3b Absatz 1 Nummer 4 AsylG. Eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann danach auch dann vorliegen, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft. Die in Artikel 60 Absatz 3 geforderten Maßnahmen für geschlechtersensible Verfahren, Hilfsdienste und Leitlinien, sind allgemein zur geschlechtsspezifischen Verfolgung und speziell in Bezug auf bestimmte Herkunftsländer durch verwaltungsinterne Richtlinien des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge umgesetzt. Sie spiegeln die Hinweise in den Rn. 314 bis 318 des Erläuternden Berichts zum Übereinkommen wieder. Zu Artikel 61 – Verbot der Zurückweisung Den in Artikel 61 des Übereinkommens genannten Verpflichtungen zur Beachtung des Verbots der Zurückweisung (Artikel 33 der GFK beziehungsweise Artikel 3 der EMRK) tragen die Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 1, 2, 3, 5 und 7 AufenthG Rechnung. Zu Kapitel VIII Internationale Zusammenarbeit Zu Artikel 62 – Allgemeine Grundsätze Artikel 62 Absatz 1 enthält die Verpflichtung der Vertragsparteien, auf der Grundlage einschlägiger bestehender internationaler und regionaler Übereinkünfte sowie Übereinkünfte, die aufgrund einheitlicher oder auf Gegenseitigkeit beruhender Rechtsvorschriften getroffen wurden, und innerstaatlicher Rechtsvorschriften im größtmöglichen Umfang zusammenzuarbeiten. Damit wird klargestellt, dass die Bestimmungen von Kapitel VIII bestehende Übereinkünfte im Bereich der Zusammenarbeit in zivilund strafrechtlichen Angelegenheiten aber auch die im Hinblick auf die internationale Zusammenarbeit maßgeblichen Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts nicht ersetzen sollen. Es sollen weder die einzelnen einschlägig geltenden Übereinkünfte reproduziert werden, noch sollen eigenständige Regelungen über die internationale Zusammenarbeit für den Bereich des vorliegenden Übereinkommens geschaffen werden. Vielmehr soll auf die schon bestehenden Regelungen zurückgegriffen werden. Dies hat zum einen den Vorteil, dass keine Abgrenzungsschwierigkeiten des vorliegenden Übereinkommens zu den vorhandenen und unten angeführten Rechtshilfeinstrumenten entstehen. Zum anderen sind die bestehenden Regelungen bereits bekannt und erprobt, so dass keine Einarbeitung in neue Regelungen notwendig ist. Die geforderte Zusammenarbeit erstreckt sich dabei auf die folgenden vier genannten Bereiche: • Verhütung, Bekämpfung und Verfolgung aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt (Buchstabe a), • Schutz und Unterstützung von Opfern (Buchstabe b), • Ermittlungen oder Verfahren wegen nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten (Buchstabe c), Drucksache 18/12037 – 96 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 95 • Vollstreckung einschlägiger von den Justizbehörden der Vertragsparteien erlassener zivil- und strafrecht - licher Urteile, Entscheidungen und Beschlüsse einschließlich Schutzanordnungen (Buchstabe d). Die in Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a geforderte Zusammenarbeit richtet sich nach den einschlägigen innerstaatlichen und zwischenstaatlichen Rechtsgrundlagen. Das neue Übereinkommen schafft insoweit keinen separaten rechtlichen Rahmen für die internationale polizeiliche Zusammenarbeit. Der zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten erforderliche Dienstverkehr der Polizeien des Bundes und der Länder mit den Polizei- und Justizbehörden sowie sonstigen insoweit zuständigen öffentlichen Stellen anderer Staaten obliegt gemäß § 3 des Gesetzes über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz – BKAG) grundsätzlich dem BKA. Für den Informationsaustausch mit dem Ausland stehen verschiedene Kanäle (zum Beispiel Interpol) zur Verfügung. Im Bereich der Verfolgung von Straftaten unterliegen die deutschen Polizeibehörden innerstaatlich der Sachleitung durch die Staatsanwaltschaften. Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe b benennt den Schutz und die Unterstützung von Opfern der in diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten als einen Bereich der engen Zusammenarbeit zwischen den Staaten. Im Bereich der EU-Mitgliedstaaten ist die Opferschutzrichtlinie vom 25.  Oktober  2012 (2012/29/EU), besonders her - vorzuheben. Mit dieser Richtlinie sollen insbesondere Maßnahmen auf Unionsebene ergriffen werden, um die Rechte, die Unterstützung und den Schutz der Opfer von Straftaten zu stärken. Ebenso hervorzuheben ist die EU-Opferentschädigungsrichtlinie vom 29.  April  2004 (2004/80/EG). Gemäß Artikel 12 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, für Opfer vorsätzlicher Gewalttaten eine gerechte und angemessene Entschädigung vorzusehen. Die Mitgliedstaaten sind gemäß Artikel 3 ff. verpflichtet, Unterstützungsbehörden einzurichten, die in grenzüberschreitenden Fällen Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in der EU dabei unterstützt, in dem EU-Staat, in dem die Gewalttat stattgefunden hat, Entschädigungsleistungen zu beantragen. Die Richtlinie wurde durch das OEG umgesetzt. Die deutsche Unterstützungsbehörde ist das BMAS. Das Thema Gewalt gegen Frauen und gewaltbedingte Verletzungen fließt auch in die Unfallprävention ein. Auf EU-Ebene wurden im Mai 2007 Empfehlungen des Rates zur Prävention von Verletzungen und zur Förderung der Sicherheit (2007/C 164/01) verabschiedet. Diese Empfehlungen umfassen thematisch die Prävention von Unfällen und Gewalttaten aller Art. Dies schließt auch durch häusliche Gewalt bedingte Verletzungen ein. Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe c benennt die justizielle Rechtshilfe zur Strafverfolgung der in diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten als einen weiteren Bereich der engen Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien. In Betracht kommen insbesondere die Auslieferung einer Person an eine andere Vertragspartei zum Zwecke der Strafverfolgung, die Durchlieferung einer Person durch das Gebiet einer Vertragspartei und die sonstige Rechtshilfe im Sinne jedweder Unterstützung eines ausländischen Verfahrens in strafrechtlichen Angelegenheiten. Rechtsgrundlagen sind – soweit im Verhältnis zum anderen Staat anwendbar – das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 und das Europäische Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (EuRhÜbk) sowie die Zusatzprotokolle zu diesen Übereinkommen. Im Bereich der EUMitgliedstaaten ist das Übereinkommen vom 29.  Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen (EU-RhÜbk) sowie dessen Zusatzprotokoll als auch die nationalen Umsetzungsvorschriften des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (2002/584/JI) (Rb EuHb) und der Richtlinie über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen vom 3. April 2014 (RL EEA) besonders hervorzuheben. Soweit durch Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe d auch die Vollstreckung einschlägiger von den Justizbehörden der Vertragsparteien erlassener strafrechtlicher Urteile, Entscheidungen und Beschlüsse in die geforderte Zusammenarbeit einbezogen wird, geht es in Ergänzung zu Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe c um die Auslieferung zur Strafvollstreckung und den Vollstreckungshilfeverkehr als weiteres Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen. Auf Ebene des Europarats sind insbesondere das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 und das Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen vom 21. März 1983 und dessen Zusatzprotokoll vom 18.  Dezember  1997 maßgeblich. Bei der Zusammenarbeit mit Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind insbesondere die nationalen Umsetzungsvorschriften zu den Rahmenbeschlüssen vom 27.  November  2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der EU (2008/909/JI) und vom 27. November  2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile und Bewährungsentscheidungen im Hinblick auf die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen (2008/947/JI) sowie zur Richtlinie vom 13.  Dezember 2011 über die Europäische Schutzanordnung (2011/99/EU) zu beachten. Für die Anerkennung und Vollstreckung zivilgerichtlicher Entscheidungen und Beschlüsse steht innerhalb der Europäischen Union insbesondere die Verordnung (EU) Nr.  1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zur Verfügung. Im Rechtsverkehr mit Drittstaaten gelten zahlreiche bilaterale Übereinkommen und im Übrigen die autonomen Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilsachen, insbesondere in §§ 328, 722, 723 ZPO. Diese Instrumente erfassen etwa Entscheidungen, in denen Schadensersatz- oder Abwehr- und Unterlassungsansprüche wegen körperlicher Gewalt zuerkannt werden. Nach Artikel 62 Absatz 2 haben die Vertragsparteien sicherzustellen, dass Straftaten bei den Behörden des Staates angezeigt werden können, in dem das Opfer seinen Wohnsitz hat, auch wenn die Straftat dort nicht begangen wurde. Die in Artikel 62 Absatz 2 erhobene Forderung ist durch die geltende Rechtslage erfüllt. Es gibt keine Beschränkung, eine Strafanzeige zu erstatten, auch Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97 – Drucksache 18/12037 96 wenn die Taten nicht im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland begangen wurden. Zweck der Regelung in Artikel 62 Absatz 3 ist es, Vertragsparteien, die die Leistung von Rechtshilfe in Strafsachen (Aus- und Durchlieferung, Vollstreckungshilfe und sonstige Rechtshilfe) von dem Bestehen eines völkerrechtlichen Vertrages abhängig machen, die Möglichkeit zu eröffnen, dieses Übereinkommen als die notwendige Rechtsgrundlage der Rechtshilfe anzusehen. Vergleichbare Regelungen sind bereits aus anderen internationalen Vereinbarungen zur Rechtshilfe bekannt. In der Bundesrepublik Deutschland wird die Leistung von Rechtshilfe in Strafsachen nicht von dem Bestehen eines Vertrages mit dem ersuchenden Staat abhängig gemacht. Vielmehr ist vertragslose Rechtshilfe nach der geltenden innerstaatlichen Rechtslage möglich; das IRG enthält ausreichende Ermächtigungsgrundlagen. Die Bundesrepublik Deutschland muss daher bei ein - gehenden Ersuchen von Absatz  3 keinen Gebrauch machen. Nach Artikel 62 Absatz 4 hat sich jede Vertragspartei zu bemühen, die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Entwicklungshilfeprogramme zu Gunsten von Drittstaaten aufzunehmen. Die Bundesregierung fördert den Schutz betroffener Frauen und die Verwirklichung der Menschenrechte für Frauen durch ihre Außen- und Entwicklungspolitik in vielfältiger Weise. Hauptakteure sind hierbei das Auswärtige Amt (AA) und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). So sind sowohl im Gleichberechtigungskonzept des BMZ von 2014, im zweiten entwicklungspolitischen Gender-Aktionsplan 2016-2020 (GAP II) als auch im Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen (2007) festgelegt, dass die Bekämpfung und Vorbeugung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen ein zentrales Anliegen der deutschen Entwicklungspolitik ist. In zahlreichen Ländern werden Projekte zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen gefördert. Es handelt sich dabei insbesondere um Aufklärungskampagnen, in denen in den betroffenen Ländern auf die Verletzung der Menschenrechte und Menschenwürde der Frauen hingewiesen werden. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit unterstützt zudem nationale Bemühungen von Partnerländern, Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, einen besseren Zugang zu Justiz und qualitativ hochwertigen Dienstleistungen zu verschaffen. Die Partnerländer werden dabei unterstützt, sich kritisch und aktiv mit gesellschaftlichen Normen und Geschlechterstereotypen auseinanderzusetzen und gezielt auf den Abbau bestehender struktureller Ungleichheiten hinzuarbeiten. In Pakistan wird zum Beispiel das Projekt „Women Protection Project“ gefördert mit dem Ziel, dass staatliche wie nichtstaatliche Organisationen die Maßnahmen zur Umsetzung des dortigen Aktionsplanes gegen geschlechtsspezifische Gewalt anwenden und verbessern. Hervorzuheben ist das Vorhaben der deutschen Entwicklungszusammenarbeit „Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in Peru, Ecuador, Bolivien und Paraguay, ComVoMujer“. Alle Länder der Andenregion haben sich zur Prävention, Bekämpfung und Bestrafung von Gewalt gegen Frauen in entsprechenden internationalen Konventionen, nationalen Gesetzen und Aktionsplänen verpflichtet. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zum Ziel gesetzt, die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft und den Erfahrungsaustauch und die Zusammenarbeit auf regionaler und nationaler Ebene zu verbessern. Soziokulturelle Denk- und Verhaltensmuster, die Gewalt gegen Frauen und die gesellschaftliche Ungleichheit der Geschlechter rechtfertigen, werden durch Kampagnen, Medienbeteiligungen, Informationen und Studien beeinflusst. Zudem werden verschiedene staatliche, nicht staatliche und privatwirtschaftliche Akteure bei der Umsetzung von präventiven Ansätzen unterstützt und durch zielgruppenorientierte, partizipative Bearbeitung des Themas geschult. So hat zum Beispiel die Regionalregierung von Ica und Peru zusammen mit ComVoMujer einen Gewaltschutzplan als Teil des regionalen Entwicklungsplans erarbeitet. Zu Artikel 63 – Maßnahmen in Bezug auf gefährdete Personen In Artikel 63 werden die Vertragsstaaten, die hinreichende Verdachtsmomente haben, dass eine Person unmittelbar der Gefahr ausgesetzt ist, eine der in den Artikel 36, 37, 38 und 39 genannten Gewalttaten im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates zu erleiden, dazu ermutigt, diese Information unverzüglich an den entsprechenden Vertragsstaat zu übermitteln, damit die entsprechenden Schutzmaßnahmen von der jeweiligen Vertragspartei ausgeführt werden können. Im Erläuternden Bericht (Rn. 333) wird ausgeführt, dass es im Ermessen der jeweiligen Vertragspartei liegt, festzulegen, was als hinreichende Verdachtsmomente gewertet wird. Es obliegt somit jeder einzelnen Vertragspartei selbst, gemäß den erfassten Informationen für jeden Fall gesondert festzulegen, zu welchem Zeitpunkt es angemessen ist, diese Informationen auszutauschen, um solche Gewalttaten zu verhindern. Diese Informationen umfassen Details zu Schutzanordnungen, die zugunsten der gefährdeten Personen getroffen wurden. Zu Artikel 64 – Informationen  Artikel  64 regelt den Informationsfluss zwischen den Vertragsparteien im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit. Gemäß Artikel 64 Absatz 1 wird die bereits in verschiedenen der vorbezeichneten Übereinkommen festgelegte Pflicht der ersuchten Vertragspartei wiederholt, die ersuchende Vertragspartei umgehend über das Endergebnis der nach Kapitel VIII dieses Übereinkommens getroffenen Maßnahmen zu unterrichten oder gegebenenfalls die Gründe darzulegen, die eine Durchführung der erbetenen Maßnahmen unmöglich machen beziehungsweise erheblich verzögern. Artikel 64 Absatz 2 regelt die Übermittlung von Informationen an eine andere Vertragspartei ohne vorheriges Ersuchen. Sogenannte Spontanauskünfte zur Einleitung oder Förderung von Strafverfahren im Ausland sind bereits in verschiedenen zwischenstaatlichen Übereinkommen geregelt, unter anderem in Artikel 11 des Zweiten Zusatzprotokolls vom 8. November 2001 zum Europäischen Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (Bundestagsdrucksache 17/13415) und Artikel 7 des Übereinkommens vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der EU. Danach können Vertragsparteien Informationen ohne Rechtshilfeersuchen übermitteln, wenn diese – nach Einschätzung der überDrucksache 18/12037 – 98 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 97 mittelnden Vertragspartei – der empfangenden Vertragspartei helfen könnten, Ermittlungen oder Verfahren einzuleiten oder durchzuführen, sowie wenn diese Informationen zu einem Rechtshilfeersuchen nach dem EuRhÜbk oder seinen Protokollen führen könnten. Die innerstaat - liche Ermächtigungsgrundlage für Spontanübermittlungen enthält § 92c IRG für den Verkehr mit Mitgliedstaaten der EU und § 61a IRG für den darüber hinausgehenden Verkehr. In Artikel 64 Absatz 3 wird der Grundsatz eingeführt, dass eine Vertragspartei, die Informationen erhält, diese Informationen den einschlägigen Behörden übermitteln muss, welche gemäß innerstaatlichem Recht für die Bearbeitung dieser Informationen zuständig sind. Im Bereich der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung sind das vor allem Polizeibehörden oder Staatsanwaltschaften. Diese Behörden beurteilen, inwieweit diese Informationen für die Gefahrenabwehr, die Einleitung oder Fortführung von Ermittlungen oder in Gerichtsverfahren von Interesse sind. Es ist wichtig anzumerken, dass der im Rahmen dieser Bestimmung verlangte Informationsaustausch nicht auf Ermittlungen oder Strafverfahren begrenzt ist, sondern dass er sich auch auf Zivilklagen einschließlich Schutzanordnungen erstreckt. Zu Artikel 65 – Datenschutz Artikel 65 regelt die Speicherung und Verwendung per - sonenbezogener Daten nicht durch eigene bereichs - spezifische Datenschutzregelungen, sondern verweist auf die Verpflichtungen der Vertragsparteien, die sich aus dem Übereinkommen vom 28. Januar 1981 zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (SEV Nummer 108) (BGBl. 1985 II S. 538, 539) ergeben. SEV Nummer 108 wurde von der Bundesrepublik Deutschland am 19. Juni 1985 ratifiziert und ist im allgemeinen und bereichsspezifischen deutschen Datenschutzrecht vollständig umgesetzt. Zu Kapitel IX Überwachungsmechanismus Das folgende Kapitel spezifiziert den in Artikel 1 Absatz 2 angeführten Überwachungsmechanismus, der die Durchführung des Übereinkommens durch die Vertragsparteien evaluiert. Dieser Überwachungsmechanismus orientiert sich am Überwachungsmechanismus des Überein - kommens des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels vom 16. Mai 2005, dem Deutschland am 19. Dezember  2012 beigetreten ist. Gesetzlicher Um - setzungsbedarf im deutschen Recht ergibt sich aus Kapitel IX nicht. Zu Artikel 66 – Expertengruppe für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt  Auf der Grundlage von Artikel 66 wird eine unabhängige Gruppe von Expertinnen und Experten zur Überwachung des Übereinkommens eingesetzt. Artikel 66 Absatz 1 regelt, dass eine solche Experten - gruppe unter der Bezeichnung „GREVIO“ die Durchführung des Übereinkommens durch die Vertragsparteien überwacht. Artikel 66 Absatz 2 legt die Mindest- und Höchstzahl der Mitglieder von GREVIO fest. Darüber hinaus wird geregelt, dass die Zusammensetzung von GREVIO eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter berücksichtigt und die geographische Balance der Vertragsparteien wiederspiegelt. Die Mitglieder müssen die Staatsangehörigkeit einer Vertragspartei haben und sollten das Fachwissen verschiedener Disziplinen abdecken können. Die Amtszeit der Mitglieder beträgt vier Jahre, und sie können einmal wiedergewählt werden. Artikel 66 Absatz 3 bestimmt, dass die Wahl der ersten zehn Mitglieder innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Übereinkommens (siehe hierzu Ausführungen zu Artikel 75 Absatz 3) stattfindet. Weitere fünf Mitglieder werden nach der 25. Ratifikation gewählt. Artikel  66 Absatz  4 betont die Notwendigkeit eines transparenten Wahlverfahrens, aus dem Fachleute mit ausgewiesener Expertise auf dem Gebiet der Menschenrechte, der Gleichstellung, der Gewaltbekämpfung und des Opferschutzes hervorgehen. GREVIO-Mitglieder müssen unterschiedliche Staatsangehörigkeiten besitzen und sollten die wesentlichen Rechtssysteme, sowie die unterschiedlichen Akteure und Stellen auf dem Gebiet der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt repräsentieren. Des Weiteren wird die Unabhängigkeit der GREVIO-Mitglieder hervorgehoben. Artikel 66 Absatz 5 legt die Kompetenz für das Wahlverfahren für die GREVIO-Mitglieder in die Hände des Ministerkomitees des Europarats. Artikel 66 Absatz 6 regelt, dass GREVIO sich eine Geschäftsordnung geben muss. Artikel 66 Absatz 7 regelt, dass die GREVIO-Mitglieder und andere Delegationsmitglieder, welche die in Artikel 68 Absatz 9 und 14 festgelegten Länderbesuche durchführen, gleichberechtigt agieren und dieselben Privilegien und Immunitätsrechte genießen gemäß den im Anhang zu diesem Übereinkommen festgelegten „Vorrechte und Immunitäten“. Zu Artikel 67 – Ausschuss der Vertragsparteien Artikel 67 etabliert für die Überwachung dieses Übereinkommens neben der Expertengruppe GREVIO den Ausschuss der Vertragsparteien. Dieser Ausschuss ist die zweite Säule des Überwachungsmechanismus. Dem Ausschuss der Vertragsparteien gehören nach Artikel 67 Absatz 1 die Vertreterinnen und Vertreter der jeweiligen Vertragspartei an. Artikel 67 Absatz 2 regelt die Einberufung des Ausschusses, dessen erste Sitzung innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Übereinkommens zur Wahl der GREVIOMitglieder abgehalten wird. Danach tritt er immer dann zusammen, wenn ein Drittel der Vertragsparteien, der Vorsitz des Ausschusses oder der Generalsekretär dies verlangt. Nach Artikel 67 Absatz 3 muss sich der Ausschuss der Vertragsparteien – wie bei GREVIO – eine Geschäftsordnung geben. Zu Artikel 68 – Verfahren  In Artikel 68 werden das Evaluierungsverfahren und das Zusammenspiel von GREVIO und dem Ausschuss der Vertragsparteien festgelegt. Artikel 68 Absatz 1 verpflichtet die Vertragsparteien, gegenüber dem Generalsekretär des Europarats über die Durchführung des ÜbereinkomDeutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 99 – Drucksache 18/12037 98 mens zu berichten. Basis hierfür ist ein Fragebogen, den GREVIO erarbeitet hat. Nach Artikel 68 Absatz 2 wird der nach Artikel 68 Absatz 1 vorgelegte Bericht von GREVIO unter Einbeziehung der Vertragspartei geprüft. Artikel 68 Absatz 3 regelt das Verfahren, das nach Ab - gabe des nach Artikel 68 Absatz 1 und Absatz 2 vorgelegten Basisberichts durchzuführen ist. GREVIO wählt nun einzelne Bestimmungen aus, auf die sich die Überwachung konzentriert, entwickelt dazu jeweils einen Fragebogen, der durch die Vertragsparteien zu beantworten ist. In Artikel 68 Absatz 4 wird festgelegt, dass GREVIO die für die Durchführung der Bewertung geeigneten Mittel bestimmt. Dies kann ein Fragebogen oder jegliche andere Art von Informationsanfragen einschließen. Artikel 68 Absatz 5 regelt, dass GREVIO Informationen von nichtstaatlichen Organisationen, der Zivilgesellschaft sowie von Menschenrechtsinstituten beziehen darf. In Artikel 68 Absatz 6 wird sichergestellt, dass Vertragsparteien nicht zum gleichen Sachverhalt parallel an verschiedenen Organisationen berichten. GREVIO hat vorliegende und öffentlich zugängliche Berichte der Vertragsparteien an andere in seine Evaluierung mit einzubeziehen. Artikel 68 Absatz 7 greift die Verpflichtung aus Artikel 11 Absatz 4 auf, nach der gesammelte Daten zu veröffent - lichen sind. GREVIO hat diese Daten in seinem Bericht zu berücksichtigen. Artikel 68 Absatz  8 stellt die Kongruenz zu anderen Kontrollsystemen des Europarats her und stellt sicher, dass die einschlägigen Informationen anderer Europaratsgremien GREVIO zur Verfügung gestellt werden und GREVIO über eventuell anhängige Beschwerdeverfahren und deren Ausgang durch diese Gremien unterrichtet wird. Artikel 68 Absatz 9 gibt GREVIO in besonderen Fällen die Möglichkeit zu Länderbesuchen. Nach Artikel 68 Absatz 10 erstellt GREVIO zunächst einen Berichtsentwurf nebst Schlussfolgerungen, der dann der Vertragspartei zur Stellungnahme zugeleitet wird. Dessen Stellungnahme ist im endgültigen Bericht zu berücksichtigen. Absatz 68 Absatz 11 regelt, dass der endgültige Bericht nebst Schlussfolgerungen nach Beschlussfassung ver - öffentlicht wird, ggf. zusammen mit der Stellungnahme der betroffenen Vertragspartei. Artikel 68 Absatz 12 räumt dem Ausschuss der Vertragsparteien das Recht ein, auf der Grundlage des Berichts und der Schlussfolgerungen von GREVIO eigene Empfehlungen, die auch von denen der GREVIO-Expertengruppe abweichen oder über diese hinausgehen können, an die Vertragspartei auszusprechen. Der Ausschuss der Vertragsparteien hat die Möglichkeit hierfür der Vertragspartei eine Frist zu setzen, um die Zusammenarbeit zu fördern und die Durchführung des Übereinkommens sicherzustellen. Nach Artikel 68 Absatz 13 hat GREVIO das Recht, einen außerperiodischen Sonderbericht von den Vertragsparteien zu fordern, wenn zuverlässige Informationen vorliegen, dass schwere Verstöße gegen das Übereinkommen vorliegen. Zur Verhütung und Begrenzung von Verstößen gegen das Übereinkommen kann GREVIO des Weiteren nach Artikel 68 Absatz 14 ihre Mitglieder mit der Durchführung einer Untersuchung beauftragen. In Ausnahmefällen schließt dies das Recht zu Länderbesuchen bei der jeweiligen Vertragspartei ein. Artikel 68 Absatz 15 regelt, dass GREVIO die Ergebnisse der nach Artikel 68 Absatz 14 stattgefundenen Unter - suchung der Vertragspartei übermittelt, aber ggf. auch dem Ausschuss der Vertragsparteien und dem Ministerkomitee des Europarats. Zu Artikel 69 – Allgemeine Empfehlungen Artikel 69 ist an Artikel 21 Absatz 1 CEDAW angelehnt und bietet GREVIO die Möglichkeit, allgemeine Empfehlungen zur Durchführung des Übereinkommens zu beschließen. Unter Rn. 359 des Erläuternden Berichts wird hierzu analog zu CEDAW ausgeführt: „Die allgemeinen Empfehlungen haben für sämtliche Vertragsparteien eine gemeinsame Bedeutung und betreffen Artikel oder Themen des Übereinkommens. Sie betreffen nicht ein bestimmtes Land im Speziellen. Obwohl diese allgemeinen Empfehlungen nicht verbindlich sind, dienen sie den Vertragsparteien doch als wichtige Referenz für ein besseres Verständnis der Themen des Übereinkommens und bieten Richtlinien, die zur effektiven Umsetzung der im Übereinkommen enthaltenen Bestimmungen beitragen können. Diese Empfehlungen sollten auch Teil der zukünftigen Überwachungszyklen sein.“ Zu  Artikel  70  –  Beteiligung  der  Parlamente  an  der Überwachung Nach Artikel 70 Absatz 1 und 2 müssen die Vertragsparteien ihre nationalen Parlamente an der Überwachung der Durchführung dieses Übereinkommens beteiligen und die Berichte von GREVIO den Parlamenten übermitteln. Dieses Übereinkommen ist das erste, das sowohl die nationalen Parlamente als auch die Parlamentarische Versammlung des Europarats in die Überwachung der Konvention einbindet. Artikel 70 Absatz 3 regelt die Einbindung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in die Bilanzierung der Durchführung. Der Erläuternde Bericht führt hierzu unter anderem in Rn.  361 aus: „Dies ist die erste Bestimmung dieser Art in einem Übereinkommen des Europarats, und mit ihr wird festgelegt, dass die Parlamentarische Versammlung aufgefordert wird, regelmäßig Bilanz über die Durchführung dieses Übereinkommens zu ziehen. Hiermit wollten die Verfasser die wichtige Rolle der Parlamentarischen Versammlung bei der Aufnahme des Themas Gewalt gegen Frauen in die Agenda des Europarats und seiner Mitgliedstaaten anerkennen. Hinsichtlich des langjährigen Engagements der Versammlung bei dieser Problematik und der hohen Anzahl an Empfehlungen, die sie in diesem Bereich verabschiedete, stärkt die Beteiligung der Versammlung an der Überwachung des Übereinkommens dessen Ergebnisse in erheblichem Maße.“ Dem Sekretariat des Europarats obliegt es, die Parlamentarische Versammlung einzubeziehen. Drucksache 18/12037 – 100 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 99 Zu Kapitel X Verhältnis zu anderen völkerrechtlichen Übereinkünften Zu Artikel 71 – Verhältnis zu anderen völkerrechtlichen Übereinkünften Gemäß Artikel 71 bleiben die Pflichten aus anderen völkerrechtlichen Übereinkünften zu den im Übereinkommen geregelten Fragen unberührt. Außerdem sind ergänzende Übereinkünfte ausdrücklich zulässig. Zu Kapitel XI Änderungen des Übereinkommens Zu Artikel 72 – Änderungen Artikel 72 regelt das Verfahren zur Änderung des Übereinkommens. Das Verfahren entspricht dem anderer Übereinkünfte unter der Ägide des Europarats. Danach übermittelt eine Vertragspartei ihren Änderungsvorschlag an den Generalsekretär des Europarats, der ihn wiederum unter anderem an die Mitgliedstaaten des Europarats, jeden Vertragsstaat und die EU weiterleitet. Das Ministerkomitee des Europarats prüft den Änderungsvorschlag. Bevor es zu einer Entscheidung kommt, muss es alle Vertragsparteien, die nicht Mitglieder des Europarats sind, konsultieren. Danach kann das Ministerkomitee die Änderungen beschließen und diese den Vertragsparteien zur Annahme übermitteln. Beschlossene Änderungen werden nach Artikel 72 Absatz 4 nur nach Annahme durch alle Vertragsparteien wirksam. Zu Kapitel XII Schlussbestimmungen Zu  Artikel  73  –  Auswirkungen  dieses  Übereinkommens Artikel 73 stellt klar, dass die Geltung von weiterreichenden innerstaatlichen oder völkerrechtlichen Schutzbestimmungen zur Bekämpfung häuslicher Gewalt durch das Übereinkommen nicht berührt ist. Zu Artikel 74 – Beilegung von Streitigkeiten Artikel 74 enthält eine in völkerrechtlichen Übereinkünften übliche Klausel zur Streitbeilegung. Danach werden die Vertragsparteien dazu verpflichtet, bei Streitigkeiten über die Anwendung und Auslegung des Übereinkommens zunächst eine friedliche Beilegung des Streits beispielsweise mittels eines Vergleichs- oder Schlichtungsverfahrens zu versuchen. Zu Artikel 75 – Unterzeichnung und Inkrafttreten Das Übereinkommen liegt für die Mitgliedstaaten des Europarats, für Nichtmitgliedstaaten, die sich an der Ausarbeitung beteiligt haben, und für die EU zur Unter - zeichnung auf. Bevor es in Kraft treten konnte, mussten zehn Unterzeichner, davon mindestens acht Mitgliedstaaten des Europarats, ihre Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt haben. Das Übereinkommen trat am 1. August 2014 in Kraft. Zu Artikel 76 – Beitritt zum Übereinkommen  Nach Inkrafttreten des Übereinkommens steht es auch Nichtmitgliedstaaten des Europarats, die sich nicht an seiner Ausarbeitung beteiligt haben, zum Beitritt offen. Hierzu bedarf es einer Einladung zum Beitritt nach einhelliger Zustimmung des Ministerkomitees und der Vertragsparteien des Übereinkommens. Zu Artikel 77 – Räumlicher Geltungsbereich Artikel 77 als Regelung des räumlichen Geltungsbereichs enthält für völkerrechtliche Verträge übliche Bestimmungen, denen gemäß jede Vertragspartei Erklärungen zur Anwendbarkeit oder Nicht-Anwendbarkeit des Übereinkommens auf bestimmte Teile ihres Hoheitsgebiets abgeben kann. Diese Regelung widerspricht nicht Artikel 29 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (WVK), der für die Bundesrepublik seit dem 20. August 1987 gilt. Zu Artikel 78 – Vorbehalte Artikel 78 setzt die Verbotsmöglichkeit zu Vorbehalten gemäß Artikel 19 Buchstabe a WVK um. Vorbehalte werden auf die in Artikel 78 Absatz 2 und 3 genannten Artikel beschränkt. Dies dient der Stärkung der Verbindlichkeit des Übereinkommens. Zu Artikel 79 – Gültigkeit und Prüfung der Vorbehalte Artikel 79 begründet ein periodisches regelmäßiges Überprüfungsverfahren für Vorbehalte, indem die Geltungsdauer von gemäß Artikel  78 erklärten Vorbehalten auf fünf Jahre beschränkt wird (Absatz 1) und im Rahmen des in Absatz 2 vorgesehenen Verfahrens regelmäßig bestätigt werden muss, um Bestand zu behalten. Diese Regelungen sowie die in Artikel 78 Absatz 3 enthaltene Aufforderung an die Vertragsparteien, das Anbringen und Beibehalten eines Vorbehalts zu bestätigen, dienen der Stärkung der Verbindlichkeit des Übereinkommens. Zu Artikel 80 – Kündigung Artikel 80 enthält eine Kündigungsregelung zur einseitigen Vertragsbeendigung im Sinne von Artikel 54 WVK. Zu Artikel 81 – Notifikation Die in Artikel 81 vorgesehenen Notifikationspflichten des Generalsekretärs des Europarats entsprechen den in Artikel 77 WVK statuierten Aufgaben des Verwahrers. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 101 – Drucksache 18/12037 100 Das Gesetz vom 17. Juli 2017 zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (BGBl. 2017 II S. 1026) ist wie folgt zu berichtigen: In Artikel 2 Absatz 2 sind die Wörter „Artikel 76 Absatz 2“ durch die Wörter „Artikel 75 Absatz 4“ zu ersetzen. Berlin, den 2. März 2018 B u n d e s m i n i s te r i u m f ü r Fa m i l i e , S e n i o re n , Fra u e n u n d J u g e n d Im Auftrag R u t h N i e b u e r Bundesgesetzblatt Jahrgang 2018 Teil II Nr. 4, ausgegeben zu Bonn am 26. März 2018 119 Berichtigung des Gesetzes zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt Vom 2. März 2018 101 I. Nach Artikel 2 Absatz 2 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 zu dem Überein - kommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (BGBl. 2017 II S. 1026, 1027; 2018 II S. 119) wird bekannt gemacht, dass das Übereinkommen nach seinem Artikel 75 Absatz 4 für die Bundesrepublik Deutschland am 1. Februar 2018 in Kraft getreten ist. Die deutsche Ratifikationsurkunde ist am 12. Oktober 2017 beim General - sekretär des Europarats in Straßburg hinterlegt worden. Bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde hat D e u t s c h l a n d * folgende Vo r b e h a l te zu Artikel 44 und Artikel 59 angebracht: „Die Bundesrepublik Deutschland behält sich gemäß Artikel 78 Absatz 2 des Übereinkommens das Recht vor, eine Gerichtsbarkeit für Auslandstaten von Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland haben (Art. 44 Absatz 1 Buchstabe e), nur unter den Voraussetzungen des § 7 Absatz 2 Nummer 2 des Strafgesetzbuches (StGB) zu begründen. Das deutsche Strafrecht enthält keine Regelung, die vollständig Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe e umsetzt, also eine Vorschrift, nach der (auch) für Auslandstaten, die von Ausländern oder Staatenlosen begangen werden, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, grundsätzlich immer das deutsche Strafrecht gilt. Die in der Praxis wesentlichen Fallgestaltungen dieser Konstellation werden zwar durch § 7 Absatz 2 Nummer 2 StGB abgedeckt, wonach deutsches Strafrecht bei der Auslandstat eines im Inland angetroffenen Ausländers oder Staatenlosen anwendbar ist, wenn der Täter, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird. Es sind jedoch Ausnahmefälle denkbar, in denen diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Die Bundesrepublik Deutschland behält sich gemäß Artikel 78 Absatz 2 des Übereinkommens das Recht vor, die in Artikel 59 Absatz 2 und 3 enthaltenen Vorschriften des Übereinkommens nicht anzuwenden. Die Vorgaben des Artikels 59 Absatz 1 und Absatz 2 betreffend einen eigenständigen Aufenthaltsstatus von Opfern häuslicher Gewalt werden durch § 31 Absatz 1 und 2 des deutschen Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) grundsätzlich umgesetzt. So ist nach § 31 Absatz 2 Satz 2 AufenthG dem Ehegatten, der Opfer häuslicher Gewalt ist, ein eigenständiger Aufenthaltstitel unabhängig von der ansonsten erforderlichen dreijährigen Mindest - bestandszeit der Ehe zu erteilen; dem Ehepartner droht nach deutschem Recht daher bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 31 Absatz 2 Satz 2 AufenthG keine Abschiebung. Der Regelungsgehalt von Artikel 59 Absatz 2 ist allerdings nicht eindeutig. Dem Erläuternden Bericht (Rn. 306) zufolge verpflichtet die Regelung die Vertragsparteien dazu, den Gewaltopfern, deren gewalttätiger Ehegatte abgeschoben wird, die Möglichkeit zu garantieren, die Aussetzung des sie betreffenden Abschiebeverfahrens zu erwirken und aus humanitären Gründen den Aufenthaltsstatus zu beantragen. Das deutsche Recht differenziert jedoch zwischen einem Aufenthalt aus familiären Gründen und einem Aufenthalt aus humanitären Gründen; die jeweiligen Aufenthaltstitel unterscheiden sich sowohl in den Voraussetzungen als auch in den Rechtsfolgen. Die Regelung des § 31 Absatz 2 fällt unter die Regelungen zu Aufenthaltstiteln aus familiären Gründen. Aus Sicht Deutschlands bestehen deshalb hinsichtlich der Auslegung des Artikels 59 Absatz 2 insoweit Unsicherheiten, die weder im Verlauf der Verhandlungen noch durch den erläuternden Bericht ausgeräumt werden konnten. Der bei Zeichnung des Übereinkommens von Deutschland gemäß Artikel 78 Absatz 2 eingelegte Nichtanwendungsvorbehalt Artikel 59 Absatz 2 wird daher aufrecht erhalten. Nach Artikel 59 Absatz 3 soll ein verlängerbarer Aufenthaltstitel für Gewaltopfer geschaffen werden, wenn ihr Aufenthalt aufgrund ihrer persönlichen Lage oder zur Mitwirkung in einem Ermittlungs- beziehungsweise Strafverfahren erforderlich ist. Das deutsche Aufenthaltsgesetz (AufenthG) sieht in § 60a Absatz 2 Satz 2 vor, dass Opfer von Straftaten eine 142 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2018 Teil II Nr. 5, ausgegeben zu Bonn am 16. April 2018 Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt Vom 5. April 2018 102 Duldung erhalten, wenn ihre Anwesenheit zu Aussagezwecken in einem Ermittlungs- oder Strafverfahren erforderlich ist. Diese Regelung ist zur Sicherung der Strafrechtspflege regelmäßig ausreichend. Der bei Zeichnung des Übereinkommens von Deutschland gemäß Artikel 78 Absatz 2 eingelegte Nichtanwendungsvorbehalt betreffend Artikel 59 Absatz 3 wird aufrechterhalten.“ II. Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist ferner für folgende Staaten* und Organisationen in Kraft getreten: Albanien am 1. August 2014 Andorra* am 1. August 2014 nach Maßgabe eines Vorbehalts zu Artikel 30 Belgien* am 1. Juli 2016 nach Maßgabe einer Erklärung zu Artikel 10 Bosnien und Herzegowina am 1. August 2014 Dänemark* am 1. August 2014 nach Maßgabe von Vorbehalten zu den Artikeln 34 und 44 Estland am 1. Februar 2018 nach Maßgabe einer Erklärung zu Artikel 10 Finnland* am 1. August 2015 nach Maßgabe eines Vorbehalts zu Artikel 55 und eines Einspruchs gegen eine Erklärung Polens Frankreich* am 1. November 2014 nach Maßgabe von Vorbehalten zu den Artikeln 44 und 58 sowie einer Erklärung zu Artikel 10 Georgien* am 1. September 2017 nach Maßgabe eines Vorbehalts zu Artikel 30 Italien am 1. August 2014 Malta* am 1. November 2014 nach Maßgabe von Vorbehalten zu den Artikeln 30, 44 und 59 Monaco* am 1. Februar 2015 nach Maßgabe von Vorbehalten zu den Artikeln 30, 44 und 59 Montenegro am 1. August 2014 Niederlande* am 1. März 2016 nach Maßgabe einer Erklärung zur territorialen Anwendbarkeit und eines Einspruchs gegen eine Erklärung Polens Norwegen* am 1. November 2017 nach Maßgabe eines Einspruchs gegen eine Erklärung Polens Österreich* am 1. August 2014 nach Maßgabe eines Einspruchs gegen eine Erklärung Polens Polen* am 1. August 2015 nach Maßgabe von Vorbehalten zu den Artikeln 30, 44, 55 und 58 sowie von Erklärungen zur Vereinbarkeit des Übereinkommens mit der polnischen Verfassung und zu Artikel 18 Portugal am 1. August 2014 Rumänien* am 1. September 2016 nach Maßgabe von Vorbehalten zu den Artikeln 30, 33, 34, 44, 55 und 59 San Marino am 1. Mai 2016 Schweden* am 1. November 2014 nach Maßgabe von Vorbehalten zu den Artikeln 44 und 58 sowie eines Einspruchs gegen eine Erklärung Polens Schweiz* am 1. April 2018 nach Maßgabe von Vorbehalten zu den Artikeln 44, 55 und 59 sowie eines Einspruchs gegen eine Erklärung Polens Serbien* am 1. August 2014 nach Maßgabe von Vorbehalten zu den Artikeln 30 und 44 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2018 Teil II Nr. 5, ausgegeben zu Bonn am 16. April 2018 143 103 Herausgeber: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Postanschrift: 11015 Berlin Hausanschrift: Mohrenstraße 37, 10117 Berlin Telefon: (0 30) 18 580-0 Redaktion: Bundesamt für Justiz Schriftleitungen des Bundesgesetzblatts Teil I und Teil II Postanschrift: 53094 Bonn Hausanschrift: Adenauerallee 99 – 103, 53113 Bonn Telefon: (02 28) 99 410-40 Verlag: Bundesanzeiger Verlag GmbH Postanschrift: Postfach 10 05 34, 50445 Köln Hausanschrift: Amsterdamer Str. 192, 50735 Köln Telefon: (02 21) 9 76 68-0 Satz, Druck und buchbinderische Verarbeitung: M. DuMont Schauberg, Köln Bundesgesetzblatt Teil I enthält Gesetze sowie Verordnungen und sonstige Bekanntmachungen von wesentlicher Bedeutung, soweit sie nicht im Bundes - gesetzblatt Teil II zu veröffentlichen sind. Bundesgesetzblatt Teil II enthält a) völkerrechtliche Übereinkünfte und die zu ihrer Inkraftsetzung oder Durch - setzung erlassenen Rechtsvorschriften sowie damit zusammenhängende Bekanntmachungen, b) Zolltarifvorschriften. Laufender Bezug nur im Verlagsabonnement. Postanschrift für Abonnement - bestellungen sowie Bestellungen bereits erschienener Ausgaben: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln Telefon: (02 21) 9 76 68-2 82, Telefax: (02 21) 9 76 68-1 40 E-Mail: bgbl@bundesanzeiger.de Internet: www.bundesgesetzblatt.de bzw. www.bgbl.de Bezugspreis für Teil I und Teil II halbjährlich im Abonnement je 85,00 €. Bezugspreis dieser Ausgabe: 6,05 € (5,00 € zuzüglich 1,05 € Versandkosten). Im Bezugspreis ist die Mehrwertsteuer enthalten; der angewandte Steuersatz beträgt 7 %. ISSN 0341-1109 Bundesanzeiger Verlag GmbH · Postfach 10 05 34 · 50445 Köln Postvertriebsstück · Deutsche Post AG · G 1998 · Entgelt bezahlt Slowenien* am 1. Juni 2015 nach Maßgabe von Vorbehalten zu den Artikeln 30, 44, 55, 58 und 59 Spanien* am 1. August 2014 nach Maßgabe von Erklärungen zu Gibraltar und zur spanischen Gesetz - gebung Türkei am 1. August 2014 Zypern am 1. März 2018 nach Maßgabe von Vorbehalten zu den Artikeln 30, 44 und 59. III. Darüber hinaus wird das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt für Mazedonien, ehemalige jugoslawische Republik* am 1. Juli 2018 nach Maßgabe von Vorbehalten zu den Artikeln 30, 44, 55 und 59 in Kraft treten. * Vorbehalte und Erklärungen: Vorbehalte und Erklärungen zu diesem Übereinkommen, mit Ausnahme derer Deutschlands, werden im Bundesgesetzblatt Teil II nicht veröffentlicht. Sie sind in englischer und französischer Sprache auf der Webseite des Europarats unter www.conventions.coe.int einsehbar. Gleiches gilt für die ggf. zu benennenden Zentralen Behörden oder Kontaktstellen. Berlin, den 5. April 2018 A u s w ä r t i g e s A m t Im Auftrag Dr. M i c h a e l Ko c h 144 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2018 Teil II Nr. 5, ausgegeben zu Bonn am 16. April 2018 104 Impressum Diese Broschüre ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung; sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Herausgeber: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Referat Öffentlichkeitsarbeit 11018 Berlin www.bmfsfj.de Mit freundlicher Genehmigung des Bundesanzeiger Verlag Bezugsstelle: Publikationsversand der Bundesregierung Postfach 48 10 09 18132 Rostock Tel.: 030 18 272 2721 Fax: 030 18 10 272 2721 Gebärdentelefon: gebaerdentelefon@sip.bundesregierung.de E-Mail: publikationen@bundesregierung.de www.bmfsfj.de Für weitere Fragen nutzen Sie unser Servicetelefon: 030 20 179130 Montag–Donnerstag: 9–18 Uhr Fax: 030 18 555-4400 E-Mail: info@bmfsfjservice.bund.de Einheitliche Behördennummer: 115* Artikelnummer: 4BR205 Stand: März 2019, 1. Auflage Gestaltung Umschlag: www.zweiband.de Druck: MKL Druck GmbH & Co. KG, Ostbevern * Für allgemeine Fragen an alle Ämter und Behörden steht Ihnen auch die einheitliche Behördenrufnummer 115 zur Verfügung. In den teilnehmenden Regionen erreichen Sie die 115 von Montag bis Freitag zwischen 8 und 18 Uhr. Die 115 ist sowohl aus dem Festnetz als auch aus vielen Mobilfunknetzen zum Ortstarif und damit kostenlos über Flatrates erreichbar. Gehörlose haben die Möglichkeit, über die SIP-Adresse 115@gebaerdentelefon.d115.de Informationen zu erhalten. Ob in Ihrer Region die 115 erreichbar ist und weitere Informationen zur einheitlichen Behördenrufnummer finden Sie unter http://www.d115.de. Engagement Familie Ältere Menschen Gleichstellung Kinder und Jugend

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